Schon bei der Ankunft im Privatjet waren die Kameras auf dem Rollfeld des Leipziger Flughafens auf Timo Werner gerichtet. Und auch jeder weitere Schritt auf dem Weg zur Rückkehr des deutschen Nationalspielers zu RB Leipzig wurde seit Montagabend genauestens dokumentiert. Es wirkte wie eine perfekte Inszenierung - verbunden mit einer klaren Botschaft: Mit der Rückholaktion des 26-Jährigen vom FC Chelsea setzt Bundesligist RB Leipzig die Jagd nach weiteren Titeln ungebremst fort.
Gut 20 Millionen Euro Ablöse soll es die Sachsen kosten, dass der in Schwaben geborene Angreifer wieder für RB stürmt. Am Dienstag unterschrieb er einen Vertrag bis 2026. Damit ist er nach David Raum bereits der zweite Nationalspieler, der in diesem Sommer den Weg zur Mannschaft von Trainer Domenico Tedesco geht.
„Es war von 2016 bis 2020 eine tolle Zeit, in der wir als Liga-Neuling für Furore gesorgt haben. Es war für mich damals ein würdiger Abschied, als Rekordtorschütze zu gehen. Doch das ist auch ein Stück weit Vergangenheit und nun blicke ich nach vorn, denn RB Leipzig hat sich ebenso wie ich in den vergangenen zwei Jahren weiterentwickelt“, sagte Werner.
Die Fallhöhe für Werner ist in Leipzig hoch. Nachdem es in London für ihn am Ende nicht lief und er bei Trainer Thomas Tuchel über die Rolle des Reservisten nicht hinaus kam, steht Werner in der Leipziger Arena voll im Fokus - und soll natürlich wieder viele Tore schießen. Er will sich auch für die Weltmeisterschaft Ende des Jahres in Katar empfehlen, wollte deswegen weg von der Stamford Bridge.
RB spielt längst nicht mehr den Fußball von 2020
Doch es gibt ein Problem: RB spielt längst nicht mehr den Fußball wie noch bis zum Sommer 2020, als er den Verein nach vier Jahren verließ. 28 Treffer in 34 Spielen erzielte er alleine in jener letzten Saison vor dem Wechsel nach England, insgesamt 95 Tore im RB-Trikot sind eine Bestmarke für den von Red Bull finanzierten Club. Zum Vergleich: Für Chelsea schoss er in 89 Spielen 23 Tore.
„Ich hatte zwei großartige Jahre beim FC Chelsea, für die ich sehr dankbar bin und die gekrönt wurden mit dem Titel in der Champions League. Die Erfahrung, in einem anderen Land und einer anderen Liga zu spielen, hat mir für meinen Weg sehr geholfen“, sagte Werner über seine Zeit in London.
Werner wurde einst unter Leipzigs Ex-Trainer und Sportdirektor Ralf Rangnick groß. Sein Spiel lebt von der Schnelligkeit, er braucht Räume, um das perfekt auszunutzen. Spannend wird sein, wie er sich nun in den neuen Ballbesitz-Fußball von RB einfügt und im System Tedesco funktioniert. Womöglich ändert der Cheftrainer seine Spielweise aber auch leicht ab, das gelang Tedesco in der Vergangenheit bei seinen Mannschaften immer wieder erfolgreich.
Einsatz vielleicht schon am Samstag gegen Köln
Dass nun noch jemand aus der Startelf für Werner weichen muss und seinen Stammplatz verliert, könnte außerdem im Team durchaus zu Verstimmungen führen. Der Rückkehrer könnte schon am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Heimspiel gegen den 1. FC Köln zum Einsatz kommen. Die Fans sind heiß auf den verlorenen Sohn, in den sozialen Medien wurde die Verpflichtung von ihnen mehrheitlich gefeiert. Schon bei der Ankunft in Leipzig standen Fans für Autogramme und Selfies am Hotel.
RB hat nun durchaus ein Starensemble zur Verfügung. Damit wachsen auch die Ansprüche. Die Champions League-Teilnahme ist für Tedesco wieder ein unbedingtes Muss. Dabei wird der Coach vor allem auch als Psychologe Talent beweisen müssen. Aus dem Sammelsurium von Nationalspielern aus vielen Ländern können immer nur elf auflaufen. „Wenn du bei einem großen Verein mit vielen ambitionierten Spielern Trainer sein willst, dann gehört das dazu“, sagte Tedesco.
In dem Portugiesen André Silva und dem derzeit verletzten Dänen Yussuf Poulsen hat RB bereits starke Strafraum-Spieler zur Verfügung, sowie in Deutschlands Fußballer des Jahres Christopher Nkunku einen weiteren schnellen Profi. Im Norweger Alexander Sörloth gibt es in der Offensive eine weitere Alternative im RB-Aufgebot. Und ein weiterer Stürmer kommt ab Sommer 2023: Am Dienstag verpflichtete RB den slowenischen Nationalspieler Benjamin Šeško bis 2028.
Während es vor dem Tor ein Überangebot gibt, mangelt es an anderer Stelle. Der wochenlange Ausfall von Verteidiger Lukas Klostermann wegen einer Syndesmoseverletzung trifft RB hart, weil er nicht adäquat ersetzt werden kann. Wie der Club am Dienstag mitteilte, muss der Nationalspieler sogar am linken Knöchel operiert werden.