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Was macht eigentlich...?
Der Bökelberg - ein trostloses Hundeklo?

Was macht eigentlich: ... der Bökelberg?
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2004 spielte Gladbach zuletzt auf dem Bökelberg. Ein Stadion, das alles erlebt hat. Doch was ist aus ihm geworden? Auf Spurensuche an einer Fußball-Kultstätte.

Irgendwie habe ich den Pfiff noch in Ohren. Wahrscheinlich deshalb, weil man das Gefühl hatte, dass 34.500 Zuschauer einen Moment lang ganz ruhig waren. Am 22. Mai 2004 beendete Herbert Fandel das letzte Pflichtspiel der Mönchengladbacher Profis an dem Ort, der 85 Jahre lang die Heimat der „Elf vom Niederrhein“ war. Meisterschaften, Pokalsiege, Auf- und Abstiege, atemberaubende Siege und bittere Niederlagen – der Bökelberg hat alles erlebt. Doch was ist aus ihm geworden? Auf Spurensuche an einer Kultstätte des deutschen Fußballs.

Grundstücke erweisen sich als Ladenhüter

Der Bökelberg früher: Steile Ränge, enges Spielfeld (Foto: firo).

Das Gefühl beim Anstieg auf den „Gipfel“ des 61 Meter hohen Bökelbergs im Mönchengladbacher Stadtteil Eicken ist schon ein bisschen komisch. Immerhin sind sechs Jahre vergangen, seit ich bei besagter Partie gegen den TSV 1860 München hier war. Abgesehen davon, dass ich alleine unterwegs bin, ist eigentlich alles wie immer. Man marschiert vorbei an gepflegten Vorgärten, teuren Autos und den dazugehörigen schicken Villen, deren Einwohner an Heimspieltagen oft die Rollläden unten ließen und über die grölenden Fußball-Fans schimpften. Trotzdem steigt die Spannung auf das, was mich an diesem tristen, weil vom anhaltenden Nieselregen grauen Tag erwartet, merklich an. Aber in erster Linie freue ich mich darauf, zu erfahren, was noch an das 1919 eröffnete Rund erinnert, das damals noch „Westdeutsches Stadion“ hieß.

Die Ernüchterung lässt nicht lange auf sich warten. Dort, wo früher die Ostgerade – auf der ich mein erstes Spiel verfolgte - mit ihren alten Kassenhäuschen und die Geschäftsstelle der Borussia war, ist jetzt eine große, mit Gras bewachsene Fläche, durch die in einem weiten Bogen eine neue Straße führt. 33 Grundstücke bietet die Entwicklungsgesellschaft der Stadt Mönchengladbach dort seit dem Abriss des Stadions im Jahr 2006 an. Gebaut ist noch kein einziges Haus. Die Doppelhaushälften, die direkt an der Bökelstraße liegen, sind immerhin schon verkauft oder reserviert, so dass bald die Bagger anrollen werden. Die exklusiveren Grundstücke für Einfamilienhäuser erweisen sich dagegen als Ladenhüter. Das größte misst 1.220 m² und kostet über 220.000 Euro. Dafür hat man seinen Garten in der ehemaligen Nordkurve, wo die treusten Fohlen-Fans jubelten und weinten.

Wie im alten Kinderzimmer

Immerhin wurde nicht alles dem Erdboden gleich gemacht. Die Hälfte der Nordkurve, die gesamte Haupttribüne und ein Großteil der Südkurve sind als Rasenhänge erhalten geblieben. Das ist auch aus bautechnischen Gründen nötig, da das Gelände einen Höhenunterschied von etwas zehn Metern aufweist. Sogar einige Treppen und Wellenbrecher haben die Abrissbirne überlebt. Die haben ihren Charm allerdings verloren. Keine Aufkleber und Kritzeleien, keine jahrzehnte-alten Flecken und Risse. Dafür Hochglanz, der von Unkraut umwachsen ist. Beim Gang über die matschigen Ränge ist es so, als würde man nach Jahren wieder in sein altes Kinderzimmer kommen. Es ist zwar nicht mehr so wie es früher einmal war, aber trotzdem führt schon die Anwesenheit dazu, dass einem unzählige, ganz persönliche Erinnerungen durch den Kopf jagen.

Der Bökelberg heute: Die aufgestellten Wellenbrecher ziert Unkraut (Foto: RS).

Während ich auf der Nordkurve stehe, sehe ich vor meinem inneren Auge den DFB-Pokal-Viertelfinal-Sieg der Borussia gegen den MSV Duisburg. Die vielleicht mitreißendste Partie, die ich live miterlebt habe. Ein wahnsinnig intensives Spiel, in dem die Zebras kurz vor Schluss durch ein Eigentor in Führung gehen. Als schon keiner mehr damit rechnet, rettet ausgerechnet Tomislav Maric, der wahrlich keine Glanzleistungen im Gladbacher Trikot vollbrachte, den VfL in die Verlängerung. Es kommt zum Elfmeterschießen und ich stehe mittig hinter dem Tor, kann mit Jörg Stiel fast gemeinsam nach den Bällen hechten. Gladbach gewinnt, weil Bugera und Hirsch scheitern.

Der Bökelberg ein Hundeklo?

Ein Pfiff, dieses Mal nicht der imaginäre vom Mai 2004, reißt mich aus meinen Gedanken. Ich sehe, wie ein Spitz mit einem Stock im Maul zu seinem Besitzer rennt, der den Stock nimmt und auf ein Neues wirft. Es hat aufgehört zu regnen und das ist anscheinend ein Zeichen für sämtliche Hundebesitzer im Umkreis, um mit ihren vierbeinigen Freunden die Rasenflächen zwischen Schürenweg und Bökelstraße aufzusuchen. Soll es das sein? Mein geliebter Bökelberg, der meiner Meinung nach ein Denkmal sein sollte, ein Hundeklo?

Ich setze meinen Stadionrundgang fort und spaziere über die ehemalige Haupttribüne, dem einzigen Bereich, auf dem es Sitzplätze gab und der überdacht war. Sie hat sich am längsten gegen ihr Schicksal zur Wehr gesetzt. Am 7. März 2006 sollte die 8.700 Zuschauer fassende Konstruktion als letzter Bereich gesprengt werden. Doch der Bökelberg bewies ein letztes Mal das, was viele Gegner leidvoll hatten erfahren müssen: Den Bökelberg nimmt man nicht ohne Weiteres ein. Die Tribüne musste sich der Detonation zwar beugen, das Dach geriet allerdings nur mächtig ins Schwanken und blieb schlussendlich stehen. Erst als Bagger nachhalfen, sackte der letzte Rest der Spielstätte in sich zusammen.

"Schaulustige kommen nur selten"

Vorne Erinnerungen, hinten schicke Villa (Foto: RS).

Inzwischen erinnert die Szenerie an einen x-beliebigen Park. Sieben Hunde tummeln sich nun mit ihren Herrchen auf dem weitläufigen Gelände. Bin ich wirklich der einzige, der aus Nostalgie und Verbundenheit hier ist?

„Hier sind nur wir und unsere Hunden“, erzählt ein Mann, der sich mit Käppi und Windjacke gegen das weiterhin ungemütliche Wetter gerüstet hat. „Schaulustige kommen nur noch selten, früher waren es mehr.“ Seinem Dalmatiner ist das egal. Er schnüffelt an Grasbüscheln und Unkraut. Auf dem Boden sieht man hier und da Scherben und Süßigkeiten-Papiere. Ein paar Schritte weiter liegt ein altes LIDL-Prospekt. Es ist trostlos, aber ich will mir meine Zeitreise nicht kaputt machen lassen, verabschiede mich und gehe zu der Stelle, von der ich die letzte Partie verfolgt habe, der Stelle, an der ich den bis heute unvergessenen Pfiff gehört habe und schon gesellen sich auch die Bilder dazu.

Da ich zu diesem Zeitpunkt keine Dauerkarte hatte und befürchtete, ich könnte beim regulären Verkauf leer ausgehen, baute ich vor. Ich besorgte mir schon Monate vorher Tickets über 1860 München und verfolgte die Begegnung dementsprechend aus dem Gästeblock in der Südkurve. Ich war zwar anfangs traurig nicht noch einmal in der stimmungsvollen Nordkurve stehen zu können, weiß aber inzwischen, dass es in gewisser Weise ein Glückfall war, auf der „falschen Seite“ zu stehen. Für die Löwen ging es noch um den Klassenerhalt, obwohl die Chance nur minimal war. Die Gäste gingen nach 20 Minuten in Führung, aber Igor Demo und Arie van Lent drehten das Spiel noch vor der Pause. Nach dem Wechsel war lange die Luft raus und ich bereitete mich langsam auf den finalen Pfiff vor. Doch dann spannte Arie van Lent ein letztes Mal das Tornetz. In der 74. Minute köpfte er den Ball zum Endstand ein. In das Tor vor der Südkurve. Vor meiner Nase.

Der "Mythos Bökelberg" lebt weiter

Diese Frau trägt den Bökelberg symbolisch zu Grabe (Foto: firo).

Im Hier und Jetzt setzt vor meiner Nase wieder der Regen ein. Dieses Mal nieselt es nicht nur, es fängt an zu schütten. Die Hundebesitzer verziehen sich schnell wieder in Richtung ihrer Häuser und auch ich entscheide mich, meinen Besuch zu beenden.

Doch was bleibt? Das Erscheinungsbild des ehemaligen Bökelberg-Geländes ist auf den ersten Blick ziemlich trostlos, was nicht zuletzt daran liegt, dass zahlreiche Grundstücke noch unbebaut sind. Doch darum geht es gar nicht. Entscheidend für die Frage, was aus dem Bökelberg geworden ist, sind die Erinnerungen. Solange es Fans und Freunde der Borussia gibt, die den Bökelberg hautnah erleben durften, wird sein Geist nicht verschwinden. Solange die unzähligen Geschichten, die sich an diesem legendären Ort ereignet haben, weitererzählt werden, wird der „Mythos“ sogar nur noch größer werden. Und solange ich noch den Pfiff in meinem Ohr höre, wird auch meine persönliche Erinnerung bleiben.

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