Kein Wunder: Wurde ihm doch ein Fan-Plakat mit Heiligenschein, ein eigens komponiertes Lied, die Ehrenrunde im Lichtermeer vor 20.000 Zuschauern, ein Feuerwerk, die Auszeichnung als Ehrenspielführer und der Überraschungs-Auftritt der Puhdys gewidmet.
"Das ist, ich meine, ach, jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte", stammelte der 36-Jährige nach seinem Abschiedsspiel in Leverkusen mit brüchiger Stimme. Und bewegte mit seiner Rede kurz nach Mitternacht seinerseits die rund 500 Gäste im VIP-Bereich der BayArena.
Am Ende einer "richtig schönen Karriere" gedachte der 81-malige Fußball-Nationalspieler seinem vor 18 Jahren verstorbenen Vater ("Das war ein echter Schicksalsschlag") und dankte rührend seiner Lebensgefährtin: "Wie sie zu mir gehalten hat, vor allem, als es mir nicht gut ging, das war Wahnsinn." Die erwartungsvollen Blicke der Besucher, die nun wohl noch einen Heiratsantrag an Carina Zaumseil, seit 14 Jahren die Frau an seiner Seite und Mutter seiner Kinder Emely (8) und Giovanni (2), erwartet hatten, bemerkte er schnell: "Nein, nein, du musst keine Angst haben."
Es wäre vielleicht etwas zu viel der Emotionen gewesen an einem Abend, vor dem Bernd Schneider richtig mulmig war und der alle Erwartungen sogar noch übertraf. "Ich wollte dieses Spiel gar nicht, weil ich wusste, dass es sehr emotional wird", sagte Schneider: "Ich war auch richtig nervös. Mehr als vor dem WM-Endspiel oder dem Champions-League-Finale. Und dieser Abend war Gänsehaut pur." Vier Tore erzielte Schneider beim 6:5 seiner "Schnix All-Stars" gegen das aktuelle Bayer-Team, zwei auf jeder Seite. "Die alten Säcke haben nochmal gezaubert", äußerte Reiner Calmund, Ex-Manager von Bayer Leverkusen.
Die zahlreichen Würdigungen, Ehrungen und Gesten am Montagabend stürzten den bescheidenen und bodenständigen Thüringer, der laut Rheinischer Post "für den Fußball-Oscar als bester Nebendarsteller eine Abonnement" gehabt hätte, aber von einer Verlegenheit in die nächste. So war Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack für seinen "wahren Freund" am Tag nach der Meisterfeier mit dem FC Chelsea eigens nach Deutschland gereist.
Für Bundestrainer Joachim Löw war Schneider "sportlich und menschlich ein Vorbild", für dessen Vorgänger Jürgen Klinsmann "ein absoluter Ausnahmespieler seiner Generation" und für Klaus Toppmöller, Schneiders Ex-Trainer in Leverkusen, sogar "mein Lieblingsspieler aller Zeiten, eine der wenigen echten Granaten, die wir in Deutschland hatten".
Schneider, dem Vize-Weltmeister von 2002, besten Spieler des Finals, "weißen Brasilianer" und nun dritten Ehrenspielführer Bayers nach Carsten Ramelow und Ulf Kirsten, sind solche Lobhudeleien unangenehm.
"Ich war kein Held und kein Hüne. Ich war weder Mythos noch Legende. Und ich tu mich auch schwer mit der Bezeichnung Star. Ich war und bin ein Mensch. Ein Mensch, der einfach sehr gerne Fußball spielt", sagte er und lief prompt in den Konter von Calmund. "Widerspruch!", rief der: "Du bist eine Legende. Ein großer Star und ein Vorbild für die Jugend."
Außer in einer Hinsicht. "Unglaublich, er hat immer geraucht", sagte Ze Roberto, dem dennoch das Laufvermögen seines langjährigen Mitspielers imponierte. "Wenn man sich ansieht, was bei Oliver Neuville und dir immer auf dem Zimmer los war und welche Leistungen ihr danach gebracht habt, müsste man Weizenbier mit Cola und Marlboro ganz nach oben auf die Top-Ernährungsliste für Sportler setzen", sagte Calmund gar.
Und vor allem in einem Punkt waren sich "Schnix" und "Calli" einig. "Leck mich am Arsch, warum haben wir diese Scheiß-Meisterschale nie geholt?", fragte Calmund rhetorisch. "Irgendwann wird Leverkusen es schaffen. Und ich werde dabei sein", versprach Schneider und ergänzte mit einem Seitenhieb auf Bayern-Präsident Uli Hoeneß: "Es hat mal einer gesagt, dass das 100 Jahre dauern wird. Aber so lange habe ich nicht Zeit." Dass alles im Leben endlich ist, musste Schneider nämlich am Montag schmerzvoll erfahren.