Um die Fallhöhe zu begreifen, muss man daran erinnern, woher die SG Wattenscheid 09 kommt. 1994 waren die Schwarz-Weißen noch Bundesligist, sie besiegten sogar den großen FC Bayern München. Dass an der Lohrheide nur noch Regionalliga-Fußball gespielt wird, daran hat man sich gewöhnt. Doch jetzt hängt die Existenz des Traditionsklubs mehr denn je am seidenen Faden.
Die Hoffnung, den finanziellen Engpass über eine Crowdfunding-Aktion zu beheben, hat binnen eines Tages einen herben Rückschlag erlitten. Anstatt der über 160.000 Euro, die zunächst auf dem virtuellen Konto eingegangen waren, steht nun ein deutlich geringerer Betrag zu Buche.
Ein anonymer Spender, der dem Verein zu Wochenbeginn kurz nach dem Start der Hilfsaktion angeblich mit einem Betrag von 100.000 Euro unter die Arme greifen wollte, [article=403507]stellte sich als Blender heraus. Der Coup war nichts anderes als ein schlechter Scherz.[/article]
SGW befürchtet Imageschaden
„Das ist ein Wermutstropfen, dass es einen unter den mittlerweile mehr als tausend Spendern gibt, der es nicht ehrlich gemeint hat“, teilte die SG Wattenscheid 09 am Freitag offiziell mit. „Ein vermeintlich großzügiger Sponsor entpuppte sich als ein Möchtegern-Darsteller. Daher haben wir die bisherige eingesammelte Summe um 100.000 Euro nach unten korrigiert. Mehr als das nun fehlende Geld sind wir besorgt um den Imageschaden, den solch ein Verhalten eines unbeteiligten Einzelnen gegebenenfalls auslösen kann.“ Ernüchterung. Jetzt werden sich SG-Verantwortlichen vermutlich selbst über die Aktionen der Nachbarn von Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiss Essen nicht mehr ausgiebig freuen können.
Der Ligarivale RWO hatte angekündigt, elf „Gute-Besserung-Shirts“ für Kapitän Patrick Bauder, der sich im Spiel gegen Alemannia Aachen schwer verletzte, zu versteigern und den Erlös den 09ern zukommen zulassen. Auch RWE, ebenfalls Ligakonkurrent, unterstützt die 09er. Die Essener stellten den Wattenscheidern für das Rückspiel im April an der Hafenstraße neun Logen-Plätze zur Verfügung, die der Verein verkaufen durfte. Und die Aktion war erfolgreich: Nur eine Stunde, nachdem RWE damit an die Öffentlichkeit gegangen war, waren alle neun VIP-Tickets vergriffen. Rund 900 Euro sprangen dabei heraus.
Nicht nur die Regionalligisten aus dem Revier wollen den klammen Wattenscheidern helfen. Während der Halbzeitpause des Bundesligaspiels Schalke gegen Leverkusen bat S04-Fanbeauftragter Thomas Kirschner die über 60.000 anwesenden Besucher in der Arena höflich darum, Wattenscheid 09 finanziell zu unterstützen.
Lesniak: „Das rührt mich“
„Das sind alles so tolle Aktionen, und sie zeigen auch mal wieder, wie speziell das Ruhrgebiet ist. Auch in Zeiten der Bergbau-Schließung hält der Pott zusammen. Das rührt mich“, sagt Wattenscheids Stürmer-Legende Marek Lesniak (54), der mittlerweile in Gummersbach lebt. „Mir blutet das Herz – und das kurz vor Weihnachten“, sagt der ehemalige Bundesligaspieler, der in den 90er-Jahren mit Souleymane Sané ein kongeniales Angriffsduo bei der SG bildete. „Am liebsten würde ich Samy Sané anrufen und ihn bitten, dass sein Sohn Leroy die SG retten soll. Aber ganz ehrlich: In ein paar Monaten herrscht doch im Verein dasselbe Problem. Hier kann kein Einzelner helfen, eine Unternehmensgruppe müsste den Laden übernehmen.“
Zu der bitteren 100.000-Euro-Aktion sagt der ehemalige polnische Nationalspieler: „Das passt leider irgendwie zu dem Ganzen. Wattenscheid befindet sich eigentlich seit Jahren im Sinkflug. Unser ehemaliger Boss Klaus Steilmann hätte diese Gelder aus der Portokasse bezahlt. Gut, dass er nicht mehr erleben muss, was aus seinem Baby geworden ist.“
Autor: Krystian Wozniak