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Markus Rehm
Sieben-Meter-Schallmauer ist reif

Weitsprung: Rehm und die "Schallmauer"
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Markus Rehm kann bei der IDM in Bottrop Geschichte schreiben: Der Weitspringer vom TSV Bayer 04 Leverkusen versucht eine "Schallmauer" zu durchbrechen.

„Er hat gute Chancen der Erste zu sein, der über sieben Meter springt”, sagt Jörg Frischmann, Geschäftsführer der Behindertensport-Abteilung vom TSV Bayer 04 Leverkusen. Gemeint ist Markus Rehm. Vorher hat der 21-Jährige aber noch ein anderes Ziel: den Weltrekord zu verbessern.

Das hat er eigentlich schon, aber nur inoffiziell. Bei der Messe „Orthopädie und Reha-Technik” in Leipzig Mitte Mai landete Rehm bei seinem fünften Versuch beim Weitsprungwettkampf bei 6,88 Meter, die aktuelle Rekordmarke liegt bei 6,79 Meter. „Im Trainingslager habe ich diese Weite schon bestätigt. Ich bin zuversichtlich, dass ich es in diesem Jahr auch bei einem offiziellen Wettkampf schaffe”, meint der Athlet vom TSV Bayer 04 Leverkusen.

Diese Weite ist umso bemerkenswerter wenn man bedenkt, dass Rehm im Mai des vergangenen Jahres „erst“ 6,09 Meter gesprungen ist. Seine derzeitige – offizielle – persönliche Bestmarke liegt bei 6,75 Meter, aufgestellt im Dezember 2009 bei den IWAS World Games (IWAS: International Wheelchair und Amputee Sports Federation) im indischen Bangalore. Der verbesserte Europarekord wurde gleichzeitig mit der Goldmedaille belohnt.

Die Bayer-Verantwortlichen wurden Ende 2008 bei einem Sichtungslehrgang auf Rehm aufmerksam. Mittlerweile ist er fester Bestandteil der Trainingsgruppe von der erfolgreichen Speerwerferin Steffi Nerius. „Ich habe eine ganz gute Veranlagung und auch früher schon Weitsprung gemacht”, betont Rehm. Früher heißt bis zum Alter von zwölf Jahren. „Nur zum Spaß”, wie er erzählt, „habe ich damals einmal die Woche trainiert.” Die Weite von 5,10 Meter konnte sich für den damals jungen Burschen dennoch sehen lassen.

Das war allerdings vor seinem Unfall – vor der Unterschenkelamputation. Seine größere Leidenschaft galt vor ein paar Jahren noch dem Wakeboarden. Am 10. August 2003 tauchte der damals 14-Jährige nach einem missglückten Sprung von Welle zu Welle mit seinem Board ins Wasser ein. Alles kein Problem, wenn da nicht plötzlich ein fremdes Boot auf dem Main aufgetaucht wäre und nicht den Jungen im Wasser übersehen hätte. Stattdessen aber geriet Rehm in die Schiffsschraube. Die anschließende mehrstündige Operation blieb ohne Erfolg, nach drei Tagen musste das rechte Bein in Folge einer Blutvergiftung unterhalb des Knies amputiert werden. Dank seines großen Willens muss sich der 21-Jährige in seinem Alltag allerdings kaum einschränken. „Mit der Prothese kann ich alles machen. Ich kann auch wieder alle Sportarten ausführen”, betont Rehm.

Auf seinem Wakeboard stand er bereits ein Jahr später wieder. „Beim ersten Mal war es ein komisches Gefühl”, erinnert sich der Junioren-Weltmeister. „Ich achte nun darauf, dass kein fremdes Boot in der Nähe ist.” Da er seit einiger Zeit in Leverkusen wohnt, kommt er nun aber nicht mehr so häufig dazu, über die Wellen zu springen. Für den anvisierten Weltrekord und die Sieben-Meter-Marke muss ja schließlich auch viel trainiert – und vielleicht auch getüftelt – werden.

Seine Prothesen baut sich Rehm nämlich komplett selbst. Vom September 2006 bis Januar 2009 absolvierte er eine Lehre zum Orthopädiemechaniker und Bandagist – abgeschlossen hat er sie mit dem zweiten Platz auf Bundesebene. „Ich finde schon, dass es ein leichter Vorteil ist”, glaubt Rehm. „Ich weiß schließlich, was für Möglichkeiten ich habe und wie ich es optimieren kann.” So kann er zum Beispiel Druckstellen schnell beheben. Und natürlich wird auch beim Training gelegentlich mit den Kollegen gefachsimpelt. „Es haben ja alle ihren eigenen Techniker, aber bei kleineren Sachen helfe ich auch schon mal“, verrät der Bayer-Athlet.

Grundsätzlich könnte auch mit der normalen Alltagsprothese Sport betrieben werden, wobei es allerdings schon auf ein paar Besonderheiten ankommt. So muss die Feder bei der Prothese für den Weitsprung beispielsweise härter sein als die beim Sprint. „Beim Absprung wird viel Kraft ausgeübt. Der Schaft muss richtig passen“, bemerkt der Sportler. Nahezu alle Athleten springen von der Feder und nicht mit ihrem gesunden Bein ab.

Als Experte in seinem Metier gibt Rehm auch offen zu, dass die ganzen Diskussionen rund um die Frage, ob es sich bei den Prothesen um leistungsfördernde Mittel handelt ambivalent, gegenüber steht. „Das ist ein schwieriges Thema. Auf der einen Seite spart es Energie, aber auf der anderen Seite muss dafür mehr Energie aus dem Oberkörper kommen”, erklärt Rehm, der zudem einen Vergleich der Bestweiten heranzieht. „Wenn die Feder wirklich viel besser wäre als das gesunde Bein, dann würden wir bereits weiter springen. Wir sind aber noch zwei Meter unter dem Weltrekord.” Bei den Männern beträgt dieser 8,95 Meter. „Man kann darüber streiten, ob es ein Riesenvorteil ist”, sagt Rehm.

Vor Augen hat er auch vielmehr seine persönlichen Ziele. Dazu gehört natürlich seine erste Teilnahme an den Paralympischen Spielen in London 2012. Aber noch viel früher ist der Weltrekord dran. Spätestens bei der WM in Neuseeland Anfang des neuen Jahres sollen zudem die sieben Meter übersprungen werden. Klingt nach einem genauen Plan. An neuen Herausforderungen mangelt es somit vorerst nicht, zumal da auch noch die Sprintdistanzen wären. Denn auch dort erzielt Rehm immer größere Fortschritte. Aber eins nach dem anderen…

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