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Sarpei-Interview
„Ihr müsst Spaß machen!“

Hans Sarpei im Interview: „Ihr müsst Spaß machen!“

Seit seinem dritten Lebensjahr ist Köln die Heimat von Hans Sarpei, von hier aus hat er erst die Fußballwelt, später die Sphären der sozialen Netzwerke erobert.

Nachdem er unter Toni Schumacher bei Fortuna Köln zum Zweitligaprofi wurde, führte ihn sein Weg mit Bayer Leverkusen ins Europa League-Viertelfinale, mit Schalke 04 zum DFB-Pokal und mit Ghana ins WM-Viertelfinale. Deutschlandweite Bekanntheit wurde Sarpei allerdings erst zuteil, als er zum Ende seiner Karriere einen amerikanischen Action-Darsteller als Superhelden des Internets ablöste: Wo vorher Chuck Norris zwei Mal bis Unendlich zählte, bringt heute Hans Sarpei Zwiebeln zum Weinen.

Gefunden auf …

Die Sprüche mit dem ehemaligen Kicker als Protagonisten sind Kult, 364.821 Leuten gefällt Sarpeis Seite auf Facebook, die er täglich mit neuen Witzen füttert. Zuletzt, als er für einen Lehrgang zur Trainer-B-Lizenz in Edenkoben in der Pfalz weilte, gab er zum Besten: „Obama in Berlin und ich in der Sportschule Edenkoben. Könnte mich weiß ärgern.“

Herr Sarpei, Sie machen gerade die Trainer B-Lizenz. Wenn Sie die haben, können Sie bei den Junioren bis zur Regionalliga trainieren. Sehen wir Sie bald als Jugendtrainer? Natürlich will ich irgendwann an der Linie stehen, ob als Jugendtrainer oder Co-Trainer. Ich glaube der FC hat einiges an Bedarf (lacht).

Ernsthaft? Das kommt darauf an, wie viel Zeit ich habe. Es ist allerdings auch für meine Arbeit bei Sky (als Experte für Sky Sports News HD, d. Red.) gut, diese Erfahrung zu machen. So sehe ich die Dinge aus einem anderen Blickwinkel.

Sie sagen, es kommt auf Ihre Zeit an. Was steht denn ansonsten momentan an? „Hans Sarpei. Das ‘T‘ steht für Coach“, eine Show auf Tele 5. Ich fahre zu Amateurfußballteams und pimpe sie auf, mache sie bereit für ein großes Spiel oder ein Derby.

Wie kam es dazu? Ich habe zuletzt für Karstadt Sport als Social Media Berater gearbeitet und habe dort etwas Ähnliches gemacht. Da konnten sich die Teams bewerben, um mich für ein Spiel als Trainer zu mieten, es haben sehr viele mitgemacht. Ich habe dann ein Team in Schweinfurt gecoacht. Wir haben das Spiel gewonnen, das war das wichtigste (lacht). Damals war das nur eine einmalige Aktion, aber daraus ist die Idee entstanden. Diesmal läuft das pro Verein eine Woche lang und wird von Kameras begleitet. Egal welche Probleme auftauchen: Ob ein Spieler keine Lust mehr hat, ob ich zur Arbeit eines Spielers fahren muss, oder ob keine Bälle fürs Training da sind – ich kümmere mich drum.

Am schönsten wäre es ja, wenn sich dann einer ihrer alten Vereine aus Köln bewerben würde. Wenn die eine coole Story haben, wäre das natürlich sensationell. Bei Ford Niehl war ich zuletzt, dort habe ich bei einem Stützpunkttraining hospitiert und viele Leute von früher getroffen, das war sehr schön. Meinen alten Jugendtrainer Manfred Beckmann zum Beispiel.

Ford Niehl ist in der vergangen Saison in die Kreisliga abgestiegen. Trotzdem läuft dort auch vieles gut, zum Beispiel gibt es eine neue Kunstrasenanlage. Ja, die Anlage ist echt schön geworden. Wenn ich die mit dem Aschenplatz von früher vergleiche, ist das schon toll. Die Leute in Niehl machen sich wirklich Gedanken über die Jugendlichen, das ist sehr schön.

Wie war das, damals auf Asche zu spielen? In der Jugend habe ich immer auf Asche gespielt, das war ich gewohnt. Es war immer etwas Besonderes, auswärts auf Rasen zu spielen. Die Vereine, die zu uns kamen, waren natürlich nicht happy, auf dem Ascheplatz zu spielen und wir hatten Vorteile.

Sie waren fünf Jahre bei Ford Niehl. Haben Sie damals in der Jugend alle Pokale abgesahnt? Ach, überhaupt nicht. Damals war es immer so, dass Bayer Leverkusen und der FC mit dir in der höchsten Klasse waren und die Meisterschaft unter sich ausgemacht haben – weil sie jedes Jahr die besten Spieler abgeworben haben. Da hattest du nie eine Chance, bist höchstens mal Zweiter geworden.

Bevor Sie in Niehl spielten, machten Sie in Chorweiler Ihre ersten fußballerischen Schritte. Erzählen Sie mal. Die Zeit damals war ganz anders als heute. In Chorweiler haben wir immer auf der Straße gespielt, schon auf dem Weg nach Hause von der Schule hast Du die Jungs mit dem Ball gesehen. Wenn meine Eltern nicht da waren, habe ich, als ich nach Hause kam, den Ranzen direkt in die Ecke geworfen und bin los, ansonsten direkt nach den Hausaufgaben. Irgendwann bin ich dann in den Verein gegangen, der direkt um die Ecke war und bei dem meine ganzen Freunde gespielt haben. Und irgendwann sind meine Freunde nach Niehl gewechselt und ich bin hinterher. In der C-Jugend wurde es dann interessant, ab dann haben sich die größeren Vereine umgeschaut und ich wurde von Viktoria Köln angesprochen.

Trotzdem dauerte es noch für heutige Verhältnisse ungewöhnlich lange mit dem Sprung zum Profi. Heute bekommen die Jungs mit 18 einen Profivertrag. Ich habe in dem Alter in der Oberliga gespielt, das war damals die vierthöchste Spielklasse, wie heute die Regionalliga.

Nach einem Jahr bei den Senioren der Viktoria wechselten Sie dann zu Winfriedia Mülheim. Genau. Winfriedia war ein Arbeiterverein. Geholt hat mich damals Franz Wunderlich (heute sportlicher Leiter von Viktoria Köln, d. Red.). Er war kurz unser Spielertrainer. Franz war Libero – damals gab es das noch – und hat mir viel beigebracht. Er war ein sehr lauter Spieler (lacht) – da hat er sich nicht geändert, er ist immer engagiert dabei. Wir haben noch ab und zu Kontakt.

Kontakt hatten Herr Wunderlich und Sie auch 2012, nach ihrem Abschied bei Schalke 04. Es kursierte das Gerücht, Sie würden bei der Viktoria Ihre Karriere ausklingen lassen. Ja natürlich, durch die Kontakte mit Franz hat jeder gedacht, dass ich nochmal zur Viktoria wechseln würde. Aber ich war damals verletzt und hätte dem Verein das nicht zusagen können. Gerade in den unteren Ligen musst Du als Spielerpersönlichkeit topfit sein, denn jeder wartet auf deine Aktionen.

Mittlerweile ist Winfriedia Mülheim Geschichte. Der Verein meldete 2009 Insolvenz an und ist nicht der einzige sogenannte Traditionsklub, den es nicht mehr gibt. Woran liegt das? Ganz einfach: Das liegt daran, dass jemand kommt, der viel Geld hat und es in den Verein buttert. Dann denken die Leute, die vorher das Fundament gebildet haben, dass das ewig so weiter geht und man nichts mehr tun muss. Irgendwann hat dann der Investor keine Lust mehr und dann steht man da, ohne Strukturen. Dann fällt der Klub von heute auf morgen in ein Loch und es ist vorbei. Das passiert vielen Vereinen. Es ist gut, wenn ein Investor kommt, aber man muss trotzdem seine Strukturen beibehalten und die Basis mit anderen Sponsoren bezahlen können. Denn man weiß nie, wann der Verein nicht mehr als Spielzeug dient.

Auch bei Ihrem Ex-Klub Viktoria wird zurzeit viel investiert. Verfolgen Sie die Entwicklungen in Höhenberg? (Lacht) Ich glaube man kann nicht anders, wenn man in Köln Zeitung liest. Vor allem im letzten Jahr war dort viel Theater. Die Verantwortlichen wollten viel Presse, das war nicht immer gut. Und dann die Disziplinlosigkeiten: jede Woche bekam ein Spieler die Rote Karte. Man kann als Verein dann nicht immer sagen, dass es die Anderen Schuld waren. Da muss die Mannschaft intern aufräumen. Sportlich ist es ja eigentlich ganz gut gelaufen, obwohl es natürlich hart war, den direkten Aufstieg als Ziel auszurufen.

Was war das Problem, warum hat es nicht geklappt? Jeder Trainer hatte eine andere Philosophie. Die Viktoria hatte zu viele. Jeder Trainer brauchte andere Spieler, deswegen hat man wohl zu viele Transfers getätigt. Vom Namen her gute Fußballer, aber ob das zusammenpasst ist immer eine andere Frage.

Zurück zu Ihrem Werdegang: Bei Winfriedia blieben Sie nur ein Jahr, dann folgte ein Jahr beim Siegburger SV und danach, beim VfL Rheinbach, blieben Sie nicht einmal eine halbe Saison. Warum die kurzen Gastspiele? Ich habe eigentlich keinen Verein im Streit verlassen und immer meinen Vertrag erfüllt. Mit Winfriedia sind wir abgestiegen, aber ich wollte weiter hochklassig spielen. In Siegburg gab es nach einem Jahr dann Geldprobleme, wie es im Amateurfußball nun einmal so ist. Nur in Rheinbach war es ein wenig anders: Damals ist ein neuer Trainer gekommen, aber ich war verletzt und nicht beim Training. Da haben sich die Verantwortlichen geärgert, wir haben uns gestritten und dann war der Vereinswechsel die beste Lösung. Wenn man die Rheinbacher fragen würde, sie würden es viel schöner erzählen und sagen: wir wussten schon damals, dass Hans Sarpei Profi werden würde.

Sie wussten, oder wollten es in der Tat zu dem Zeitpunkt, denn im Winter 1998 wechselten Sie dann zu Fortuna Köln. Ich hatte das Gefühl, dass ich zu einem Verein musste, der eine Profimannschaft hat. Den Wechsel zur Fortuna hat von meinen Freunden zuerst niemand verstanden. Denn ich habe dort ja erst in der zweiten Mannschaft gespielt, in der Landesliga, und habe natürlich auch weniger verdient. Aber ich wollte es unbedingt versuchen, wollte mir ein bis zwei Jahre Zeit geben. Wenn ich es bis dahin nicht geschafft hätte, wäre ich wieder in die Oberliga gewechselt. Aber dann hat es nur ein halbes Jahr gedauert und ich war Profi.

Wie kam es dazu? Ich hatte bei der Fortuna einen Vertrag unterschrieben, der mir versichert hat, dass ich zusammen mit vier, fünf anderen Spielern regelmäßig bei den Profis mittrainieren durfte. Das war toll, Profiluft zu schnuppern, aber ich wollte mehr. Ich habe damals eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker gemacht, konnte also nicht jeden Tag unter Profibedingungen trainieren. Als ich Urlaub hatte, habe ich Trainer Toni Schumacher gefragt, ob ich regelmäßig mitmachen darf und er hat gesagt: kein Problem.

Wie ging es dann weiter? Ich habe bei der Fortuna drei Wochen am Stück mittrainiert und habe überzeugt, saß bei zwei Spielen auf der Bank und habe dann mein erstes Spiel gemacht. Wir haben auswärts bei Greuther Fürth 4:0 verloren.

Das klingt jetzt nicht ganz so schön. (Lacht) Ja, doch! Wir haben zwar verloren und mein Gegenspieler war, wenn ich gerade überlege, auch an allen Toren beteiligt. (Überlegt) Das war ein ganz erfahrener Spieler (Arie van Lent erzielte beim 4:0 der SpVgg Greuther Fürth gegen Fortuna Köln am 14.03.1999 alle vier Tore, d. Red.). Das klingt jetzt natürlich blöd, aber ich habe gut gespielt. Die Situationen waren einfach unglücklich: Ich habe auf Abseits gespielt, aber ein Mitspieler hat nicht mitgemacht, ich habe einen Pressball gemacht, der Ball wurde ins Tor abgefälscht. Aber es wartrotzdem sehr schön. Insgesamt war die Anfangsphase als Profi toll. Wenn ich mich an mein erstes Trainingslager in der Türkei erinnere: Da sind wir so unglaublich viel gelaufen – aber es hat mir überhaupt nichts ausgemacht, ich hätte immer weiterlaufen können.

Mit Toni Schumacher verbindet Sie eine der kuriosesten Geschichten im deutschen Profifußball. Sie waren in der Kabine, als Schumacher beim Heimspiel gegen Waldhof Mannheim am 15. Dezember 1999 in der Halbzeitpause von Präsident Jean Löring entlassen wurde. Das war schon sehr schockierend und überraschend, ich war damals ja auch noch sehr jung. Wir lagen mit 2:0 hinten, da ist Herr Löring reingekommen und hat gesagt, dass Herr Schumacher nun gehen könne. Der hat das gar nicht verstanden und wir Spieler dachten auch: Was ist denn hier los? Löring musste es wieder und wieder deutlich machen, er ist dann sehr laut geworden. Wir haben dann natürlich verloren, am Ende mit 1:5.

Die Fortuna ist heute weniger skandalträchtig und steht auch etwas weniger im Fokus der Öffentlichkeit als die Viktoria. Verfolgen Sie auch die Geschehnisse in der Südstadt? Natürlich, die Fortuna ist ja mein alter Verein, auch wenn ich da nicht mehr viele Leute kenne. Es ging dort im letzten Jahr ruhiger zur Sache und die Fortuna hat lange um den Aufstieg mitgespielt. Ich denke, der Verein ist auf dem richtigen Weg. Ich glaube, es ist für Köln gut, dass beide oben mitspielen. Fortuna war der Beginn meiner Profizeit, Viktoria der Beginn meiner Jugend. Ich gönne es beiden und bin da neutral.

Wenn Sie in dieser Sache so neutral sind, wie verfolgen Sie denn den 1.FC Köln? Sind Sie FC-Fan? (Lacht) Ich glaube nicht. Aber ich bin in Köln groß geworden, deswegen ist der FC natürlich immer Thema. Alleine wegen den Fans müsste der FC in der ersten Liga spielen, die sind super. Die Mannschaft ist nicht so überragend. Natürlich wollten alle, dass der FC im letzten Jahr direkt wieder aufsteigt. Aber man muss der Mannschaft Zeit geben, es wird auch dieses Jahr wieder schwer. Aber machbar ist alles. Mit Peter Stöger ist wieder ein neuer Trainer da, der neue Sachen von den Spielern verlangt.

Wieso sind Sie eigentlich nie zum FC gewechselt? Ich war dort als junger Spieler mal beim Probetraining, aber es hat nicht gepasst. Die haben sich immer gedacht: So einen schlechten Spieler brauchen wir nicht (lacht). Der FC war immer ganz oben, die Mannschaften, in denen ich gespielt habe – Wolfsburg, Leverkusen, Schalke – immer ganz unten.

Nicht nur bei den angesprochenen Vereinen, sondern auch im ghanaischen Nationalteam, haben Sie viele Höhepunkte erlebt. Einen schönsten auszuwählen fällt wahrscheinlich schwer, oder? Bei der WM 2006 habe ich zwar kein Spiel gespielt, aber die Atmosphäre in Deutschland mitzuerleben, war überragend. Ich hatte auch eine tolle Zeit, als ich aus Wolfsburg nach Leverkusen gewechselt bin, unter Michael Skibbe. In der Europa League sind wir weit gekommen und erst gegen St. Petersburg ausgeschieden, die später den Pokal geholt haben. Mit Schalke 04 haben wir Inter Mailand geschlagen und den DFB-Pokal geholt. Einen Pokal in den Händen zu halten schaffen nicht alle Spieler, selbst manche überragenden nicht.

Vermissen Sie es, auf dem Platz zu stehen? Mein Knie ist kaputt. Wenn ich eine Woche lang trainiere, tut es weh und wird dick, das macht keinen Sinn mehr. Natürlich hätte ich gerne noch ein Jahr gespielt, als Fußballer will man immer spielen. Auf der anderen Seite war ich so lange dabei – jetzt sollen andere ihre Chance bekommen.

Am Schluss müssen wir noch kurz auf Facebook zu sprechen kommen. Betreiben Sie die Seite mit über 364.000 „Likes“ eigentlich noch selbst? Ja, mit einem Kumpel zusammen.

Wie viel Zeit verbringen Sie damit? Schon viel, man ist ja eigentlich immer online. Ich schaue ständig auf mein Smartphone.

Letzte Frage: Wir haben auf unserer RHEINFUSSBALL Facebook-Seite 1.700 „Gefällt mir“- Angaben. Wie kommen wir auf 10.000? Ganz einfach: Es reicht nicht zu berichten, die Leute wollen nicht nur über Fußball lesen. Berichte liest man tausendmal, dann hat man irgendwann keine Lust mehr. Ihr müsst Spaß machen und humorvoll sein!

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