Kein rüdes Foul, kein strittiger Elfmeter, sondern überschwänglicher Jubel hat die Gemüter im deutschen Fußball erhitzt - der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eine erneute Schiedsrichter-Diskussion aber im Keim erstickt. Das DFB-Sportgericht bestätigte am Dienstag die Gelb-Rote Karte gegen Szabolcs Huszti von Bundesligist Hannover 96, nachdem die Niedersachsen gegen den "unzulässigen" Platzverweis durch Schiedsrichter Deniz Aytekin zunächst Widerspruch eingelegt hatten. 96-Profi Huszti bleibt somit für das kommende Spiel gesperrt.
"Im vorliegenden Fall ist ein Irrtum des Schiedsrichters nicht ersichtlich, vielmehr hat er regelkonform entschieden", heißt des in der DFB-Urteilsbegründung. Huszti hatte am vergangenen Samstag nach seinem umjubelten Tor zum 3:2 in der Nachspielzeit gegen Werder Bremen erst sein Trikot ausgezogen und war anschließend auf den Zaun des 96-Fanblocks gesprungen. Aytekin hatte beide Aktionen jeweils mit Gelb geahndet - und erregte damit die Gemüter der Klub-Verantwortlichen.
Die zuständige Kommission des DFB hatte sich zuvor bereits eindeutig hinter Aytekin gestellt. "Regeltechnisch hat Deniz Aytekin absolut richtig entschieden. Er hat keinen Ermessensspielraum", sagte Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner zum Sport-Informations-Dienst (SID): "Die Regel ist klar: Es waren zwei Vergehen, die beide mit Gelb bestraft werden."
"Es ist der Chronologie der Ereignisse geschuldet"
96-Sportdirektor Jörg Schmadtke hatte den Einspruch damit begründet, dass "zwei vermeintliche Vergehen gewissermaßen in einem Zug" zu ahnden, "unzulässig" sei. Dass die Vergehen "unmittelbar hintereinander ablaufen", sei kein Versäumnis des Schiedsrichters, sagte auch Wagner: "Es ist der Chronologie der Ereignisse geschuldet, dass beide Verwarnungen direkt hintereinander ausgesprochen wurden."
Bei dieser Wahrnehmung und den dafür geltenden Regelbestimmungen "kann der Schiedsrichter gar nicht anders handeln", sagte Lutz Michael Fröhlich, stellvertretender Vorsitzender der Schiedsrichter-Kommission: "Es ist deutlich zu sehen, dass der Spieler sein Trikot auszieht und der Spieler auf den Zaun klettert."
Der Schiedsrichter könne sich in seiner Spielleitung "nicht mit der grundsätzlichen Sinnfrage zu einer klaren Regelbestimmung auseinandersetzen", sagte Fröhlich: "Bei Ermessensspielräumen soll Gespür für das Spiel eingebracht werden. Doch den gab es hier nicht."
Klare Regelvorgabe, also kein Diskussionsspielraum
Schmadtke hatte betont, dass es Hannovers Anliegen sei, "für die Zukunft eine grundsätzliche Klärung herbeizuführen". Eine Änderung der Regel zwölf ("Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen") hätte in jedem Fall auf sich warten lassen, da die Regeln zum Torjubel offiziell vom Weltverband FIFA festgeschrieben sind.
"Es kann immer über Regeln und deren Auslegung diskutiert werden", sagte Fröhlich: "Aber man muss feststellen, dass hier eine klare Regelvorgabe existiert. Sonst könnte man anfangen, an jeder Stelle des Regelwerks einfach etwas zu ändern. Dann würde bald jeder Fußball nach seinen eigenen Regeln spielen." Auch Nationalmannschafts-Kapitän Philipp Lahm hatte wenig Verständnis für den Einspruch. "Die Spieler wissen Bescheid, dass es Gelb gibt, wenn sie das Trikot ausziehen und genauso, wenn sie auf den Zaun klettern", sagte Lahm: "Ob die Regel aber Sinn macht, ist eine andere Frage."
Punkt sieben der Regelung bestätige, dass wenn "ein Schiedsrichter im Begriff ist, einen Spieler zu verwarnen, und dieser Spieler, ehe die Verwarnung ausgesprochen ist, einen weiteren Verstoß begeht, der eine Verwarnung nach sich zieht, so muss der Spieler mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen werden", schrieb der DFB.
Unterstützung hatte Hannover ausgerechnet vom Ligakonkurrenten Hamburger SV bekommen. "Wenn ein Junge sich so freut, und zum Fußball gehören Emotionen dazu, dann ist es natürlich bitter, wenn er nach solch einem Tor in der letzten Minute so bestraft wird", sagte HSV-Trainer Thorsten Fink: "Meiner Meinung nach reicht da eine Gelbe Karte - und fertig."