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RE: Nach Tätlichkeit
72-jähriger Schiedsrichter lange gesperrt

Tätlichkeit gegen Spieler: 72-jähriger Schiri gesperrt
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Ein 72-Jähriger Schiedsrichter ist in ein Handgemenge verwickelt worden. Ob als Schlichter oder als Aggressor, das ist Gegenstand eines kuriosen Streitfalls.

SR: Hundt (Recklinghausen). Fast 47 Jahre lang stand dieses Kürzel nach eigenem Bekunden für konsequente aber kommunikative Spielleitung. Doch das ist nun Geschichte. Hans-Herbert Hundt leidet. Dem Schiedsrichter wird ein schwerer Aussetzer beim Kreisliga-B-Spiel zwischen der DJK Grün-Weiß Erkenschwick III und Schwarz-Weiß Röllinghausen II angelastet. Die Kreisspruchkammer hat Hundt bis zum Ende der Saison 2011/12 gesperrt. "Vergleichsweise ist das ein sehr mildes Urteil. Bei einem Spieler wäre die Strafe etwa doppelt so hoch ausgefallen", erläutert Friedrich Korf. Als Vorsitzender der Kreisspruchkammer Recklinghausen sollte er wissen, wovon er spricht. Hundt soll einen Spieler geschubst, einer anderen Version zufolge sogar gewürgt haben. Wiederum ein anderer Zeuge will sogar eine Morddrohung vernommen haben. Schwere Vorwürfe, die Hundt jedoch vehement bestreitet. Und selbst auf Seiten der Spruchkammer bleiben Restzweifel am Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen. Fertig ist eines der außergewöhnlichsten Verfahren, das der Kreis seit langem erlebt hat.

Schubsen, Würgen oder sogar eine Morddrohung?

Selten tat sich die Sportgerichtsbarkeit des Kreises wohl so schwer wie bei der Bewertung der unterschiedlichen Zeugenaussagen zum Spiel 074 der Saison 2011/12 in der Kreisliga B 2 Recklinghausen. Immerhin unstrittig ist, dass der folgenschweren Szene ein Zweikampf vorausging. Plötzlich habe ein Röllinghausener Spieler geschrien: "Der hat mich angespuckt!" und zum Beweis auf einen Fleck auf seiner Hose gedeutet. "In dem Moment guckte der andere Spieler mich auch schon an wie ein Stier. Beide sind aufeinander los, ich bin dazwischen gegangen, habe meine Hände breit gemacht und gesagt: 'so etwas gibt es bei mir nicht.' Mehr war nicht!", beteuert Hundt mit Nachdruck. "Ich kann mich doch nicht daneben stellen und sagen: 'schlagt euch die Köpfe ein!'". Das Spiel ging zwar ordnungsgemäß zu Ende (6:2 für Erkenschwick III), gleich nach dem Duschen empfing Hundt aber bereits ein Polizeibeamter. Der Erkenschwicker Soner Akyildiz hatte die Ordnungshüter gerufen und anschließend Anzeige wegen Körperverletzung gegen Hundt gestellt. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat das Verfahren inzwischen eingestellt. Aus Mangel an Beweisen.

Die Wahrheitsfindung gestaltete sich auch vor der Kreisspruchkammer als äußerst kompliziert. "Es war sehr schwer, etwas herauszufiltern", gesteht Korf. Die Bandbreite der Zeugenaussagen reichte vom leichten Schubsen über eine Würgeattacke bis zur Morddrohung. "Das, was nach Ansicht der Spruchkammer als kleinstes gemeinsames Vielfaches übrig blieb, war eine Tätlichkeit des Schiedsrichters gegenüber einem Spieler", berichtet Korf. Daher sei Hundt mit diesem Urteil sogar noch gut bedient gewesen. Vielmehr habe man mit der vergleichsweise milden Strafe den Verdiensten des Unparteiischen Rechnung getragen.

Revanche an einer Reizfigur?

Doch Hundt ist nicht unumstritten. Selbst Andreas Mermann, Schiedsrichterobmann des Fußballkreises Recklinghausen muss einräumen, dass der altgediente Referee nicht nur Freunde hat. "Ich sage nicht, dass er seine eigenen Regeln macht, aber er legt eben sehr viel Wert auf Disziplin und hat auch schon mal einen lockeren Spruch drauf", erklärt Mermann. "Er ist eine Art Reizfigur." Gerade deshalb habe dieses Urteil einen Beigeschmack. "Die Kameraden in der Spruchkammer sind auch alles altgediente Kollegen. Die kennen Herrn Hundt und da ist es schwer, die Objektivität zu gewährleisten." Diese Gedankengänge versucht Korf entschieden zu entkräften: "Herr Hundt hat über 40 Jahre mehr oder weniger beanstandungsfrei Spiele gepfiffen und ist nie negativ aufgefallen. Von daher ist diese Aussage Quatsch!" Auch das Lamento des Verurteilten kann Korf nicht nachvollziehen. "Wenn er sich zu unrecht verurteilt fühlt, muss er Berufung einlegen. Das auf sich sitzen zu lassen wirkt doch so, als ob er die Vorwürfe einräumen würde. Sich dann hintenrum zu beschweren, empfinde ich nicht als fair."

Comeback im Sommer fest geplant

Doch Hundt scheut den Gang vor höhere Instanzen. "Dann müsste ich ja in Vorlage gehen und die Kosten für die Zeugen übernehmen. Der Kreis will das nicht zahlen. Ich habe fünf Enkelkinder und muss Weihnachtseinkäufe machen. Da kann ich kein Geld rauswerfen", betont das aktive FDP-Mitglied. An ein Schuldgeständnis mag Hundt aber nicht denken. "Ich leide seelische Qualen, das kann sich keiner vorstellen. Was Herr Korf da gemacht hat, so etwas Unmenschliches habe ich noch nicht gesehen. Wenn ich sechs oder sieben verschiedene Meinungen höre, kann ich mir nicht eine rauspicken und danach die Strafe aussprechen. Aber der liebe Gott wird ihn schon bestrafen." Doch Hundt belässt es nicht bei markigen Worten. Schon im Sommer will er ein persönliches Erfolgserlebnis feiern. Ab dem 1. Juli 2012 darf der Referee wieder pfeifen und ist wild entschlossen, zumindest von diesem Recht Gebrauch zu machen: "Wer hinfällt, muss auch wieder aufstehen. Ich lasse mir das nicht gefallen."

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