Als Alexander Nübel noch in Paderborns Nachwuchs kickte, wurde das Torwarttalent von seinem Mitspielern "Manuel" genannt. Weil er mit dem Ball am Fuß an Weltmeister Neuer erinnerte. Seit Sonntag wandelt der 22-Jährige auf den Spuren des viermaligen Welttorhüters, der vor gut zwölf Jahren ähnlich plötzlich zur Nummer eins bei Schalke 04 wurde.
Der überraschende Torwartwechsel vor dem 2:1-Rückrundenauftakt der Königsblauen gegen den VfL Wolfsburg, bei dem Trainer Domenico Tedesco Kapitän Ralf Fährmann auf die Bank verbannte, erinnert an Neuers Start im Herbst 2006. Am 5. November stand der 20-Jährige völlig unerwartet für Routinier Frank Rost zwischen den Pfosten - und überzeugte beim 2:2 gegen Bayern München. Mit 13 Spielen in Serie ohne Niederlage sprang Schalke an die Tabellenspitze, und Neuers Aufstieg zum weltbesten Torhüter begann.
Damals stellte Trainer Mirko Slomka allerdings den Schalker Jungen, der schon als Kind in der Nordkurve gestanden hatte, ins Tor. Diesmal rasierte Tedesco den Ur-Schalker Fährmann, der mit zweijähriger Unterbrechung seit 2003 bei den Gelsenkirchenern spielt. "Die letzten Tage und Nächte waren für mich nicht ganz einfach", gab Tedesco zu, der nach Benedikt Höwedes bereits den zweiten Schalker Kapitän und Publikumsliebling aus der Stammelf verbannte. Ob Fährmann genauso reagiert wie Höwedes, der zunächst zu Juventus Turin und dann zu Lokomotive Moskau flüchtete, bleibt abzuwarten.
Slomka fiel 2006 die Entscheidung deutlich leichter - weil andere sie für ihn trafen. Der damalige Kapitän Marcelo Bordon wollte Rost als internen Gegenspieler ausschalten und setzte die Klubführung unter Druck. "Da wurde massiv Politik gemacht", erinnert sich Rost bei Funke Sport, "ein Berater hatte damals zwölf Schalker Spieler unter Vertrag." Der damals 33-Jährige verabschiedete sich in der Winterpause zum Hamburger SV.
Jetzt fühlt Rost mit Fährmann. Er werde "so ein bisschen als Sündenbock hingestellt", meinte er. Für Tedesco sei das Risiko sehr groß: "Wenn diese Maßnahme nicht funktioniert, dann muss er den Kopf dafür hinhalten und seinen Hut nehmen."
Die ersten Eindrücke von Nübel als Schalker Nummer eins deuten aber nicht auf ein Scheitern hin. Gegen Wolfsburg glänzte der 22-Jährige mit starken Reflexen. Schon im Oktober und November, als er den verletzten Fährmann in sechs Spielen in Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal vertrat, hatte er mit erstaunlicher Ruhe und Souveränität überzeugt. Vor allem beim 0:0 im Hexenkessel von Galatasaray Istanbul. "Das war sehr geil", sagte Nübel.
Weil er danach wieder zurück auf die Ersatzbank musste, dachte er laut über einen Vereinswechsel im kommenden Sommer nach. Nur bei der U21-Nationalmannschaft Spielpraxis zu sammeln, sei ihm zu wenig. Mit den deutschen Junioren will Nübel im Juni in Italien Europameister werden - wie Neuer 2009 in Schweden. Und danach? "Er ist einer der besten deutschen Torhüter überhaupt", meint Paderborns Manager Markus Krösche: "Deshalb ist nach oben hin alles offen." sid