Die stimmungsvolle Bergmannsfolklore war durch die nächste unterirdische Schalker Vorstellung wie weggewischt, da gewährte Domenico Tedesco einen kleinen Einblick in sein Seelenleben. Er sei ein Mensch, der sich "immer viele Sorgen" mache, bekannte der für seine Akribie bekannte Coach der Königsblauen: "Wenn meine Frau Auto fährt und mit der Kleinen unterwegs ist, wenn sie allein Zuhause ist, wenn Schalke verliert." Um sich selbst aber, beteuerte der 33-Jährige, mache er sich "keine Sorgen. Ich bin mir ziemlich wurscht."
Tedesco, im Sommer noch gefeierter Vizemeister-Macher mit schier endlosem Kredit, musste sich nach dem 1:2 (1:2) gegen das nicht minder strauchelnde Bayer Leverkusen gellende Pfiffe von den Treuesten der Treuen aus der Schalker Nordkurve gefallen lassen. Die Mannschaft enttäuschte nicht nur spielerisch, sondern auch kämpferisch. Die Realität auf Schalke heißt Abstiegskampf.
Die nackten Zahlen sprechen in der Tat frappierend gegen den Trainer und seine Mannschaft, die bei allen Verletzungssorgen - gegen Leverkusen fehlten fünf Angreifer - immerhin in der Champions League und im DFB-Pokal überwintert. In der Bundesliga aber steht S04 mit nur 15 Punkten nach 16 Spieltagen als Tabellen-14. so schlecht da wie zuletzt vor 25 Jahren. Bei einer Niederlage beim VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr/Sky) droht gar das Überwintern auf dem Relegationsplatz.
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"Wir wissen um die Situation, die ist nicht erst seit gestern so", erklärte Tedesco, der nach einem rauschhaften Premierenjahr nun die Automatismen einer Krise managen muss: Steht ein Spiel Spitz auf Knopf, geht Schalke mittlerweile in der Regel als Verlierer vom Platz. Gegen Bayer setzte es die fünfte Niederlage im achten Heimspiel, nach Halbzeitrückstand holten die Gelsenkirchener in dieser Spielzeit lediglich ein Remis (sieben Niederlagen).
Die Selbstverständlichkeit ist dahin, die Mechanismen greifen nicht mehr. Schalke lud die Bayer-Elf förmlich zum Toreschießen ein. Nach dem 0:2-Rückstand durch Aleksander Dragovic (27.) und Lucas Alario (35.) übernahmen die Hausherren zwar die Spielkontrolle, es fehlte aber an Konzept und Kaltschnäuzigkeit. Mehr als der Anschlusstreffer durch den 20-jährigen US-Amerikaner Haji Wright (45.+1) gelang nicht mehr.
Heidel: "Das Thema Trainer stellt sich einfach nicht."
Zweifel an Tedesco, dessen Vertrag erst im Juli bis 2022 verlängert wurde, werden zumindest von oberster Stelle weiterhin nicht geäußert. "Ich tue mich total schwer damit, einen Trainer infrage zu stellen, den wir alle noch vor vier Monaten gefeiert haben", sagte Sportvorstand Christian Heidel: "Das Thema Trainer stellt sich einfach nicht." Vielmehr müsse sich die Mannschaft mit etwas Zählbarem in Stuttgart "irgendwie in die Pause retten."
Auch, um im neuen Jahr mit der Unterstützung der Fans und idealerweise einem kompletten Kader eine Aufholjagd zu starten. Denn die Pfiffe "tun natürlich einer Mannschaft nicht gut, die eh momentan dezimiert und verunsichert ist", attestierte Heidel.
Aufsichtsratschef Clemens Tönnies versprach beim emotionalen Abgesang auf den Steinkohlebergbau im Ruhrpott vor Spielbeginn noch, dass zumindest der Bergmannsklub Schalke "das Licht nie ausgehen lässt". Spätestens seit Mittwoch scheint das kein Selbstläufer zu werden. sid