Auswärts ist Fußball-Zweitligist MSV Duisburg seit fünf Pflichtspielen ungeschlagen. Diese Bilanz würde ausreichen, um in der Spitzengruppe mitzuspielen. Wenn da nicht diese Heimmisere wäre. Fünf Spiele, fünf Niederlagen. Heute unternehmen die Zebras den sechsten Versuch in dieser Saison, um zu Hause etwas zu holen. Am besten drei Punkte, ein Unentschieden würde im Abstiegskampf wenig helfen. Gegner ist ab 13 Uhr der Aufsteiger SC Paderborn 07.
Um die Lösung des Heimproblems anzugehen, könnte die Minimierung der Fehler der Schlüssel zum Erfolg sein. Hätte Andreas Wiegel im Wettkampf mit dem FC St.?Pauli kurz vor Schluss besser aufgepasst, hätte der MSV das Spiel wahrscheinlich nicht verloren. Aber Torsten Lieberknecht ist kein Trainer, der auf seine Mannschaft eindrischt, wenn sie Fehler macht.
Fehler schmerzen, aber sie sind auch erlaubt. Lieberknecht gab gestern beim Pressegespräch einen Einblick in seine Fußball-Philosophie: „Wenn die Spieler keine Fehler machen, zeigt das, dass sie keinen Mut haben“, so der 45-Jährige, der hinzufügt: „Ich will keine mutlosen Spieler haben.“
Auch beim Pokalspiel in Bielefeld wurde deutlich, dass der Trainer, der seine Mannschaft in der Kabine niederbügelt, im modernen Fußball ausgedient hat. Auf die Frage eines Journalisten, ob er seine Mannschaft angesichts des 0:3-Rückstandes in der Halbzeitpause in der Kabine angebrüllt habe, sagte Arminen-Coach Jeff Saibene: „Ich weiß nicht, wer eine Mannschaft, die so niedergeschlagen war, anbrüllt.“
Torsten Lieberknecht hätte am Mittwochabend allenfalls vor Freude brüllen können. Die Ligakrise war auf der Alm sehr weit weg. Der Trainer sucht nach der Balance, mit der misslichen Situation positiv umzugehen. Lässigkeit ist nicht angebracht, ein Kopfproblem darf die Situation aber auch nicht sein.
Oliveira Souza fraglich Torwart Daniel Mesenhöler machte gestern deutlich, dass auf dem Platz die Gedanken die Arbeit nicht blockieren dürfen. Natürlich war der Erfolg in Bielefeld gut für das Selbstvertrauen. Auch für ihn selbst. Mesenhöler, der kurz nach der Pause mit einer starken Parade von Fabian Klos die Hoffnungen der Gastgeber auf eine schnelle Wende im Spiel zunichte machte, sagte: „Ich werde von Spiel zu Spiel selbstbewusster.“ Weil auch ihm im Saisonverlauf nicht alles gelang, bekräftigte er, dass es noch viele Dinge gäbe, die er verbessern könne. Was die Abstimmung innerhalb des Defensivverbundes betrifft: Hier seien mittlerweile klare Absprachen getroffen worden, wer für was zuständig sei.
Der SC Paderborn 07 setzte sich im DFB-Pokal bereits am Dienstag bei Chemie Leipzig mit 3:0 durch, hatte also einen Tag mehr Zeit für die Regeneration. Beim MSV wird vor allem für Mittelfeldspieler Cauly Oliveira Souza die Erholungszeit knapp. Der Brasilianer schied zur Pause mit einem Pferdekuss aus. Ob er zur Verfügung steht, wird sich erst kurzfristig entscheiden.
Noch viel Potenzial bei Tashchy Ohnehin kündigte Torsten Lieberknecht für das Paderborn-Spiel Umstellungen an. Das lässt Raum für Spekulationen, die auch den Job für Gästetrainer Steffen Baumgart nicht einfacher machen. Mehr Personal in der Defensive, eine veränderte Staffelung im Mittelfeld, eine Spitze, zwei Spitzen? Vieles ist denkbar.
Vor allem die Besetzung der Offensive kommt derzeit zu einem kniffligen Ratespiel gleich. Lieberknecht machte gestern deutlich, dass Borys Tashchy, der in Bielefeld zunächst nur auf der Bank saß, weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Aber weniger als Sturmspitze, sondern vielmehr in der Mittelfeld-Zentrale. Dies war Lieberknechts spektakulärste Umstellung nach seinem Amtsantritt. Der Trainer sieht beim Ukrainer noch viel unausgeschöpftes Potenzial. „Ich will bei ihm noch etwas herauskitzeln“, sagte der Coach gestern.
Und im Zuge dessen darf auch Borys Tashchy Fehler machen, wenn er zeigt, dass er mutig ist.
Autor: Dirk Retzlaff