Felix Zwayer stellte sich. Die Sky-Moderatoren lästerten gerade darüber, dass sich der Schiedsrichter verkrieche - da kam er doch zum Interview. Ruhig und nachvollziehbar erläuterte der Berliner Referee nach 100 aufwühlenden Minuten seine Entscheidungen beim Bundesliga-Spitzenspiel. Mildernden Einfluss auf die Bewertung hatte dies jedoch nicht.
Eines war besonders pikant: Ausgerechnet sein Erzfeind Manuel Gräfe sollte für das ZDF im Sportstudio Zwayers Leistung beim 2:3 (1:2) von Borussia Dortmund gegen Bayern München einordnen. Es wurde eine Abstrafung. „Ich kann den Ärger absolut verstehen“, sagte Gräfe: „Die Entscheidungen sind zulasten vom BVB ausgefallen und damit leider spielentscheidend.“
In Zwayers Spielleitung habe generell „die Balance nicht gestimmt“, urteilte Gräfe: „Das gehört zu so einem Spitzenspiel dazu, dass ein Spitzenschiedsrichter das im Gespür hat und das auch richtig abarbeitet.“ BVB-Sportdirektor Michael Zorc nannte Zwayer im SID-Gespräch „überfordert“.
Dazu sollte die Vorgeschichte erwähnt werden. Noch im vergangenen Sommer hatte Gräfe, selbst aus Altersgründen aussortiert, dem Zeit-Magazin gesagt, es sei ein Witz, dass Zwayer Bundesligaspiele leite: „Wer einmal Geld angenommen und Hoyzers Manipulation ein halbes Jahr verschwiegen hat, sollte keinen Profifußball pfeifen.“
Hoyzer. Der schmerzhafte Triggerpunkt im deutschen Schiedsrichterwesen, der größte Skandal. Gräfe hat ihn 2005 mit aufgedeckt. Laut Akten hat auch Zwayer, Robert Hoyzers Assistent und später Kronzeuge, damals Geld eingesteckt, eine Spielmanipulation wurde ihm nicht nachgewiesen. Auch deshalb schoss die Kritik von BVB-Profi Jude Bellingham übers Ziel hinaus: „Man gibt einem Schiedsrichter, der schon mal Spiele verschoben hat, das größte Spiel in Deutschland. Was erwartest du?“
Immer wieder Ärger mit Zwayer. Lucien Favre, Friedhelm Funkel, RB Leipzig, der Hamburger SV, der FC Ingolstadt, Bayer Leverkusen, die Bayern selbst - die Liste der Wütenden in den vergangenen Jahren ist lang, der Berliner scheint Kontroversen magisch anzuziehen. Im DFB-Pokal-Finale 2018 gegen Eintracht Frankfurt (1:3) verweigerte er den Münchnern einen klaren Elfmeter, der wohl das späte 2:2 bedeutet hätte.
Nach einer umstrittenen Handspiel-Entscheidung sagte er: „Wenn man mit dieser Regel an sich nicht einverstanden ist, dann sind die Schiedsrichter eigentlich die ärmsten Schweine.“ Manchmal tragen sie dazu aber auch einiges bei.
Immerhin vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) kam Rückendeckung. Diskussionen seien angesichts von Zwayers großzügiger Linie „nachvollziehbar“, sagte Jochen Drees, Projektleiter für den Videobeweis: „Betrachtet man die Situation trotzdem losgelöst, ist die Bewertung eines strafbaren Handspiels und somit eines Strafstoßes korrekt.“