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Pakt gegen Gewalt
Das Bottoper Modell macht Schule

Gewalt im Amateurfußball: Bottrop greift radikal durch
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Schlägereien, Angriffe auf Schiedsricher, Brutalität auf Bolzplätzen. Irgendwann waren die Schiedsrichter es leid. Die Beleidigungen, die Spruchkammersitzungen.

„Wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt Lutz Radetzki, der der Sparte Fußball beim Bottroper Sportbund vorsitzt. Es war ein schöner Fußballsonntag auf dem Sportplatz in Bottrop, bis Zuschauer das Feld stürmten – am Ende prügelten sich Erwachsene in der Kreisliga C beim wirklich aufregenden Zwischenstand von 0:0. Und es war ein späterer schöner Fußballsonntag, bis ein 37-jähriger Linienrichter von einem Kopfstoß getroffen wurde – Ohnmacht, Krankenhaus, Nasenbein dreifach gebrochen. Und dann kam noch das Halbfinale der Hallenmeisterschaft, wo der Schiedsrichter gejagt wurde, bis er, so erinnern sich Augenzeugen, in die Cafeteria fliehen konnte.

Rassistische Entgleisungen

Irgendwann waren sie es leid. Irgendwann hatten sie es satt. Die Angriffe, die Beleidigungen, die ständigen Spruchkammersitzungen. „Wir wollten ein Zeichen setzen“, sagt Lutz Radetzki (44), der der Sparte Fußball beim Bottroper Sportbund vorsitzt. Seit gut einem Jahr gilt im Bottroper Fußball der „Pakt gegen Gewalt“. Sein Kern: Spieler oder Mitglieder, die wegen Gewalt aus ihrem Verein ausgeschlossen werden, finden für mindestens zwei Jahre keinen neuen Verein in der Stadt. Seitdem hat es keinen extremen Fall mehr gegeben. Und Bottrop macht Schule.

Pakt gegen Gewalt Wer brutal spielt, spielt nirgendwo Wer aus dem Verein verstoßen wird, weil er den Schiedsrichter tätlich angegriffen hat oder andere Sportler vorsätzlich verletzt, soll in Bottrop für mindestens zwei Jahre keinen anderen Verein finden. Das ist der Kern des lokalen „Pakts gegen Gewalt“, der sich gerade auszudehnen beginnt.

Es ist einer der jüngsten Versuche, der wachsenden Gewalt in den unteren Ligen zu begegnen. Auch wenn die stets aufregungsfreudigen Medien vieles zusammenschmeißen, was gar nicht zusammengehört: kriminelle Tätlichkeiten, überehrgeizige Fußballeltern, rassistische Entgleisungen, normales Jungengerangel, echte Beleidigungen. Doch wie viele Sätze fallen nach einem Fußballspiel, die man zehn Minuten später, nicht mehr ganz so erhitzt, niemals mehr sagen würde?

Aber wenn man diesen Haufen zu sortieren versucht, bleibt eines: Zahlen gibt es kaum zu diesem Thema. Aber die, die nah dran sind, Trainer, Obmänner, Sportjournalisten, die sind sich fast alle einig, dass es schlimmer wird mit der Gewalt. Es sind Männer wie Klaus-Jürgen Wiener, Vorsitzender der Kreisjugendspruchkammer Gelsenkirchen /Gladbeck / Kirchhellen seit Jahrzehnten: „Als ich anfing, hatten wir im Jahr zehn, zwölf Fälle“, sagt er: „Das hat sich gesteigert auf fünfzig bis sechzig. Kollegen in anderen Städten machen die gleiche Erfahrung.“ Obszöne Schimpfworte, Angriffe auf den Schiedsrichter – und nächste Woche hat er einen Fall, wo ein Fußballer seinem Gegenspieler ins Gesicht getreten haben soll.

Gesellschaftliche Probleme werden auf dem Platz ausgetragen

Oft hat es die Jugendspruchkammer mit jungen Ausländern zu tun, „die haben ein ganz anderes Temperament“, sagt Wiener vorsichtig, „aber wenn wir die nicht hätten, hätten wir auch viele Jugendabteilungen nicht mehr.“ Ausländer als Opfer kommen auch vor, insbesondere wenn sie schwarz sind, so wie zuletzt im spektakulären Fall des Hamborner Torhüters Ikenna Onukogu . Der Mann aus Nigeria war, wie er erzählt, bei einem Spiel in Bottrop von Zuschauern in seinem Rücken massiv beleidigt worden; als sie dann eine Plastikflasche nach ihm warfen, warf er seine Trinkflasche auf sie und ging auf die Zuschauer los. Die Folge: Spielabbruch und Sperre. Rassismus

Gefunden auf …

Es sind, ganz einfach, die gesellschaftlichen Probleme, die auch auf dem Ascheplatz ausgetragen werden. Gewaltbereitschaft, Ausländerfeindlichkeit, die sinkende Hemmschwelle: Im Norden mit mehr sozial schwachen Stadtteilen wird man sie eher finden. Thomas Send zum Beispiel, seit 25 Jahren Jugendtrainer bei Rot-Weiss Stiepel aus dem Bochumer Süden, sagt: „Der absolute Normalfall ist, dass nichts passiert.“

Auch Gewitter und Schiedsrichter-Verletzungen sorgen für Abbrüche

Ein bis zwei Abbrüche pro Spieltag allein im Fußballkreis Duisburg klingen erst einmal spektakulär – aber schon weniger spektakulär, wenn man weiß, dass ein Spieltag in Duisburg aus 250 bis 300 Spielen besteht. Wo Spielabbruch draufsteht, muss auch nicht unbedingt eine Tätlichkeit drin sein. Eine Zerrung erwischt den Schiedsrichter, ein Gewitter zieht auf – auch das verursacht Spielabbrüche. Und was es auch schon gab: den Platzwart, der unabsichtlich das Licht ausmacht.

Aber ruppiger geworden ist es jedenfalls. Patrick Krauss, ein junger Schiedsrichter, beschreibt im Fachblatt „Schiedsrichter-aktuell“ eine Atmosphäre aus „respektlosem Umgang, Beleidigungen, Drohungen, unsachlicher Kritik... Die Leute sagen Dinge, die weit unter die Gürtellinie gehen.“ Das Pfeifen, das ihm jahrelang sehr viel Spaß machte, hat er nun drangegeben. Und er erinnert sich an vieles Schöne, wie das regelmäßige Fußballturnier in Warburg, wo nur Schiedsrichter gegeneinander kicken: „Zweiundzwanzig Leute, die alle älter waren als ich, und alle haben mir gehorcht.“

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