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Bottrop
Dritte Halbzeit ist den Spielern heilig

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In Berlin regt sich Widerstand gegen die dritte Halbzeit. Das Sportamt will den Fußballern das Bier nach dem Spiel verbieten. Auf drei Sportanlagen im Bezirk Tempelhof herrscht bereits Alkoholverbot.

Auslöser waren Beschwerden von Platzwarten über die Hinterlassenschaften der Kabinenfeiern. In Bottrop müssen sich die Fußballer noch nicht sorgen. „Unsere Vereine wissen sich zu benehmen“, sagt Lutz Radetzki. Nicht nur der Spartenleiter des Bottroper Fußballs verteidigt die dritte Halbzeit als ein Stück wertvoller Tradition und Fußballkultur.

„Wir trainieren mehrmals in der Woche, geben füreinander alles und kämpfen in den Spielen bis zum Umfallen. Das Bier danach macht uns nicht besser. Aber es gehört einfach dazu“, sagt Sven Koutcky, Trainer des A-Kreisligisten VfL Grafenwald. Fußball ohne dritte Halbzeit könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen: „Allein der Teamgedanke würde leiden.“ In diesem Punkt sind sich Bottrops Fußballer einig. Auch Mevlüt Ata verteidigt die gemeinschaftliche Runde nach Spielschluss. „Diese Phase ist wichtig, um das Spiel abzuhaken, damit die Jungs nicht alles mit nach Hause nehmen“, sagt der Trainer des Bezirksligisten VfB Bottrop. Murat Memisoglu von den Batenbrocker Ruhrpott-Kickern stößt ins selbe Horn: „Wir lassen dann das Geschehene Revue passieren, jeder kommt dabei zu Wort. Der Puls beruhigt sich. Das ist die Zeit, die wir brauchen, um vom Fußballer-Modus wieder in den Normalmensch-Modus zu schalten.“

Wir trainieren mehrmals in der Woche, geben füreinander alles und kämpfen in den Spielen bis zum Umfallen. Das Bier danach macht uns nicht besser. Aber es gehört einfach dazu

Sven Koutcky

Memisoglu bedauert die Entwicklung in Berlin, glaubt aber nicht, dass in Bottrop ähnliches droht: „Wir sind zwar keine Profis, aber auch wir nehmen den Sport ernst und wollen erfolgreich sein. Dazu gehört auch Disziplin und der gewissenhafte Umgang mit Alkohol. Die dritte Halbzeit darf nicht eskalieren. Es gibt nur Bier, nichts Hochprozentiges.“

Kein Gruppenzwang

Alkohol im Anschluss an ein Spiel halten die wenigsten für bedenklich. „Es geht ja auch gar nicht darum, sich zu betrinken“, sagt Sven Koutcky. Der 34-Jährige hat beim VfL Grafenwald einen Trend wahrgenommen, den viele seiner Bottroper Trainerkollegen mit Blick auf ihre Bierkästen bestätigen: „Ist ja kaum noch Bier drin in der Kiste“, sagt Koutcky. Der Getränkewart beim VfL Grafenwald ist Frederick Malcherek. Und der weiß es ganz genau: „Ich hole in der Regel sechs Pils und sechs Radler. Der Rest der Kiste wird mit Malzbier, Fassbrause, Cola, Fanta und Sprite aufgefüllt.“

Gruppenzwang zum Alkoholkonsum gebe es nicht. „Bei uns wird niemand angemacht, wenn er nach dem Spiel kein Bier trinkt. Viele müssen noch mit dem Auto fahren“, sagt Malcherek. Das bestätigt auch Murat Memisoglu von den Ruhrpott-Kickern: „In meiner Mannschaft gibt es muslimische Spieler, die keinen Alkohol trinken dürfen, aber die dritte Halbzeit funktioniert auch mit Cola.“

Sorgen um die geselligen Minuten nach dem Schlusspfiff müssen sich die Bottroper aktuell nicht machen. Der Stadt sind keine Beschwerden bekannt. „Unsere Fußballer benehmen sich. Probleme wie in Berlin haben wir nicht“, sagt Jürgen Heidtmann, Leiter des städtischen Sport- und Bäderbetriebs. Auch Lutz Radetzki sind noch keine Klagen zu Ohren gekommen. Der Spartenleiter der Bottroper Fußballer hält die Vorgehensweise in Berlin für falsch: „Ich kenne das aus meiner aktiven Zeit. Wir haben immer großen Wert darauf gelegt, unsere Kabine ordentlich zu verlassen. Man gibt schließlich vor allem in Auswärtsspielen die Visitenkarte des eigenen Vereins ab. Von diesen Verboten in Berlin halte ich nichts und ich hoffe, dass dieses Thema in Berlin bleibt.“

Sollte es in Bottrop zu vergleichbaren Vorfällen kommen, habe er schon einen klaren Plan: „Dann wäre es unsere Aufgabe, die Vereine darauf hinzuweisen, sich ordentlich zu verhalten. Das wäre dann auch unser Bier.“

Die Siegprämie in ihrer flüssigsten Form

Bottrops Fußballer mögen Bier. Noch besser schmeckt ihnen der Gerstensaft, wenn sie ihn nicht selbst bezahlen müssen. Und deshalb ist die Getränkeversorgung in den meisten Vereinen bis ins Detail durchorganisiert.

Nicht nur beim SV Bottrop 1911 ist die erste Kiste Bier nach einem Meisterschaftssieg vorstandsfinanziert. In einigen Vereinen ist damit schon die Siegprämie abgegolten. Weil aber keine Mannschaft von Sieg zu Sieg eilt und auch weniger erfolgreiche Fußballer Durst haben, gibt es viele weitere Regelungen. Ein neuer Spieler begeht seinen Einstand fast in jedem Klub mit einer Kiste Bier. Fällig wird dieser auch beim Geburtstag oder der Geburt eines Kindes. „Man teilt die Freude mit der Mannschaft“, sagt Ralf Quabeck vom SV Bottrop 1911. Mit einer Kiste Bier wird aber auch Fehlverhalten sanktioniert. Wie etwa beim VfL Grafenwald oder den Welheimer Löwen. „Wer im Spiel eine Rote Karte für Nachtreten, Schiedsrichterbeleidigung oder ähnlich dämliche Vergehen sieht, muss 50 Euro in die Mannschaftskasse zahlen und zur nächsten Gelegenheit einen Kasten Bier mitbringen“, sagt Trainer Thomas Ochojski.

Die Stärke einer Mannschaft ist es, dass Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilt werden können. Nicht jeder Fußballer muss sich um die Getränke kümmern. In einigen Mannschaften gibt es einen Getränkewart, in anderen wird er Bierminister genannt. Oft ist die Versorgung Aufgabe des Kapitäns oder des Schatzmeisters.

Auch zwischen den Vereinen und über die Stadtgrenzen hinaus gibt es so etwas wie ein Biernetzwerk. Viele Vereine überlassen Gästemannschaften den ersten Kasten Bier nach einem Spiel zum Einkaufspreis oder zu vergünstigten Konditionen. Bei den Alt-Herren ist es Gang und Gäbe, dass der Gast eine Kiste kostenlos bekommt.

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