Wenn es um die EM-Historie geht, gibt es auch Reviersicht weniger Zeitzeugen, die geeigneter wären, eine Kolumne zu unserem EM-Sonderheft beizusteuern als MSV-Legende Bernard Dietz. Hier seine Erinnerungen an die EM 1980 und seine Aussicht auf die anstehende Europameisterschaft 2024 in Deutschland.
Wenn die Europameisterschaft 2024 in Deutschland stattfindet, bin ich natürlich als Fan dabei. Es werden ja auch Spiele in Nordrhein-Westfalen und im Ruhrgebiet stattfinden. Das freut mich sehr. Das wird nach 2006 ein zweites Sommer-Märchen, davon bin ich überzeugt.
Ich habe immer gerne für die deutsche Nationalmannschaft gespielt. Ich war ja schon 1976 dabei und da standen wir im Finale gegen die Tschechoslowakei. Leider gab es das Elfmeterschießen. Den verschossenen Strafstoß von Uli Hoeneß sucht man noch heute im Himmel von Belgrad. Ich glaube, dass sogar die jungen Leute diesen Fehlschuss kennen und irgendwo bei YouTube gesehen haben.
Nach der EM 1976 haben wir eine gute Zeit erlebt. Helmut Schön wurde von Jupp Derwall beerbt und wir wurden 1980 in Italien Europameister. Das Finale gegen die damals so starken Belgier, die den Gastgeber Italien ausschalteten, war hart umkämpft. Doch durch eine traumhafte Kombination unserer Hamburger Manfred Kaltz und Horst Hrubesch haben wir das Ding mit 2:1 gewinnen und wurden Europameister - Wahnsinn!
Ich weiß noch als ein Fan Karl-Heinz Rummenigge und mir eine Deutschland-Fahne zugeworfen hat und wir die Ehrenrunde gelaufen sind. Ich dachte mir nur: ‚Scheiße, Ennatz! Gleich stehst du da neben der belgischen Königin und wirst als Kapitän den Pokal in Empfang nehmen.‘ Das war für mich unglaublich. Ich habe dann im Vorbeilaufen die Königin ignoriert und war bei der Siegerehrung wie in einem Film. Als ich den Pott in den Händen hatte, war das unglaublich.
Ich spielte beim MSV Duisburg und wir waren stets die graue Maus und plötzlich war ich Kapitän des Europameisters, das war wie im Traum. Am Rande: Wir sind von 1978 bis einige Begegnungen nach dem EM-Finale 1980 in 23 Partien hintereinander ungeschlagen geblieben. Dieser DFB-Rekord besteht immer noch.
Stichwort heute. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob die Heim-EM 2024 für die heutigen Spieler noch so besonders ist. Mir blieb so ein Heim-Turnier leider vergönnt. Aber heute spielen die Jungs im ganzen Jahr so viele wichtige Spiele in der Bundesliga, in den internationalen Ligen, in der Champions League, so dass für sie eine Heim-EM vielleicht auch nur die Spiele Nummer 80, 81, 82 einer Saison sind.
Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass das Turnier ein tolles Fußballfest für alle Fans wird - hoffentlich friedlich. Denn am Ende verbindet der Fußball die Menschen, die Nationen. Und so soll es auch im Sommer 2024 im multikulturellen Deutschland sein.