Nach dem "Torklau" von Donezk ist der Ruf so laut wie nie zuvor, doch dass ihn die Mitglieder des International Football Association Boards (IFAB), also die Regelhüter des Fußballs, am 5. Juli in Zürich auch erhören, darf nicht als gesichert gelten.
Schon seit längerem gibt es Zweifel an der Kompetenz des als konservativ geltenden Gremiums, und deshalb soll Anfang Juli zugleich auch über dessen Zusammensetzung mitbefunden werden. "Methoden wie im Kaiserreich", wetterte Theo Zwanziger in der Bild-Zeitung, herrschten beim IFAB. Zwanziger, Mitglied der Exekutive des Fußball-Weltverbandes FIFA, warnte deshalb: "Das IFAB, das ich für reformbedürftig halte, hat sich bisher immer gegen technische Mittel ausgesprochen."
Zur Einführung der Torlinientechnik wird eine Dreiviertel-Mehrheit benötigt
Dem "Klub der alten Richter" gehören derzeit Jim Shaw (Nordirland), David Bernstein (England), Campbell Ogilvie (Schottland) und Philip Pritchard (Wales) an. Sie haben je eine Stimme. Neben den Vertretern der vier Fußball-Verbände des Vereinigten Königreichs darf FIFA-Präsident Joseph S. Blatter (76) entscheiden: Er vertritt die vier Stimmen des Weltverbandes. Zur Einführung der Torlinientechnik wird eine Dreiviertel-Mehrheit benötigt.
Blatter ist für die Einführung. Nach dem Spiel von Donezk sei "die Torlinientechnik keine Alternative mehr, sondern eine Notwendigkeit", sagte der Schweizer. Das nicht anerkannte Tor des Ukrainers Marko Devic gegen England bei der EM in Donezk hatte den jüngsten Wirbel ausgelöst. Der Torrichter hatte nicht angezeigt, dass der Ball komplett hinter der Torlinie war. Fernsehbilder ließen keinen Zweifel.
Zwei Systeme der Torlinientechnik werden getestet Um in Zukunft weitere Eklats zu vermeiden, ließ die FIFA zuletzt schon zwei Systeme der Torlinientechnik testen. Das "Hawk-Eye" sowie das Magnetfeld am Tor ("GoalRef"). Die Europäische Fußball-Union (UEFA) bevorzugt indes den Einsatz von zwei Torrichtern und testet seit 2009 diese zusätzlichen Unparteiischen.
Die sogenannte Hawk-Eye-Technik wird seit Jahren beim Tennis eingesetzt, außerdem beim Cricket. Das System arbeitet mit Kameras, die um das Spielfeld herum positioniert sind und die Spielsituation erfassen. Der Schiedsrichter wird etwa durch eine Vibration informiert. Allerdings würde die Meldung nur an den Schiedsrichter erfolgen und wäre im Unterschied zum Tennis nicht für das Publikum bestimmt.
Das System basiert auf einem Magnetfeld am Tor Der sogenannte "Chip im Ball" wird seit drei Jahren von Experten des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen entwickelt. Die Technik mit dem Namen GoalRef arbeitet ähnlich wie der Diebstahlschutz im Kaufhaus. Das System basiert auf einem Magnetfeld am Tor. Passiert der Ball, in den eine Sendeeinheit integriert wird, die Torlinie, wird dem Schiedsrichter ein Funksignal auf dessen Uhr übermittelt. Es wurde unter anderem bei Spielen der dänischen Superliga getestet.
Die Entscheidung des IFAB über die Technik ist nicht bindend für die einzelnen Verbände. Jedes Land kann selbst entscheiden, ob es die neuen Hilfsmöglichkeiten einsetzt. getestet werden soll das ausgewählte System bei der Klub-WM im Dezember in Japan, spätestens aber beim Konföderationen-Cup im Sommer 2013 in Brasilien. Blatter hofft, dass bei der WM 2014 in Brasilien die Technik dann erstmals Entscheidungen treffen kann.