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Ortstermin: rewirpowerSTADION Bochum, 25. Mai 2008
Birol und die starken Männer

Ortstermin: rewirpowerSTADION Bochum, 25. Mai 2008
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Köfte statt Currywurst, Hymnen statt „Herbie“ – im rewirpowerSTADION ist an diesem Frühsommer-Abend nichts so, wie es sein sollte. Außer der Gulaschsuppe im Presseraum, die mit dem türkischen Hinweis „Kalbfleisch“ versehen ist. Birol interessiert das nicht weiter, als türkischer Oberfan genießt er schließlich die Vorzüge des großen Büffets im VIP-Raum. Und gut gestärkt muss der Mitt-60er auch sein:

Schon eine Stunde vor dem Anpfiff des Test-Kicks gegen Uruguay begrüßt er die Anhänger auf der Haupttribüne per Handschlag, lässt sich zu Fachsimpeleien hinreißen und genießt seinen Status in vollen Zügen. Während er beim Essen noch auffiel, unterscheidet ihn nun nur noch sein Megaphon vom Rest des Anhangs: Nationaltrikot mit dem eigenen Namen, die passende Mütze dazu – und immer wieder eine Fahne, die er sich kurzzeitig von seinen Mitstreitern ausleiht. „Stark, Männer“, lobt er immer wieder.

Vom Spiel wird er nicht viel mitbekommen, das ist ihm jetzt schon klar. Schließlich ist Birol ein alter Hase im Fan-Geschäft, begleitet die türkische Auswahl schon seit vielen Jahren. Und machte auch zwei Mal in Bochum Station: Vor der WM 2006 gab es ein 1:1 gegen Ghana, vor der WM 2002 ein 0:0 gegen Südkorea.

Die Serie der ungeschlagenen Spiele will der alte Herr gerne ausbauen, aber diesmal doch bitteschön mit einem Sieg. Schließlich tritt sein Team in Bestbesetzung an. Und das gegen eine Mannschaft, die in der Südamerika-Qualifikation vier Pünktchen nach ebenso vielen Partien auf dem Konto hat und trotzdem die Frechheit besitzt, den einzigen Star Diego Forlán zu schonen.

Doch darüber mag sich Birol nicht aufregen, denn mit dem Anpfiff beginnt seine große Show. Der Mann mit dem grau-schwarzen Schnäuzer läuft vor der Tribüne auf und ab, hüpft, springt und singt und animiert die Leute übers Megaphon zum Mitmachen. Die sind so auf ihren Star konzentriert, dass sie erst durch den Jubel aus der Ostkurve auf Arda Turans Führungstreffer aufmerksam werden. Was dann geschieht, kommt einer Eruption gleich: Frenetischer Jubel, der in einem roten Fahnenmeer mündet und den bekannten Tor-Jingle des VfL Bochum übertönt. Derweil fragen sich die wenigen neutralen Beobachter unter den 13.786 Zuschauern, wie die Begeisterung erst aussehen muss, wenn es um etwas geht.

Doch die Frage rückt angesichts der permanent rotierenden Video-Werbebanden in den Hintergrund. Die lenken im besten Fall einfach nur ab, im schlechtesten führen sie zu epileptischen Anfällen. Einen Anfall ganz anderer Art erlebt ein Anhänger, der sich nicht lange über ein tolles Souvenir freuen darf. Ein Spielball fliegt ins Publikum, nach kurzem Handgemenge hat man sich auf den Besitzer verständigt. Nur der Ordnungsdienst ist nicht einverstanden und holt sich das Leder unter gellenden Pfiffen des gesamten Blocks zurück.

Kaum ist der Ärger verflogen, netzt Luis Suarez per Foulelfmeter zum Ausgleich für die „Urus“ ein, die sich an diesem Abend eindeutig als Gäste fühlen müssen. Und während die deutschen Journalisten in der Halbzeit unbedarft in die Lammfleisch-Falle tappen, ist sich der Anhang über den aktuellen Gemüts-Zustand noch unschlüssig.

Letztlich entscheidet man sich für Enthusiasmus, angetrieben von Birol, der in der Pause sein Shirt gewechselt hat. Und von Nationaltrainer und –held Fatih Terim. Als der das Feld betritt, um das Leder zurückzuspielen, brandet frenetischer Jubel auf. Der geht in grenzenloses Glück über, als Nihat den folgenden Freistoß zum 2:1 versenkt.

Die Stimmung schlägt erst um, als die Gäste die Partie durch Treffer von Luis Suarez und Cristian Rodriguez noch drehen. „So ein blöder Fehler“, schimpft ein Fan nach dem entscheidenden Elfmeter-Gegentor. Birol macht unbeirrt weiter, nur dass er nicht mehr ganz so kraftvoll ins Megaphon brüllt.

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