Was für ein Dilemma für viele Fans im Land: Ausgerechnet das verhasste Marketing-Ungetüm RB Leipzig macht sich auf, endlich die Bayern ernsthaft zu jagen und ihnen die Dauer-Tabellenführung streitig zu machen.
Dabei ist es ja nur ein weiterer Beweis für die These, dass der Fußball auf dem Rasen dabei ist, wieder zur alten Unberechenbarkeit zurückzufinden. Allein vor und nach den 90 Minuten ist er gänzlich unerträglich geworden mit all seinen Medien-Schreihälsen, skrupellosen Beratern und Vermarktern und der allgegenwärtigen Macht des Kommerzes.
Dabei erfüllt das von Ralf Rangnick mit beeindruckendem Sachverstand zusammengestellte Team alle Bedingungen, um allgemein geachtet, in Teilen gar geliebt zu werden. Kritiker mögen bedenken, dass diese blutjunge Truppe schon im letzten Jahr weitgehend zusammen war, als man noch in der zweiten Liga kickte. Vermutlich wären alle im Kader auch für die meisten anderen Bundesligisten erschwinglich gewesen. Nein, ihnen den sportlichen Wert abzusprechen, ist Unsinn.
Auf der anderen Seite wird die Diskussion von den Befürwortern des Modells Leipzig maximal unehrlich geführt. Die Vergleiche mit den Traditionsvereinen, die ja auch Sponsoren haben, ist reiner Blödsinn, der durch Wiederholung nicht wahrer wird. Es ist ein Unterschied, ob man seine Brust, sein Stadion oder die Banden zu einem irgendwo schon realen Marktwert verkauft oder aus schier unerschöpflichen Quellen Mittel bezieht, die für die Konkurrenz bei allem Geschick und Aufwand nie zu realisieren sind. Mit ein wenig Fantasie lässt sich ausmalen, welche Konstrukte in zehn Jahren die Bundesliga bevölkern. Wie absurd es dort zugehen kann, wenn Weltkonzerne Vereinsgebilde aus dem Boden stampfen und den Fußball, wie wir ihn kennen, aus Marketinggründen bis zur Unkenntlichkeit gleichermaßen aufblasen und einstampfen.
Klar kann man sich angesichts solcher Gemengelage stoisch auf den Sport konzentrieren. Aber der Fußball hat in seiner immer größeren Bedeutung stets die Funktion eines gesellschaftlichen Spiegels. Junge Menschen, denen am Beispiel der Bundesliga gelehrt wird, dass alles käuflich ist und nichts mehr einen Wert hat, werden von Fans zu Opfern des Fußballs. RB Leipzig und der anhaltende Widerstand gegen den Kunstklub könnten in nicht ferner Zukunft als entscheidende Wegmarke des Profifußballs betrachtet werden, ähnlich dem Bosman-Urteil. Aber in welche Richtung? Keine Ahnung.