Englands größtes Boulevardblatt The Sun zeigte auf der Seite eins am Donnerstag das Bild des "flüchtenden" Fabio Capello. Am Mittwochmorgen um 6.45 Uhr war der Italiener mit seiner Frau Laura von London in Richtung Heimat gestartet - nicht einmal einen Tag, nachdem er sein Amt als Nationaltrainer nach vier Jahren und zwei Monaten niedergelegt hatte. Im Sportteil des Blattes prangte bereits ein Riesenfoto des Favoriten auf die Nachfolge. In nicht weniger großen Lettern verkündete das Blatt: "Wir wollen Redknapp!"
Favoriten heißen Redknapp, Hodgson und Mourinho
Harry Redknapp, der noch beim Premier-League-Klub Tottenham Hotspur unter Vertrag stehende Teammanager, ist anscheinend die erste Wahl. Bei den englischen Buchmachern ist der 64-Jährige haushoher Favorit. Der Gewinn bei einem Einsatz wäre folglich ziemlich gering. Mit Abstand folgen Roy Hodgson, derzeit Trainer von West Bromwich Albion, und José Mourinho, einst Coach beim FC Chelsea und derzeit bei Real Madrid tätig.
Die Nationalspieler haben ihren klaren Favoriten bereits preisgegeben. "Schade, dass Capello geht. Er war ein guter Trainer und ein guter Mensch. Nehmt nun einen Engländer als Nachfolger - mein Favorit ist Harry Redknapp", twitterte ManU-Torjäger Wayne Rooney, und sein Teamkollege Rio Ferdinand ließ ebenfalls per Twitter wissen: "Wir brauchen einen englischen Trainer, der nichts übersetzen muss. Meine erste Wahl ist Harry Redknapp, und das mit großem Abstand."
Die Zukunft hat bereits begonnen
Am Tag nach der mehrstündigen Krisensitzung mit dem Exekutiv-Komitee des englischen Verbands (FA), in der Capello die Konsequenzen aus der Diskussion um die Absetzung von John Terry als Kapitän der Three Lions wegen unbewiesener Rassismus-Vorwürfe durch die FA zog, hatte im englischen Fußball offenbar schon die Zukunft begonnen.
Dennoch traten die Zeitungen am Donnerstag noch einmal gegen Capello nach. "Capellos Ära kann man beschreiben als Zeit voller Konfusion, Teilnahmslosigkeit, mangelnder Kommunikation und Mittelmäßigkeit", kommentierte der Daily Mirror. "Capello hat sich weder bemüht, die englische Sprache noch etwas über England zu lernen." Sein Gehalt von 7,2 Millionen Euro pro Jahr habe ihn interessiert - sonst nichts.
"Und Tschüss, den wären wir los!"
"Und Tschüss, den wären wir los!", titelte der Daily Mirror und erinnerte an die Rückschläge des Nationalteams in Capellos Amtszeit - in erster Linie an das blamable 1:4 gegen den Erzrivalen Deutschland im Achtelfinale der WM 2010 in Südafrika.
Selbst die problemlose Qualifikation für die EM im Sommer ohne Niederlage in acht Begegnungen (fünf Siege, drei Unentschieden) ließ die Kritik an dem eigenwilligen Italiener nie verstummen, obwohl er als Nachfolger von Steve McClaren einen Scherbenhaufen vorgefunden und bewältigt hatte.
Capellos Aufbauarbeit wurde erstmals empfindlich gestört durch die Schlagzeilen um die Absetzung von Terry als Kapitän nach einer Affäre mit der ehemaligen Freundin von dessen Chelsea-Teamkollege Wayne Bridge im Februar 2010. Im März 2011 erhielt Terry die Binde von Capello zurück, bevor ihm die FA diese nunmehr wieder entriss und Capello am Montag im italienischen Fernsehen seinem Unmut darüber Luft machte. Der Konflikt und auch der Abschied waren programmiert.
Die Rufe nach dem Wunschkandidaten werden lauter
Nun soll es Redkapp richten, der gerade vom Vorwurf der Steuerhinterziehung freigesprochen wurde. Das betraf jedoch dessen Amtszeit beim FC Portsmouth. Seit 2008 arbeitet Redknapp in Tottenham und führte die Spurs 2010 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte in die Champions League.
"Ich habe bisher noch keinen Gedanken daran verloren, das Nationalteam zu trainieren. Ich habe derzeit einen Job, mein Fokus liegt auf Tottenham", sagte Redknapp beim TV-Sender Sky Sport. Doch die Rufe nach dem Favoriten werden immer lauter.