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Thomas Hörster ist als Nachwuchscoach wieder glücklich

Thomas Hörster ist als Nachwuchscoach wieder glücklich
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Thomas Hörster lacht. Wer dem 47-Jährigen bei der Arbeit zuschaut, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass er mit seinem Job sehr glücklich ist. In der letzten Saison trainierte er die Profis blieb als unglückliche Erscheinung in Erinnerung.

Thomas Hörster lacht. Wer dem 47-Jährigen bei der Arbeit zuschaut, kann schnell den Eindruck gewinnen, dass er mit seinem Job sehr glücklich ist. "Na klar, mir hat es immer schon gefallen, junge Leute auszubilden", sagt Hörster, der seit knapp zwölf Jahren im Nachwuchsbereich von Bayer Leverkusen arbeitet und momentan die A-Jugend des Bundesligisten trainiert. "Hier vermisse ich nichts", findet Hörster, der noch bis vor einem guten halben Jahr für elf Spiele die Profimannschaft des Vereins betreute und in den beinahe dunkelsten Wochen der Leverkusener Vereinsgeschichte als unglückliche Erscheinung in Erinnerung blieb. Hörster bezeichnet das heute als "lehrreiches Intermezzo".

Manche meinen, es sei absurd, dass ausgerechnet so einer wieder im gleichen Club sein Glück findet. Hat der Mann kein Selbstwertgefühl? Verfolgt ihn nicht das Verlangen, es jenen zu zeigen, die ihn damals in die Schublade des erfolglosen, verkniffenen Anti-Trainers steckten? Lustig waren die Schlagzeilen, die Hörster zwischen Februar und Mai über sich lesen musste, nicht. "Das personifizierte Achselzucken", schrieb die "Süddeutsche Zeitung" über ihn. "Der seltsame Herr Hörster", titelte der Kölner "Express" und in den Augen von Udo Lattek wirkte der Trainer gar "wie ein verschüchtertes Würmchen." Geärgert habe ihn das nie. "Die kannten mich ja alle gar nicht", sagt Hörster, der anders als Kollegen wie Ewald Lienen oder Hans Meyer nicht das Mittel der publicity-wirksamen Medienschelte nutzte. "Ich bin Trainer und kein Öffentlichkeits-Referent", sagt Hörster heute. Vielmehr habe sich der frühere Profi, der 1979 mit Leverkusen in die Bundesliga aufgestiegen war und danach 332 Spiele für die Farbenstädter bestritt, darüber gewundert, mit welcher Massivität die Kritik kurz nach seiner Amtsübernahme auf ihn einprasselte. "Ich ging von der üblichen 100-Tage-Schonfrist aus, bekam aber nicht mal eine Woche", erinnert sich Hörster.

Dabei sei er gerne eingesprungen, als sein Vorgänger Klaus Toppmöller entlassen wurde und Bayers Manager Reiner Calmund um Hilfe bat. "Ich habe mir das zugetraut", sagt Hörster, der den Bundesliga-Job auch als "reizvolle Aufgabe" empfand. Direkt auf der ersten Pressekonferenz, die Hörster vorstellen sollte, sei der Kahn aber in die entgegen gesetzte Richtung gefahren. "Die haben danach alle nur über mein Holzfäller-Hemd geschrieben", erinnert sich der Coach, der fortan als der Mann, der zum Lachen in den Keller geht, bezeichnet wurde.

Und wenn er dann doch Mal lachte, war es auch nicht richtig. Als Bayer im vorletzten Champions League-Spiel in Barcelona 0:2 verlor, orderte ihn ein Fernsehsender zum üblichen Interview. Wegen technischer Missgeschicke musste die Prozedur aber vier Mal aufgezeichnet werden. Dem TV-Team war es peinlich, doch als der letzte Versuch endlich klappte, haben sie sich alle herzlich gefreut. Auch Hörster, dessen strahlendes Grinsen schließlich als Einstieg gesendet und mit dem Untertitel, was der denn noch zu lachen habe, versehen wurde. "Ich Blödmann ging da vier Mal hin und dann haben die mich wie einen Idioten behandelt", meint Hörster, dem in der Folge nur selten zugehört wurde, wenn neben Calmund auch der Sportdirektor Jürgen Kohler, Manager Ilja Kaenzig oder der Firmen-Sportbeauftragte Meinholf Sprink munter drauf los redeten.

Heute weiß Hörster, der in elf Spielen immerhin 14 Punkte als Grundlage für den Klassenerhalt holte, dass er Fehler machte. "Ich hätte manche Dinge anders verkaufen sollen", meint er. Etwa öffentlich zu bekennen, dass er die Champions League herschenken wolle, um die nötigen Reserven für den Abstiegskampf zu haben, sei kein kluger Schachzug gewesen. Geärgert habe es ihn umso mehr, als Talent Jan-Ingwer Callsen-Bracker, der damals in der Königsklasse spielte, in den Medien ähnlich zerrissen wurde wie der Coach. "Es gibt doch bei allen eine Fürsorgepflicht", schimpft Hörster.

Rückhalt bekam er in jener Zeit vor allem von seinen Kollegen aus der Jugendabteilung. "Die haben fast täglich angerufen, um zu fragen, wie es mir geht", sagt Hörster. Die Verantwortlichen der Profiabteilung hätten die Gefühle ihres Trainers hingegen nicht interessiert. Im Nachwuchsbereich habe man sich allerdings keine Sorgen um den Freund gemacht. "Der Tommy ist kein Medienkasper, aber ein gradliniger Trainer und hat Nehmer-Qualitäten. Wir wussten alle, dass er das durchsteht", sagt Leverkusens Junioren-Boss Michael Reschke, der Hörster seit etlichen Jahren kennt und es wissen muss. "Ich bin eben ehrlich", meint Hörster, "und war vielleicht deshalb das ideale Opfer."

Ehrlich war er auch am 10. Mai, als Leverkusen drei Spieltage vor Saisonende mit 1:4 in Hamburg verlor. "Nach der Leistung habe ich aufgegeben", sagte Hörster danach in die Fernseh-Kameras und wurde tags darauf gegen Klaus Augenthaler ausgetauscht. Inzwischen bereut Hörster den "aus purer Verärgerung" gesprochenen Satz. Er ist davon überzeugt, dass er den Abstieg genauso wie Augenthaler, der aus den letzten beiden Spielen sechs Punkte holte, auch verhindert hätte. Trotzdem findet Hörster, dass "Leverkusen etwas besseres als Augenthaler gar nicht hätte passieren können."

Schon am nächsten Tag fuhr er zu einem U19-Länderspiel nach Dresden, um dort für den Leverkusener Scoutingbereich zu arbeiten. "Ich brauchte keine Ruhe", erzählt Hörster, der meint, dass "ich an dem Bruch nicht zerbrechen werde." Die Garantie, bei Misserfolg in den Nachwuchs zurückzukehren, sei immer da gewesen. Jetzt will seine erweiterten Erfahrungen an die A-Jugendlichen weiter geben. Vor allem habe er in der Zeit als Proficoach gemerkt, dass die Talente gar nicht so weit weg von der Bundesliga seien, wie es immer den Anschein habe. "Wenn die schneller an die Töpfe kommen, können die sich auch besser entwickeln", rät Hörster den besten Kräften seiner Mannschaft, sich schon frühzeitig an Zweitligisten ausleihen lassen: "Als Fußballer musst du in der Öffentlichkeit stehen und Erlebnisse sammeln." Viele seiner ehemaligen Schützlinge wie Nasir El Kasmi (Duisburg) Thorsten Burghardt (Fürth), Anel Dzaka (Osnabrück) oder der Bremer Markus Daun hätten durch diesen zweiten Bildungsweg schon eine Menge gelernt - auch im Umgang mit den Medien.

Hörster kann sich ebenfalls vorstellen, diesen Weg noch einmal zu gehen. Er sei zwar in Leverkusen zufrieden, habe aber keine abgesteckte Lebensplanung. "Wenn ein reizvoller Zweitligist anfragt, würde ich drüber nachdenken", meint der gebürtige Essener, der bis 1977 für den ETB SW Essen kickte. Sollte es so weit kommen, würde er ein bisschen anders als in Leverkusen auftreten. "Dann komme ich zu meiner Vorstellung bestimmt nicht im Holzfäller-Look. Wenn mir das einer gesagt hätte, hätte ich schon damals ein hellblaues Hemd angezogen", sagt Hörster und lacht, ohne dabei in den Keller gehen zu müssen.

Roland Leroi

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