Es gibt so viele Torjäger, die in der Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund ihre Fußspuren hinterlassen haben; Manfred Burgsmüller nutzte seinen Instinkt, Karl-Heinz Riedle seinen Kopf. Robert Lewandowski saugte die Bälle an, Pierre-Emerick Aubameyang traf so häufig, dass er sich abseits des Platzes Undiszipliniertheiten erlauben durfte. Zuletzt wuchtete sich Erling Haaland ganz vorne an den Abwehrspielern vorbei.
Und nun?
Nun fällt auf, blickt man auf die Torjägerliste der Bundesliga, dass man länger suchen muss, bis dort der Name eines Profis von Borussia Dortmund auftaucht. Julian Brandt steht mit acht Toren auf Rang zehn, der fühlt sich allerdings im Mittelfeld wohl. Erst auf Rang 26 folgt ein Dortmunder Angreifer: Der derzeit verletzte Youssoufa Moukoko mit sechs Treffern. Anthony Modeste hat zwei Tore, Sebastien Haller eins.
Ein herausragender Angreifer, den es eigentlich braucht, um den Tabellenführer FC Bayern in der Liga zu gefährden, fehlt dem Vizemeister in dieser Spielzeit. Das hat ganz verschiedene Gründe.
Vor allem die tragische Hodenkrebserkrankung von Haller hatte die Planungen im Sturm im vergangenen Sommer umgeworfen. Trotzdem stellt sich vor dem Heimspiel am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gegen den 1. FC Köln, der letzten Begegnung vor dem großen Duell beim FC Bayern (1. April, 18.30 Uhr), die Frage, ob die Qualität in dieser Spielzeit ganz vorne ausreicht. Und was dies bei aller Sensibilität für das Schicksal von Haller für die Zukunft im schwarz-gelben Angriff bedeutet.
Vor knapp acht Monaten riss die Diagnose den 28-Jährigen aus seinem Leben, Operationen und eine Chemotherapie folgten. Ein halbes Jahr fehlte er. In dieser Rückrunde kann der gebürtige Franzose, der als Nationalspieler aufgrund seiner Wurzeln für die Elfenbeinküste aufläuft und für die kommende Länderspielphase nominiert wurde, wieder mithelfen.
Ein bemerkenswerter Weg.
Doch noch befindet sich Haller nicht (verständlicherweise) in der Verfassung, in der er sich vor seiner Erkrankung befunden hatte. Damals hätte er wohl selbst gegen ein Schwerlastkran einen Kopfballduell gewonnen. Nun fällt es ihm schwerer, Zweikämpfe zu gewinnen, sich Chancen zu erarbeiten.
Er bitte darum, nicht die Krankengeschichte von Sebastien Haller außer Acht zu lassen, sagt Trainer Edin Terzic. Er werde nicht vergessen, dass die Rückkehr des Angreifers für ihn die schönste Geschichte der Saison sei. „Natürlich würde er sich wünschen, dass er schon 20 Tore auf dem Konto hätte. Dies wünschen wir uns auch. Aber er ist einen unglaublichen Weg gegangen. Wir tun alles dafür, dass er bald wieder bei 100 Prozent ist.“
Trotzdem bringt die Verantwortlichen die Situation in eine verzwickte Lage. Menschlich wollen sie alles möglich machen, damit ihr Stürmer wieder zu alter Stärke findet. Sportlich müssen sie die Entwicklung beobachten und möglicherweise noch einmal reagieren, wenn sie die kommende Spielzeit planen.
Schon im vergangenen Sommer stellte sich nach dem ersten Schock die eigentlich unbarmherzige Frage, wer Haller während seines Genesungsprozesses ersetzen könne. Damals verpflichtete der BVB hastig Anthony Modeste vom 1. FC Köln, um einen ähnlichen Spielertypen wie Haller im Kader zu haben. Die Erwartungen waren groß, die Leistungen schwach. Bis heute sucht der 34-Jährige auf dem Platz nach einer Anbindung zu seinen Mitspielern. Sein Vertrag, der im Sommer endet, wird nicht verlängert werden.
Den BVB-Stürmern fehlen Flanken
Verpflichtet wurde Modeste, weil Edin Terzic eigentlich plant, das Dortmunder Angriffsspiel viel flankenlastiger zu gestalten. „Das bleibt weiter ein wichtiges Thema“, sagt der Trainer. „Da können wir uns verbessern.“ Es gehe um die richtige Strafraumbesetzung, das richtige Tempo, den richtigen Zeitpunkt. „Wir bauen das immer wieder ins Training ein, die Jungs sollen Sicherheit bekommen.“
Denn jeder Torjäger ist nun mal von den richtigen Zuspielen seiner Mitspieler abhängig. Anders hätten auch die erfolgreichen Angreifer der Vergangenheit nicht ihre Fußspuren hinterlassen können.