Auf das 1:1 (0:0) im WM-Härtetest beim runderneuerten Europameister Italien lässt sich aufbauen - allerdings hat die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick zum Auftakt der Nations League und knapp sechs Monate vor der WM-Endrunde in Katar noch Luft nach oben.
In Italien, das nach verpasster Qualifikation in der Wüste nicht dabei ist, passte die Leistung in erster Linie am Anfang und am Ende. Der Münchner Kimmich (73.) glich den Rückstand durch Lorenzo Pellegrini (70.) aus - und mäkelte anschließend: „Für uns ist es zu wenig, wir wollten gewinnen“, sagte der 27-Jährige bei RTL. „Wir wissen, dass Italien im Umbruch ist und den einen oder anderen Spieler nicht dabei hatte. Wir haben es nicht geschafft, unser Spiel so auf den Platz zu bringen, wie wir uns das vorgestellt hatten.“
Deutschland verpasste den ersten Sieg in Italien seit 36 Jahren, zumindest Flick blieb auch in seinem zehnten Spiel als Verantwortlicher ungeschlagen (acht Siege). Bereits am 14. Juni sehen sich beide Mannschaften in Mönchengladbach wieder. Zuvor trifft die deutsche Auswahl am Dienstag in München auf den EM-Zweiten England (20.45 Uhr/ZDF), vier Tage später geht es in Budapest gegen den vermeintlich schwächsten Nations-League-Gruppengegner Ungarn.
„Ich erwarte, dass wir von Anfang an Zeichen setzen. Wir wollen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, aktiv sind, früh draufgehen“, sagte Flick vor dem 36. Vergleich der viermaligen Weltmeister am RTL-Mikrofon.
Bei der Wahl seiner Startformation sorgte der 57-Jährige für zwei Überraschungen: Als Rechtsverteidiger erhielt der Leipziger Benjamin Henrichs das Vertrauen, das etwas defensivere Pendant auf der linken Seite war Thilo Kehrer (PSG). Sie erhielten den Vorzug gegenüber dem Gladbacher Jonas Hofmann und David Raum von der TSG Hoffenheim.
Auch bei der Besetzung der Doppelsechs, die vom eingespielten Duo Kimmich/Leon Goretzka gebildet wurde, habe er sich „schwer getan“ mit seinem Trainerteam, erklärte Flick. Am Ende habe das Bauchgefühl den Ausschlag gegeben gegen „eine Mannschaft, die eine Unbekannte ist“. Italiens Nationalcoach Roberto Mancini setzte auf Totalrotation: Allein EM-Torhüter Gianluigi Donnarumma blieb in der Startelf.
Bei Temperaturen von knapp 30 Grad im längst nicht ausverkauften Stadio Renato Dall'Ara suchte die mit sieben Bayern-Profis bestückte deutsche Elf zunächst erfolgreich das Pressing. Für die erste Torchance bedurfte es allerdings einer Einzelaktion. Serge Gnabry, dessen Zukunft beim FC Bayern unklar ist, tankte sich rechts durch und prüfte Donnarumma aus spitzem Winkel (15.).
Danach ließ der deutsche Schwung nach, technische Fehler schlichen sich ein, Italien kam immer besser ins Spiel. Schon nach rund 20 Minuten schüttelte Flick, der fast durchgehend an der Seitenlinie stand, den Kopf.
Viele seiner Spieler hatten zuletzt vor drei Wochen ein Spiel bestritten, dies wurde zunehmend sichtbar. Mittelstürmer Timo Werner hing in seinem 50. Länderspiel weitgehend in der Luft, Abschlüsse wurden vornehmlich aus der Distanz getätigt - und verfehlten oft das Ziel.
Die neu formierte Squadra Azzurra hingegen wurde immer griffiger. Beim Schuss von Mittelstürmer Gianluca Scamacca an den Außenpfosten war Nationalkeeper Manuel Neuer nicht mehr dran (35.). Der beste deutsche Angriff der ersten Hälfte in der 38. Minute verpuffte, weil Thomas Müller und Goretzka zu unentschlossen agierten und Gnabry im Nachschuss verzog.
Nach einer knappen Stunde machte der schwache Leroy Sane Platz für seinen Münchner Klubkollegen Jamal Musiala. Hofmann kam für Henrichs, der sich ebenso wenig empfehlen konnte wie Kehrer, über dessen Seite das 0:1 eingeleitet wurde (70).
Kimmich glich mit seinem vierten Tor im 65. Länderspiel aus, Joker Hofmann hatte eingeleitet. Der Ausgleich wurde zur Initialzündung, erneut Kimmich zwang Donnarumma zu einer starken Parade (79.).