Natürlich mussten die Vergleiche kommen. Einer wie Marco Reus könnte das werden, orakelten die Experten unter den Fans und den Medienvertretern. Das Fußballgeschäft ist eben schnelllebig. Ein paar temporeiche Dribblings gepaart mit zwei, drei gefährlichen Torabschlüssen reichen aus, um einen bis vor wenigen Wochen nahezu unbekannten Nachwuchsspieler als Nachfolger für den besten Fußballer, den sie am Niederrhein in den letzten 35 Jahren geschehen haben, auszurufen. Auch, oder vielleicht speziell in Mönchengladbach, wo sie sich nach der berauschenden Saison 2011/2012 wieder nach attraktivem Kombinationsfußball sehnen.
Wie im Training
Der junge Mann, der am Sonntag ausgerechnet gegen Borussia Dortmund, just den Verein, bei dem der in Mönchengladbach so schmerzlich vermisste Reus inzwischen die Zuschauer verzückt, ein verheißungsvolles Startelfdebüt feierte, heißt Amin Younes, ist 19 Jahre jung und plötzlich im Rampenlicht der glitzernden Bundesliga-Welt. Gegen die im Vorfeld übermächtig erscheinenden Gäste in schwarz und gelb brachte Younes dem Spiel der „Fohlenelf“ phasenweise das zurück, was ihm in den letzten Wochen und Monaten mal frappierend, mal dank der Geniestreiche von Juan Arango gut kaschiert, gefehlt hatte: Kreativität und Leichtigkeit.
Dabei scherte es den gebürtigen Düsseldorf offenbar kein bisschen, dass die Gegner, die sich ihm in den Weg stellten, nicht weitgehend unbekannte Herren aus Bergisch Gladbach, Hüls oder Verl waren, sondern Mats Hummels, Neven Subotic oder Sebastian Kehl hießen. Die Anweisung, die Younes von Trainer Lucien Favre angesichts der gestandenen Kontrahenten mit auf den Weg bekommen hatte, hätte dabei nicht simpler sein können. „Ich sollte einfach ganz normal spielen. Wie im Training auch: Mir etwas zutrauen und keine Angst haben“, erklärte der 1,68 Meter große Offensivspieler, als er in seiner drei Nummern zu groß wirkenden Jacke vor die Journalisten trat.
"Es war okay"
Dass ihm nicht nur das glückte, sondern er darüber hinaus seinem Team mit seinem ersten Bundesligator auch noch einen Punkt sicherte, machte aus der schönen Geschichte das, was gemeinhin als „kleines Märchen“ bezeichnet wird. „Wahnsinn“, fand Younes seinen Arbeitstag. „Früher war ich hier Balljunge und jetzt schieße ich ein Tor.“ Bis er ein neuer Reus wird, ist es freilich noch ein weiter Weg, zumal das sicher nur bedingt sein Ziel sein wird. Natürlich wird er erfolgreich sein wollen, aber eben auf seine Art. Das hat Reus auch geschafft, der nach seinen ersten Einsätzen in Gladbach ständig mit Marko Marin verglichen wurde und schnell deutlich machte, dass er eben nicht Marin, sondern Reus ist. Und so ist auch Younes nicht Reus, sondern eben Younes.
Auf die Lobeshymnen, die ihn nach der Begegnung von allen Seiten erreichten, mochte der Kicker mit libanesischen Wurzeln ohnehin nicht weiter eingehen. Zum einen, weil er ziemlich bescheiden wirkt, zum anderen, weil sie ihm im Gladbacher Jugendinternat nicht nur fußballerisch geschult, sondern ihm auch das Rüstzeug für den richtigen Auftritt vor der Presse mitgegeben haben . „Es war okay“, blieben die einzigen drei Worte, die Younes über sich selbst verlor. Ansonsten stellte er lieber seine Kollegen („Es freut mich mehr für die Mannschaft.“) und seinen Trainer („Ich bin dem Trainer für das Vertrauen und die Wertschätzung sehr dankbar.“) in den Vordergrund.
Letzterer ist auch nicht gerade bekannt dafür, einen einzelnen Spieler hervorzuheben. Folglich waren es eher leise Töne, die Favre wählte, um die Leistung seines Schützlings zu beschreiben: „Er hat seine Qualitäten gezeigt, war sehr präsent in den Zweikämpfen und hat Eins-gegen-eins-Situationen provoziert“, analysierte der Schweizer, um dann mit der ihm eigenen Sprache ein abschließendes, französisch angehauchtes Fazit zu ziehen: „Es war ein bon début.“