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Über Primetime, PR und Potenziale
Das große Klagen im Frauenfußball

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Über Primetime, PR und Potenziale: Das große Klagen im Frauenfußball
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Der Frauenfußball holt in vielen europäischen Ländern mächtig auf. In Deutschland schafft man es einfach nicht, die Zuschauerzahlen signifikant zu erhöhen. Wolfsburgs Trainer warnt vor Folgen.

Fernsehübertragungen der Nationalmannschaft am Nachmittag statt zur Primetime, zu wenig mediale Aufmerksamkeit und damit Zuschauer in der Bundesliga: Im Frauenfußball ist das Klagen darüber groß. Allerorten wird das riesige Potenzial im Volkssport Nummer eins - jenseits der Männer - von den Protagonisten hervorgehoben. Doch so richtig vorwärts geht es nur in kleinen Schritten. Auch das WM-Qualifikationsspiel des Olympiasiegers von 2016 an diesem Freitag gegen die Türkei in Braunschweig wird um 16.00 Uhr (live im ZDF) angepfiffen - vor etwa 3000 Fans.

Mit Blick auf die nur mäßig besuchten Partien der deutschen Clubs in der Champions League und in der Liga zeigt sich Trainer Tommy Stroot vom VfL Wolfsburg alarmiert. „Das ist eine Riesen-Herausforderung“, sagte Stroot auch mit Blick auf die jüngsten Spiele seiner Mannschaft gegen Juventus Turin: Mehr als 12 000 Fans waren auswärts im Stadion, lediglich 1725 zuhause. „Das macht etwas mit den Spielerinnen oder auch mit potenziellen neuen Spielerinnen aus dem Ausland, die vor der Frage stehen: Wohin gehe ich?“, sagte der 32-Jährige. „Da sind nicht nur wir als Vereine, sondern der ganze DFB gefordert, um Marketingstrategien oder Eventfaktoren zu entwickeln.“

Allerdings werden die Champions-League-Spiele bei DAZN und Youtube gezeigt, die Begegnungen in der Liga neuerdings alle bei Magenta Sport. Über so etwas und die regelmäßigen Übertragungen der Länderspiele in ARD oder ZDF wären die Frauen im Handball oder Volleyball richtig glücklich.

Bei der ARD war Sportkoordinator Axel Balkausky kürzlich „schon ein bisschen überrascht“, als ausgerechnet die hauseigene Expertin Nia Künzer live vom Leder zog. „Wir können nicht immer nur darüber reden, dass sich der Frauenfußball weiterentwickeln muss (...). Da gehören ganz viele Akteure dazu, und da muss ich auch mal die ARD nennen: Nationalmannschaftsspiele gehören live übertragen - zu einer vernünftigen Uhrzeit“, sagte die Ex-Weltmeisterin beim 7:0-Sieg der DFB-Fußballerinnen gegen Israel Ende Oktober.

Die Kritik aus Nationalmannschaftskreisen geht auch dahin: Normale Arbeitnehmer können unter der Woche um diese Zeit kaum ins Stadion - wenn sie dafür nicht Urlaub nehmen. Zuletzt in Essen verloren sich 1814 Fans auf den Rängen. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat mehrfach ihren Unmut über die frühen Anstoßzeiten geäußert, einmal auch mit einem Stoßseufzer: „Als Bundeskanzlerin hätte ich vielleicht einen Einfluss auf diese Thematik.“

Beim Deutschen Fußball-Bund, der einen Vertrag bis 2023 für die Heimspiele der DFB-Auswahl bei ARD und ZDF hat, heißt es: Man arbeite daran, wenigstens zwei, drei Leuchtturmspiele im Jahr zur besten Sendezeit unterzubringen. Die Sportredaktion habe keine freie Auswahl bei der Suche nach einem Sendeplatz, sagte jedoch ARD-Sportchef Axel Balkausky der Deutschen Presse-Agentur. „Ansetzungen sind ein komplexes Thema, bei dem verschiedene Interessen berücksichtigt werden müssen. Wir kommen nicht zu jedem Zeitpunkt ins Programm.“ ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann erklärte: „Wir haben den Auftrag, die Vielfalt des Sports zu zeigen, nicht einzelne Sportarten zu fördern.“

Balkausky glaubt zudem, dass Länderspiele der Fußballerinnen in der Primetime nicht ausreichend Zuschauer finden würden: „Nur bei Großereignissen passt das.“ Die Zahlen dazu sind recht eindeutig: Bei der WM 2019 lockten die Partien der DFB-Frauen im Durchschnitt 6,215 Millionen Menschen vor den TV-Schirm und sorgten für einen Marktanteil von 35,6 Prozent. Beim Spiel gegen Israel verbuchte die ARD hingegen nur 1,136 Millionen Zuschauer (9,0 Prozent Marktanteil).

„In den letzten Jahren hat sich viel verändert. Der Frauenfußball ist viel professioneller geworden. Aber wir haben da noch sehr viel Luft nach oben, vor allem bei der Berichterstattung und der TV-Präsenz“, sagte Nationalspielerin Melanie Leupolz vom FC Chelsea. „Das ist ein Rad, das man anschubsen muss. Man muss viel investieren und es kommt erstmal wenig zurück. Aber es lohnt sich.“

Beim französischen Spitzenspiel Olympique Lyon - Paris Saint-Germain waren kürzlich mehr als 10 000 Fans, beim Bundesliga-Hit Bayern - Wolfsburg keine 2000. Dabei wäre diese Partie an einem Wochenende ohne Männer-Bundesliga bestens für eine Vision geeignet, die in der Szene kursiert: Als Highlight-Spiel in der Allianz Arena, die man mit den PR-Möglichkeiten eines FC Bayern bei langem Vorlauf füllt.

Spaniens Frauenfußball hat so etwas schon einmal umgesetzt - 2019 mit der Weltrekord-Kulisse von 60 739 Besuchern bei Atlético Madrid gegen den FC Barcelona. Und in Deutschland? Die Fans des SC Freiburg warben bei einem Bundesliga-Spiel der Männer dafür, doch am 1. November zum Pokalspiel der Freiburgerinnen gegen Wolfsburg zu kommen - immerhin 3100 Fans sorgten dann da für Stimmung.

Aber sonst? In der Liga führt Eintracht Frankfurt die Zuschauer-Tabelle mit durchschnittlich 1185 Fans an, der deutsche Meister aus München begrüßt auf dem Bayern-Campus selten mehr als 1000. „Wir hinken hinter Frankreich, Italien und Spanien her, sind da Schlusslicht“, sagte Wolfsburgs Sportchef Ralf Kellermann und warnte: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren.“

In der englischen Women Super League, laut britischem Verband die „beste Liga der Welt“, kommen derzeit gut 2000 Fans im Schnitt - mit einer PR-Offensive will man bis 2024 durchschnittlich 6000 Fans dabei haben. Die EM im nächsten Jahr könnte auf der Insel jenen Schub auslösen, den es in der Bundesliga trotz aller Titel der DFB-Frauen nie gab: Bei dem Endrundenturnier sollen die Stadien voll sein.

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