Manuel Neuer hielt das Erinnerungsstück behutsam wie eine Reliquie unterm Arm. Es war nicht der Pokal, den Bayern München ohne seine Weltklasse-Leistung vielleicht gar nicht gewonnen hätte. Es war auch kein Ball, den er zuvor mit Superreflexen an die Latte oder ins Aus befördert hatte. Stolz wie ein Fanboy trug Neuer das Trikot seines Kumpels Rafinha durch die Interviewzone.
Der Kapitän wollte dem Brasilianer sowie den beiden Klub-Ikonen Franck Ribery und Arjen Robben unbedingt einen glorreichen Abschied verschaffen - und dabei wuchs Neuer über sich hinaus. Im ersten Pflichtspiel seit fast zwei Monaten brachte der Nationaltorhüter den Finaldebütanten RB Leipzig beim 3:0 (1:0) zur Verzweiflung - und seine Kritiker zum Schweigen.
"Wir hatten im Tor einen Giganten stehen, der zu Recht das Tor der Nationalmannschaft hütet", sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge über den zweiten Matchwinner neben Doppeltorschütze Robert Lewandowski in der ARD. Zuletzt waren vermehrt Stimmen aufgekommen, die eine Wachablösung im DFB-Team zugunsten des sechs Jahre jüngeren Herausforderers Marc-Andre ter Stegen gefordert hatten.
Während sich der am Knie verletzte Torwart des FC Barcelona beim spanischen Pokalfinale gegen Valencia (1:2) nicht auszeichnen konnte, festigte Neuer im Berliner Olympiastadion vor den EM-Qualifikationsspielen in Weißrussland (8. Juni) und in Mainz gegen Estland (11. Juni) seinen Status als Nummer eins. "Es war eine Punktlandung, besser hätte man das Drehbuch nicht schreiben können", sagte Neuer, der nach seiner rechtzeitig auskurierten Wadenverletzung "hochmotiviert" ins Spiel gegangen war.
Der 33-Jährige wollte in der Stunde des Triumphs zwar "keine Kampfansagen" machen oder "etwas gegen Kritiker sagen". Doch die Aussagen seiner Teamkollegen ließen durchblicken, dass die bärenstarke Leistung für Neuer eine persönliche Genugtuung war.
"An ihm ging das auch nicht ganz spurlos vorbei, was geschrieben wurde", sagte Mats Hummels. Thomas Müller meinte, Neuer hätte in dieser Saison körperlich "ziemlich leiden müssen" und "so viel aufs Dach bekommen". Im Pokalfinale habe Neuer "wieder allen gezeigt, dass er da ist, wenn es brennt".
Sein Blitzreflex gegen Yussuf Poulsen (11.) und die Glanztat gegen Emil Forsberg (47.) erinnerten an den Manuel Neuer, den über viele Jahre die Aura der Unbezwingbarkeit umgab. Für Trainer Niko Kovac schien es überhaupt kein Risiko gewesen zu sein, Neuer ohne Spielpraxis in das auch für ihn persönlich so wichtige Endspiel zu schicken. "Er hat gesagt, dass ich schon so viele Finals gespielt habe und dass ich auf jeden Fall meinen Mann stehen werde", verriet Neuer: "Daran habe ich natürlich auch geglaubt."
Genauso glaubt Neuer daran, die Nummer eins in der Nationalmannschaft zu bleiben. Bundestrainer Joachim Löw hat Herausforderer ter Stegen zwar öffentlich gelobt und ihm in der EM-Qualifikationen Bewährungschancen versprochen. Doch in der Final-Form führt an Neuer kein Weg vorbei. sid