Er konnte etwas mehr berichten als zum Beispiel seine Mannschaftskollegen, für die der belgische Meister RSC Anderlecht zumindest bis 24 Stunden vor dem Spiel eine doch eher unbekannte Größe zu sein schien. „Ich kenne sie nicht richtig“, sagte zum Beispiel Pierre-Emerick Aubameyang gut 24 Stunden vor dem Anpfiff in der Champions League. Sebastian Kehl hingegen hatte sich auf dem Flug Bilder vom ersten Königsklassenauftritt des RSC in dieser Saison angeschaut. Beim 1:1 gegen Galatasaray Istanbul vergaben die Belgier in den Schlussminuten erst das mögliche 2:0 und kassierten dann noch den Ausgleich. Kehl war beeindruckt. „Das ist eine spielstarke Mannschaft“, warnt Kehl vor der Partie.
Es ist eine Partie, in die Kehl mutmaßlich wieder eingreifen können wird. Zumindest wird der Routinier in der Startformation erwartet, nachdem er in den vergangenen zwei Wochen verletzt ausgefallen war. Im Spiel gegen den FC Arsenal, das beim 2:0 zu einer Dortmunder Gala geworden war, hatte er sich eine Sprunggelenks- und eine Adduktorenverletzung zugezogen. Seitdem pausierte er. Seitdem brachte es der von Verletzungen arg gebeutelte BVB auf ein Unentschieden in drei Bundesliga-Spielen. Wie ausgeprägt der kausale Zusammenhang zwischen der Zwangspause und der Ergebnis-Krise ist, ist schwer nachzuweisen. Aber klar ist, dass die Rückkehr Kehls Hoffnungen auf Besserung im schwarz-gelben Fußball-Land weckt. „Es geht mir deutlich besser“, sagt Kehl, der gestern Abend das Abschlusstraining mitmachte und mindestens eine Überlegung wert ist für Trainer Jürgen Klopp.
Hoffnungsträger Kehl – das klingt so erstaunlich wie es ist. Möglicherweise sogar für ihn selbst. 35 Jahre ist der Profi mittlerweile alt, diese wird seine letzte Saison sein. Aus diesem Grund hat er die Kapitänsbinde freiwillig abgetreten an Mats Hummels. Aber von Mitläufertum ist Kehl weit entfernt. Gegen Arsenal legte er an der Seite von Sven Bender eine überzeugende Leistung ab und schien im Vergleich mit seinen weiteren Kollegen aus der Fachabteilung defensive Stabilität in dieser frühen Phase der Saison der formstärkste zu sein. Die jüngsten Eindrücke vom Derby gegen den FC Schalke (1:2), in dem das eigentlich zur Gefahrenabwehr eingesetzte Mittelfeld-Duo Sven Bender und Matthias Ginter Züge der Überforderung offenbarte, untermauerten diesen Eindruck nachhaltig.
Die Verletzung hat Kehl ausgebremst. Aber wenn jemand gelernt hat, Verletzungen jeder Art abzuschütteln und sich wieder in die Mannschaft zu arbeiten, dann der Mann mit der Rückennummer 5. Es wird ihm wohl auch dieses Mal gelingen. Vielleicht schon heute Abend. „Das wird eine heiße Partie“, sagt er. Klingt wie gemacht für einen Alt-Internationalen wie Sebastian Kehl.