Mit welchen Blicken schauen Teile der RWE-Fans nach Dortmund? Vermutlich honorieren sie die so oft beschworene „Gelbe Wand“. Wahrscheinlich drücken Sie dem Verein auch im Moment die Daumen, weil die Mannschaft von Trainer Lucien Favre das Meisterschafts-Abonnement des FC Bayern München in diesem Jahr durchbrechen kann. Vermutlich schimpfen beide Fanlager gemeinsam auf Dietmar Hopp, Hoffenheim und RB Leipzig. Dass wir bei Borussia Dortmund aber über eine Aktiengesellschaft sprechen, wird gerne außen vor gelassen.
Noch unter dem ehemaligen Essener Vorsitzenden Michael Welling wurde das Thema Ausgründung der ersten Mannschaft in die Agenda aufgenommen. Anteile des Vereins sollen irgendwann in der Zukunft verkauft werden, um Geld zu generieren und damit die Regionalliga, die auch gerne „Schweineliga“ genannt wird, endlich zu verlassen. Auf der Jahreshauptversammlung des Vereins [article=353559]im Jahr 2017 stimmten mehr als 80 Prozent der anwesenden Mitglieder für einen Antrag, der es dem Verein erlaubte, sich mit dem Thema Ausgliederung zu befassen.[/article]
Nun arbeitet die Fan-Initiative „Essen unVerkäuflich“ gegen diese Pläne. „Wir wollen nicht zulassen, dass unser Verein auch nur ein Stück seiner Identität verliert oder gar von irgendeinem verrückten Oligarchen übernommen wird“, schreiben sie auf ihrer Webseite. Vor allem Letzteres hatte nicht nur Welling an den Informationsabenden über die Ausgliederung abgelehnt, genauso geht es dem aktuellen Vorsitzenden Marcus Uhlig.
Auf dem aktuellen RWE-Weg gibt es kaum eine Hoffnung bezüglich einer schnellen Rückkehr in den Profibereich
Dieser hatte, fast schon gebetsmühlenartig betont, dass RWE nicht zum Spielball eines Oligarchen verkommen soll, sondern dass die Fans in der Planung und Organisation einer Ausgründung mit ins Boot geholt werden soll. Der Plan ist schließlich nicht, möglichst schnell möglichst viel Geld über Anteilsverkäufe zu generieren, sondern auf einem modernen Weg den Verein mit mehreren Investoren nach dem Dortmunder Modell (einer KGaA) so aufzustellen, dass er zukunftsfähig ist. Beim aktuellen Stand darf dies bezweifelt werden.
Aktuell fehlen Rot-Weiss Essen einfach die Mittel, um auf dem Transfermarkt ähnlich zuschlagen zu können wie es Viktoria Köln oder der SV Rödinghausen tun. Wenn die großen Bundesligisten wie Dortmund, Borussia Mönchengladbach oder auch der FC Schalke 04 mit ihren Zweitvertretungen ernst machen, sinken die Wahrscheinlichkeiten eines Aufstiegs in die 3. Liga - ungeachtet möglicher Absteiger aus der 3. Liga - weiter.
Trotz eines Zuschauerandrangs wie zu Saisonbeginn und trotz der vielen ansässigen Firmen in Essen, einer der größten Städte Deutschlands, wird der Deutsche Meister von 1955 auf altmodischem Wege kaum die nötigen Mittel für einen ernsten Angriff auf die 3. Liga aufbringen können. Die Firmen verwenden ihr Sponsorenbudget nämlich eher für den Spitzensport, als für den heimischen Traditionsklub. Warum das so ist, kann man ja beispielsweise mal bei evonik oder innogy nachfragen.
Mit jedem Jahr Regionalliga geht auch ein Stück Identifikation verloren
Wer glaubt, dass es trotzdem und nur durch die Historie möglich ist, den Weg zurück in den Profi-Fußball auf altmodische Weise zu gehen, der setzt auf ein Fußball-Wunder, wie sie in Darmstadt oder in Kiel in den letzten Jahren passiert sind. Doch Wunder gibt es selten. Und wer Investoren und Ausgliederungen ablehnt, der darf auch nicht pfeifen und alles madig machen, wenn es in den kommenden Jahren für RWE nur viertklassig weitergeht und die Reisen weiter nach Kaan-Marienborn, Straelen oder Verl gehen.
Und was den Identitätsverlust angeht: Wenn man als Fan ehrlich zu sich selber ist, geht diese doch auch mit jedem weiteren Jahr in der Regionalliga ein Stück weit verloren. Vor allem dann, wenn die Zuschauer jetzt schon bei einem siebten Platz den Heimspielen fernbleiben, wie es aktuell der Fall ist. Bei der „gelben Wand“ der Aktiengesellschaft aus Dortmund würde wohl niemand von einem Identitätsverlust sprechen, oder?
Autor: Stefan Loyda