Hennes hatte keinen Bock zum Jubeln. Als Anthony Ujah nach seinem zweiten Tor wild jubelnd auf das Maskottchen zulief und mit ihm tanzen wollte, drehte sich der Geißbock missmutig weg. Doch Hennes ist derzeit der Einzige, den die Euphorie beim 1. FC Köln noch nicht gepackt hat. "Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass gleich die Schlüpfer und BHs fliegen", sagte Trainer Holger Stanislawski nach dem 3:0 (1:0) des Zweitligisten gegen den SC Paderborn über die "gigantische Stimmung. Ich habe kurz vor Schluss mal durch das Stadion geschaut und hatte eine Gänsehaut".
Der Trainer selbst ist mit seiner vorgelebten Energie vielleicht der Hauptgrund dafür, dass Schwermut und Pessimismus in Köln verflogen sind. Dabei war dem "brutal unnötigen Abstieg" (Frank Schaefer, sportlicher Leiter) auch noch ein eklatanter Fehlstart in der 2. Liga gefolgt. In der Tabelle seit dem 7. Spieltag ist der FC aber Zweiter hinter Hertha BSC, seit 13 Spielen ist er ungeschlagen und den 1. FC Kaiserslautern auf dem begehrten Relegationsplatz haben die Rheinländer mit dem Sieg gegen Paderborn vorübergehend eingeholt.
Stanislawski hatte schon in der Vorwoche geunkt, er sei "lieber der Jäger als das Wildschwein". Spätestens seit Samstag fühlen sich die Kölner, unabhängig vom Ausgang des Lauterer Spiels am Montag beim Zweiten Eintracht Braunschweig, psychologisch in der besseren Situation. "Ich denke, wir sind nun leicht im Vorteil", sagte der endlich einmal starke Adam Matuschyk, der den Sieg einleitete (29.). Und der wieder einmal starke Christian Clemens meinte: "Nun muss Lautern sehen, wie sie damit umgehen. Wir sitzen auf einer Welle, und wir wären dumm, wenn wir sie nicht nutzen würden."
Wie ungewöhnlich gut die Stimmung in Köln zwei Wochen nach Karneval ist, zeigte auch Clemens' Sprung auf den Zaun nach dem Spiel. "Ich war zum ersten Mal auf dem Zaun", sagte der gebürtige Kölner, der schon 58 Erstliga-Spiele für den FC bestritten hat: "Es war eben eine ganz besondere Situation."
Die gute Stimmung pflegen sie in Köln derzeit. Dabei tragen sie fast schon kindlichen Übermut zur Schau. Stanislawski gab dem FC-TV dieser Tage ein ironisches Interview, das bei den FC-Fans im Netz schon Kultstatus genießt. Diesmal durfte Spieler Sascha Bigalke für das Medium seine Mitspieler interviewen. Unter der Woche stand als Teambildungs-Maßnahme Badminton auf dem Programm. "Daher kommt sicher die Durchschlagskraft", sagte Stanislawski schmunzelnd.
Streicheleinheiten statt Maßregelung
Kritische Worte wollte er dann auch nicht nach der mäßigen ersten Halbzeit gegen starke Paderborner wählen. "In einer anderen Saisonphase wäre das eine Situation gewesen, in der man die Mannschaft in der Halbzeit ordentlich durchbeleidigt", sagte er in kernigem Norddeutsch: "Diesmal habe ich sie lieber gestreichelt und daran erinnert, dass sie Spaß haben sollen."
Dies gelang. Vor allem beim Nigerianer Ujah, der nach 539 Minuten Flaute plötzlich doppelt traf. "Ich habe Tony die ganze Woche bei jedem Tor geherzt. Er braucht Liebe und Zuneigung", sagte der Trainer: "Am Ende ist er schon vor mir abgehauen. Und hat mir als Kompromiss vorgeschlagen: Wenn ich am Samstag ein Tor mache, umarme ich Dich."
Dies machte Ujah nach dem 2:0 (64.) wahr, "aber er war zu schwer für mich", meinte Stanislawski. Also suchte sich Ujah nach dem 3:0 (83.) Hennes als Jubel-Opfer: "Ich wusste einfach nicht, wohin mit meiner Freude." Doch Hennes hatte keinen Bock.
Entwarnung bei Ujah, Pause für Hector
Voraussichtlich drei Wochen muss der FC im Aufstiegskampf auf Jonas Hector verzichten. Der 21-Jährige, der den bundesligaerfahrenen Christian Eichner als Linksverteidiger verdrängt hatte, erlitt beim 3:0-Sieg gegen den FC Paderborn einen Muskelfaserriss im linken, hinteren Oberschenkel.
Entwarnung konnte der FC dagegen bei Anthony Ujah geben. Dem Doppel-Torschütze war der Paderborner Jens Wemmer unabsichtlich auf die Hand getreten. Eine Stunde nach Spielschluss hatte Ujah ein Foto seiner geschwollenen Hand getwittert und sich ins Krankenhaus begeben. Dort wurden allerdings keine Brüche oder beschädigten Bänder festgestellt.