S04

Geis auf Schalke nur das fünfte Rad am Wagen

Die Pässe kommen immer noch gestochen scharf. Wenn Johannes Geis den Ball im Mittelfeld vor sich her treibt und das Spielgerät dann zum Mitspieler auf der anderen Seite des Platzes bringt, dann wirkt das fast wie früher. Genau am Fuß des Kollegen landet der Ball, selbst wenn der Pass über 30, 40 Meter geschlagen wird. Johannes Geis ist in dieser Hinsicht ein Präzisionsspieler.

Es sind aber nur Szenen aus dem Training, die daran erinnern, dass Johannes Geis auch noch da ist. In der Bundesliga wird der 25 Jahre alte Mittelfeldspieler von Trainer Domenico Tedesco nicht mehr eingesetzt, und es gibt keine Anzeichen, dass sich das bis zu Geis’ Vertragsende am 30. Juni 2019 noch einmal ändern wird. Erst recht jetzt, da sich die lange verletzten Benjamin Stambouli und Bastian Oczipka zurückgemeldet haben. Schalke hat 27 Profispieler unter Vertrag – Geis ist das fünfte Rad am Wagen.

Eine starke Quote im ersten Jahr auf Schalke

Dabei war der frühere U21-Nationalspieler dem FC Schalke 04 bei seiner Verpflichtung aus Mainz im Sommer 2015 noch 10,5 Millionen Euro Ablöse wert – was ist schief gelaufen?

Es gab durchaus eine Zeit, in der Geis auf Schalke eine gute Nummer war: In seiner ersten Saison 2015/16 kam er in drei Wettbewerben auf 37 Pflichtspiele mit der für einen Mittelfeldspieler starken Quote von vier Toren und acht Torvorlagen. Schon da gab es allerdings einen Leistungsknick, nachdem er für sein folgenschweres Foul am damaligen Mönchengladbacher André Hahn für vier Spiele gesperrt und öffentlich mit dem Image des Treters versehen wurde.

Dabei ist Geis alles andere als ein grundsätzlich überharter Spieler: Er ist eher zu langsam und wirkt manchmal etwas behäbig in seinen Aktionen – auch gegen André Hahn kam er damals eher zu spät zum Ball, als mit böser Absicht.

Schalke wusste um das Tempo-Defizit

Schalke wusste schon bei der Verpflichtung von Geis um dessen Tempo-Defizit: Auch der damalige Manager Horst Heldt, letztlich verantwortlich für den Transfer, hatte diese Bedenken vorgetragen. Indes: Schalke brauchte damals einen Spieler mit den strategischen Qualitäten und fußballerischen Lösungen eines Geis – die Bedenken wurden hinten angestellt.

Nachdem Schalke im Sommer 2016 die komplette sportliche Leitung auswechselte, geriet „Scharfschütze Geis“ (so wurde er auch in der WAZ wegen seiner Freistoßtore genannt) jedoch mehr und mehr ins Hintertreffen. Der neue Manager Christian Heidel holte mit Benjamin Stambouli und Nabil Bentaleb zwei potenzielle Konkurrenten – Geis bekam immer weniger Spielanteile und ließ sich ein Jahr später an den FC Sevilla ausleihen.

Ein feiner Kerl – kein Albert Streit

Und nach seiner Rückkehr machte Domenico Tedesco einen klaren Schnitt: Ohne die Tempo-Defizite von Geis explizit zu erwähnen, entschied er, dass andere Spieler einfach „die Nase vorne“ hätten.

Was immer wieder durchklingt: Schalke bedauert die Entwicklung, die man Geis ja nicht vorwerfen kann – er will einfach nur seinen Vertrag auf Schalke erfüllen und lässt sich dabei nichts zuschulden kommen. Ein ganz anders gelagerter Fall als vor vielen Jahren mit Albert Streit, bei dem schon allein der Name Programm war – Geis hingegen ist „ein feiner Kerl“, wie auch Tedesco hervorhebt. Auch innerhalb der Mannschaft ist der frühere Mainzer beliebt, Benjamin Stambouli nimmt ihn manchmal zur Seite, um mit ihm über die vertrackte Situation zu reden: „Ich versuche, für Geisi da zu sein. Manchmal lachen wir zusammen, und als ich verletzt war, haben wir auch viel zusammen gearbeitet.“

Vor zwei Jahren waren Stambouli und Geis noch Konkurrenten um einen Platz in der Mannschaft: Nun ist der eine zum Führungsspieler aufgestiegen und der andere ist das fünfte Rad am Wagen. „Aber wir haben immer ein gutes Verhältnis gehabt. Ich bin keiner, der mit seinen Konkurrenten nicht klar kommt“, berichtet Stambouli und sagt: „Für Geisi hoffe ich, dass der schöne Tag bald wieder kommt. Vielleicht macht er in zwei Wochen ein Freistoßtor mit seinem super Fuß – du weißt das nie.“

Das geht auf Schalke aber wohl nur noch: Im Training.

Autor: Manfred Hendriock