Die Gladbacher Ikone Günter Netzer riet ihm ab, nach Ansicht von Franz Beckenbauer wäre er vielleicht "ein Star zuviel", für Borussias Trainerfuchs Hans Meyer käme ein Wechsel zu früh: Zahlreiche Fußball-Größen treten in der Diskussion um einen möglichen Wechsel von Nationalspieler Marco Reus zu Bayern München als Mahner auf. Doch der Eindruck verhärtet sich, dass ihre Rufe ungehört verhallen werden und Reus ab nächstem Sommer das Trikot des deutschen Rekordmeisters tragen wird.
Zu offensiv formulierte zuletzt Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge das Interesse am 22-Jährigen. Zu ausweichend reagierte dieser, zu auffällig lobte er die Bayern. Und vor allem: Zu gut waren seine Leistungen bei Borussia Mönchengladbach, wo er in den vergangenen Wochen auch noch seinen letzten Makel ablegte.
Denn nachdem der Offensivspieler zu Saisonbeginn noch zahlreiche "Fahrkarten" gelöst hatte, traf er zuletzt sieben Mal in drei Spielen und stellte einen Rekord auf: Nie zuvor in der ruhmreichen Gladbacher Vereinsgeschichte hatte ein Spieler in drei aufeinanderfolgenden Spielen je mindestens zwei Tore geschossen. Das hatte nicht einmal Jupp Heynckes geschafft. Deutlicher kann man seinen möglicherweise neuen Trainer nicht überzeugen.
"Er ist eines der interessanten Talente"
Klar ist nach diesen Wochen, in denen die zahlreichen Gerüchte und Diskussionen den Jungstar in keinster Weise beeinflussten, dass die Bayern Reus unbedingt wollen. Die 17 Millionen Euro Ablöse, die angeblich nach dieser Saison für einen Wechsel festgeschrieben sind, schrecken sie nicht. Und Zweifel an den Qualitäten des Turbo-Dribblers haben sie auch keine mehr. "Er ist eines der interessanten Talente. Er könnte uns auf Dauer noch mehr Qualität geben. Die Qualität, die wir suchen", hatte Rummenigge gesagt.
Und wer die Bayern kennt, weiß: So offensiv reden sie nur, wenn sie sicher sind, sich keine Abfuhr einzuholen. Wen die Bayern wirklich wollen, den kriegen sie auch, hatte Präsident Uli Hoeneß schließlich stets betont. Außerdem hat Rummenigge sich in den letzten Jahren mit seinen Wünschen nach Verpflichtungen stets durchgesetzt. Sei es im negativen Fall wie bei Jürgen Klinsmann anstelle von Jürgen Klopp als Trainer, oder im positiven wie bei der von Ex-Trainer Louis van Gaal abgelehnten Verpflichtung von Nationaltorhüter Manuel Neuer.
Er sei in Gladbach "besser aufgehoben"
Netzer hatte Reus zuletzt von einem Wechsel zu den Bayern abgeraten. Er sei in Gladbach "besser aufgehoben", weil er sich noch weiterentwickeln könne, hatte der Weltmeister von 1974 gesagt. Doch zum einen hatte da wohl auch sein Borussia-Herz gesprochen, zum anderen ist dies schon wieder zwei Spiele und fünf Tore her.
Gladbachs Ex-Coach Hans Meyer, inzwischen Präsidiumsmitglied bei der Borussia, erklärte fast schon flehentlich, man möge Reus "zwei, drei Jahre, bevor er bei einem großen Klub auftaucht, nicht verrückt machen." Und Bayerns Ehrenpräsident Beckenbauer sieht angesichts des Überangebots an Offensivspielern "schon ein Problem. Reus könnte ein Star zuviel sein." Doch der Kaiser, so geschätzt seine Meinung auch ist, entscheidet nicht mehr bei den Bayern.
Ganz im Gegenteil zu Rummenigge, der allen Skeptikern entgegnet: "Zu früh gibt es nicht! Es gibt nur ein Kriterium, das heißt Qualität." Diese besitze Reus, der seine Karriere laut Rummenigge mit einem Wechsel nach München "in die richtige Richtung" lenken - und von der starken Konkurrenz sogar profitieren könnte: "In Mönchengladbach ist Reus der einzige deutsche Nationalspieler, bei uns wäre er der neunte oder zehnte. Da tut er sich leichter."
Die zahlreichen Bewerber aus dem Ausland können sich ihr Werben wohl sparen. Reus, dem Spötter nach fünf verletzungsbedingten Absagen bei sieben Einladungen schon eine "Nationalmannschafts-Allergie" attestierten, wird wohl zu einem geringen Prozentsatz bleiben und zu einem hohen zu den Bayern wechseln. Er erklärt nur: "Das Bayern-Interesse ehrt mich. Bayern ist der beste deutsche Klub. Aber ich fühle mich bei der Borussia sehr wohl. Mehr sage ich dazu nicht."
Muss er auch nicht. Die Signale zwischen den Zeilen sind deutlich genug.