Für die Borussia geht es ausgerechnet gegen den neunmaligen französischen Meister um Krisenbewältigung, Formationsfindung und eine Zukunft im Europapokal. Denn nach nur einem Punkt aus zwei Spielen steht die Borussia gegen Marseille (vier Zähler) bereits gehörig unter Druck. "Das ist eine sehr gute Mannschaft. Aber wenn wir die Möglichkeit haben wollen, die nächste Runde zu erreichen, müssen wir gewinnen", sagte Trainer Lucien Favre.
Der Schweizer nutzte die kurze Zeit nach dem bitteren 0:4 bei Werder Bremen zu Einzelgesprächen mit seinen sichtlich verunsicherten Spielern. Viel mehr ist aufgrund der englischen Wochen auch nicht möglich. Dabei wäre es bitter nötig, fehlende Automatismen einzustudieren, Abläufe abzustimmen oder endlich die Wunschformation zu finden. Denn die sucht der Schweizer bereits seit der Saisonvorbereitung. Und wirkt dabei bisweilen ratlos.
Verlorene Stabilität
Denn die Formation, die beim 2:0 gegen Eintracht Frankfurt der Defensive endlich die lange verlorene Stabilität verlieh, ging nur zwei Wochen später in Bremen kollektiv unter. Bezeichnend ist, dass sich ausgerechnet der bisherige Rückhalt, Torhüter Marc-Andre ter Stegen, in einer kleinen Krise befindet. Oder dass Favre die Qualitäten des Zwölf-Millionen-Mannes de Jong lobt, diese im Spiel bei nur einer einzigen Flanke aber gar nicht erst in Szene gesetzt werden.
Die Probleme in Mönchengladbach in dieser Saison sind allerdings vielschichtig. "Wenn wir nach vorne spielen, muss der Gedanke an die Defensive bereits wieder da sein. Und wenn wir abwehren, muss schon eine Idee für die nächste Offensivaktion da sein", sagte Favre. Das Umschalten von Abwehr auf Angriff, die fehlende Gedankenschnelligkeit bei der Ballannahme im Einklang mit einer desaströsen Defensivarbeit - Dinge, die Gladbach in der vergangenen Saison auszeichneten - sind offenbar im Gleichschritt mit dem Selbstvertrauen abhandengekommen. Es sei ein langer Prozess, dort wieder hinzukommen, sagte Favre.
Was die Gladbacher aber nun mal nicht haben während der englischen Wochen, ist Zeit. Erst recht nicht auf europäischem Top-Niveau, das der aktuelle Tabellenzweite der Ligue 1 mitbringen wird. Mit sieben Toren stellt Olympique gemeinsam mit Liverpool die beste Offensive in der Europa League. Auch wenn Marseille beim 0:1 beim Tabellenvorletzten Troyes stolperte und auf den verletzten Nationalstürmer Andre-Pierre Gignac verzichten muss.
Unter den Möglichkeiten Von einer Krise wie in Gladbach ist Marseille aber weit entfernt. Bei der Borussia ist nun nicht nur der Trainer, sondern auch der Psychologe Favre gefordert. "Natürlich spielt der Kopf auch eine Rolle. Das merkt man gerade bei den jungen Spielern, auch bei mir. Die Leistung ist im Moment nicht so, wie sie sein sollte", sagte Tony Jantschke. Patrick Herrmann gab zu, dass die Borussia unter ihren Möglichkeiten agiere. Wie er selbst auch. "Wir müssen Gas geben, kämpfen und jeden Zweikampf annehmen. Jeder muss für den anderen laufen. Aus dieser Situation kommt man nur mit harter Arbeit", sagte Herrmann.