Nur eine Woche nachdem Trainer Huub Stevens Timo Hildebrand zu Saisonbeginn bei Hannover 96 (2:2) das Vertrauen ausgesprochen hat, verletzte sich der Keeper im Training bei einer Flankenübung. Der 33-Jährige blieb an einem mit Luft gefüllten Dummy hängen und zog sich eine Kapselverletzung im rechten Knie zu. Am Samstag feierte er im Spiel der zweiten Mannschaft beim VfB Hüls sein Comeback und fiebert nun seinem ersten Derby in Dortmund entgegen.
Timo Hildebrand, wie geht es Ihnen? Es macht Spaß, endlich wieder auf dem Platz zu stehen und Teil der Mannschaft zu sein. Ich war stolz darauf, dass ich mich nach so einer schwierigen persönlichen Phase wieder hochgeackert habe und in Hannover gespielt habe. Der Weg, den ich dafür zurückgelegt habe, war ja kein kurzer. Als ich mich dann beim Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Augsburg ohne Einwirkung eines Gegenspielers verletzt habe, war ich im ersten Moment schon ein wenig deprimiert. Da fragt man sich schon, was man verbrochen hat.
Was haben sie in diesem Moment gedacht? Im ersten Moment habe ich gedacht, dass es vielleicht noch schlimmer ist und etwas am Kreuzband sein könnte. Als die Diagnose feststand, ging es mir relativ schnell wieder besser da es nicht so gravierend war wie befürchtet. Daraus habe ich dann wieder neue Kraft geschöpft. Im Grunde fängt die Saison für mich jetzt nochmal von vorne an. Ich betrachte meine Verletzung daher inzwischen eher als kleinen Zwischenstopp.
In der Zwischenzeit mussten sie mit ansehen, wie sich Lars Unnerstall beweisen konnte. Wie sehen Sie die Ausgangslage im Torwart-Dreikampf vor dem Derby beim BVB? Der Trainer hatte sich am Ende der Vorbereitung für mich entschieden, dafür hatte er seine Gründe. Ich hoffe natürlich, dass sich daran nichts geändert hat und ich ihn erneut überzeugen kann.
Lars Unnerstall hatte zwischenzeitlich bei den Fans einen schweren Stand. Teilweise wurde er sogar bei einer eigenen Führung ausgepfiffen. Fühlt man da als erfahrener Torwart mit dem jungen Kollegen mit? Ich habe mich schon gefragt, warum das sein musste. Es waren ja Situationen, in denen wir gut gespielt haben und wenige Torchancen zugelassen haben. Und wenn einige Fans dann pfeifen, weil Lars das Spiel langsam macht, dann ist das schon ungewöhnlich. Das waren Szenen, in denen wir das Spiel beruhigen mussten. Das hätte ich vielleicht ähnlich gemacht.
Dass die Pfiffe seinem Spiel nicht gut getan haben, konnte jeder sehen. Wie viel Prozent einer Leistung spielen sich bei einem Torhüter im Kopf ab? Klar bekommst du so etwas mit. Bei uns Torhütern ist die mentale Verfassung sehr wichtig. Daraus ziehen wir einen ganz großen Teil unserer Leistungsstärke. Wenn das angeknackst ist, ist das bestimmt kein Vorteil.
Hat Sie das gewundert, dass die Schalker Fans bisweilen so ungeduldig sind? In Stuttgart sagt man, nicht gemeckert, ist schon ein Lob. Das ist hier vielleicht ganz ähnlich. Auf Schalke herrscht wegen der leidenschaftlichen Fans immer ein ganz besonderer Druck. Unsere Anhänger sind immer mit ganzem Herzen dabei. Da ist es auch ein Stück weit normal, dass sie aus dieser Emotionalität heraus auch viel von uns Spielern fordern.
Für das nächste Spiel beim BVB gilt das in ganz besonderer Weise! In der letzten Saison habe ich bei unserem Heimspiel auf der Tribüne die besondere Atmosphäre schon mitbekommen. Die Stimmung ist einfach sensationell. Es ist eines der bedeutendsten Spiele in Deutschland. Eine größere Rivalität gibt es in der Bundesliga nicht. Das ist für jeden Spieler etwas ganz Besonderes, daran teilzunehmen und so etwas zu erleben.
Sie stammen aus Worms, haben lange für den VfB Stuttgart gespielt. Wie erleben Sie die immer gleichen emotionalen Vorwehen des Derbys aus der Sicht eines eher Außenstehenden? Du musst nicht aus dem Ruhrgebiet kommen, um das zu spüren. Man wird automatisch Teil davon, in dem man das miterlebt. Man merkt schon vorher, dass die Fans brutal heiß auf das Derby sind. In den Tagen vor dem Derby kommen immer viel mehr Leute als sonst zum Training. Alle fiebern dem Spiel entgegen. Man merkt an allen Ecken und Enden, dass dieses Spiel eine lange Geschichte hat und die Menschen elektrisiert.
Schalke hat in den vergangenen zwei Jahren gegen den BVB nicht mehr gewinnen können. Allerdings stehen sie in der aktuellen Tabelle vor dem Rivalen. Wie schätzen sie die Leistungsstärke beider Mannschaften ein? Was Dortmund in den letzten zwei Jahren geleistet hat, war kein Zufall. Aber es ist ein neues Spiel und wir werden versuchen, endlich mal wieder gegen den BVB zu gewinnen. Dortmund hatte vielleicht eine kleine Schwächephase, spielt aber auch in so einer Phase immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Das zeigt die Qualität der Mannschaft.
Hat Sie ihr langer Leidensweg verändert? Man lernt, dass ein Leben als Bundesligaprofi nicht selbstverständlich ist. Die Wertschätzung für unseren privilegierten Beruf und das Leben an sich bekommen einen ganz anderen Stellenwert. Ich habe einen anderen Blickwinkel auf die Gesellschaft bekommen, den ich vorher gar nicht so wahrgenommen habe. Wenn man in diesem Hamsterrad Bundeliga drin ist, bekommt man zum Teil leider vieles gar nicht mit, was um einen herum passiert. Die Zeit hat mich verändert. Ich bin daher froh, dass ich nochmal zu einem der größten Vereine Deutschlands wechseln durfte. Deswegen kann mich eine kleine Verletzung auch nicht mehr aus der Bahn werfen.
Aber auflaufen würden Sie am Samstag im Signal-Iduna-Park schon gerne, oder? Klar! Aber ob ich spiele, entscheidet der Trainer.
Und wenn Holger Gehrke bis dahin beim Training nochmal mit den Gummipuppen kommt? Dann schneide ich sie kaputt (lacht).