Manuel Akanji war überhaupt nicht einverstanden mit dieser Bewertung: „Da müssen Sie ein anderes Spiel gesehen haben“, sagte der Innenverteidiger von Borussia Dortmund, als er nach dem 3:1 gegen Eintracht Frankfurt gefragt habe, warum denn die ersten 70 Minuten derart zäh gewesen seien. „Die erste Halbzeit war sehr gut, wir haben das Spiel klar dominiert und nichts zugelassen“, fand Akanji. Nur die Tore und auch die Torchancen fehlten lange, erst mit den Einwechslungen von Jadon Sancho, Paco Alcacer und Axel Witsel kam deutlich mehr Esprit ins Dortmunder Spiel. Wie schon gegen Fürth, Leipzig und Hannover brannte der BVB kein spielerisches Feuerwerk ab, der Sieg war wie schon das 4:1 gegen Leipzig auch ein Produkt gnadenloser Effektivität.
Sicher stehen, wenig zulassen, dafür fehlendes Offensivspektakel – es sind Eindrücke, die man eher nicht kennt aus Dortmund. Der BVB gehörte in den vergangenen Jahren stets zu den torgefährlichsten Mannschaften der Bundesliga und ließ gleichzeitig für eine Spitzenmannschaft recht viele gegnerische Treffer zu. Der neue Trainer Lucien Favre aber hat der Mannschaft erst einmal eine vorsichtigere Herangehensweise verordnet, hat die defensive Aufmerksamkeit deutlich gestärkt. Müssen sich die Dortmunder Zuschauer also dauerhaft drauf einstellen, dass der BVB mehr auf Solidität als offensiven Zauber wert legt?
Akanji überzeugt im Abwehrzentrum des BVB
Nein, meint Sportdirektor Michael Zorc im Gespräch mit dieser Redaktion: „Dass wir sehr um defensive Stabilität bemüht sind, ist sichtbar“, sagt er. „Dafür haben wir ja auch einiges getan in der Innenverteidigung und im zentralen Mittelfeld. Das ist ein wichtiger Punkt, aber dass das ein neuer Spielstil sein soll, stimmt natürlich nicht.“ Einer, der den Wandel verkörpert, ist der im Winter für knapp 20 Millionen Euro vom FC Basel verpflichtete Manuel Akanji. Der 23-Jährige hat die Rolle des Abwehrchefs vom abgewanderten Griechen Sokratis übernommen und findet sich darin auf bemerkenswert souveräne Weise zurecht – auch so manche Unsicherheit seines noch etwas flatterhaften Nebenmannes Abdou Diallo bügelt er aus.
Gegen Frankfurt war er bester Feldspieler, weil er auch noch mit seinen Spieleröffnungen glänzte. Nur vorne die Tore schießen oder vorbereiten konnte er nicht auch noch. Dass es in der Offensive lange hakte, möchte Sportdirektor Zorc allerdings nicht der Taktik anlasten: „Die fehlenden Chancen gegen Frankfurt hatten weniger mit dem Spielstil zu tun“, findet er. „Wir haben uns im vorderen Bereich einfach nicht durchgesetzt. Das liegt an fehlender Topleistung, fehlendem Durchsetzungsvermögen im Eins-gegen-Eins-Duell.“ Wenn in einem Bundesligaspiel die offensiven Akteure nicht ihre Topleistungen abriefen, „hast du trotz 60 Prozent Ballbesitz und grundsätzlich offensiver Ausrichtung auch weniger Torchancen“.
Zorc ist zuversichtlich: „Wir werden auch in dieser Saison Spiele sehen, in denen wir uns deutlich mehr Chancen erspielen als in diesem Spiel.“ Ähnlich sieht es Akanji: „Wir haben so viel offensive Qualität, dass wir, auch wenn wir viel Wert auf die Defensive legen, immer noch drei Tore schießen“, sagt er. „Das sollte reichen. Wir werden gemeinsam mit dem Trainer eine sehr gute Balance zwischen Abwehr und Angriff finden.“
Autor: Sebastian Weßling