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Dirk große Schlarmann wurde vom Fan zum Reporter
"Aber der Block 39 ist mein Zuhause"

Schalke: Dirk große Schlarmann wurde vom Fan zum Reporter
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Manche Leute behaupten, er macht die besten Reportagen, seit es Radio Emscher Lippe gibt. Andere rümpfen über ihn die Nase, weil er vorzugsweise im weißen Fanpullover seine Livesendungen durchzieht und dabei auch schon mal gerne aus dem journalistischen Schubladendenken herausfällt.

Die Rede ist von Dirk große Schlarmann. Seit einem halben Jahr ist der gebürtige Gelsenkirchener im Lokalradio bei den Schalke-Spielen live zu hören - und seine Fangemeinde wird immer größer. Denn große Schlarmann ist einer von Ihnen. Einer, der den Traum vom Hobby zum Beruf wahr gemacht hat und seine Hörer daran teilhaben lässt.

Noch vor einigen Jahren drohte das Talent an irgendeinem öden Schreibtisch zu ersticken, bis ihm ein sanfter Fall auf die Tischkante erlöste. "Drei Wochen nach meinem Ausbildungsbeginn zum Industriekaufmann bin ich auf der Tastatur in meinem Büro eingeschlafen. Als ich wieder aufgewacht bin, habe ich die Ausbildung geschmissen. Dann habe ich beim Fernsehen angerufen und gesagt: So, jetzt habe ich Zeit", fühlte sich der heute 29-Jährige wie von einem Ballast befreit.

Was man erreichen kann, wenn man an sich glaubt, zeigt der weitere Lebensweg des Gelsenkircheners. Denn die Geschichte wäre zu einfach, hätte die Fernsehanstalt sofort angebissen. Die riet immerhin zu einem Praktikum im journalistischen Bereich. Was lag da näher, als beim lokalen Radiosender nachzufragen. Schlarmann überzeugte und begann Journalistik zu studieren. Es war Liebe auf den ersten Blick. Das Volontariat, eine Art praxisbezogene Ausbildung im Bereich der Medienwelt, führte ihn dann wieder zurück zu seinem Haussender, den er wenig später mit seiner gewinnbringenden Art aufmischen sollte.

Über Randinterviews näherte er sich langsam seinem großen Ziel. Als Allesfahrer kannte große Schlarmann die Königsblauen von klein auf. Im Parkstadion zunächst in Block 5 beheimatet, wechselte "Crazy", wie er von seinen Freunden gerufen wird, in den Block I, den man wohl heute als Stimmungsblock bezeichnen würde. Später, in der Arena wurde für das Mitglied im "FC Schalke 04 Supporters-Club e.V." der Oberrang der Nordkurve sein zu Hause. Und ist es auch bis heute geblieben. "Das ist meine Welt. Wir treffen uns normalerweise vor den Spielen und ziehen durch die Kneipen", bekennt große Schlarmann.

Doch genau dazu lässt ihm sein neuer Job immer weniger Gelegenheit. Denn seit der Radiomann bei seiner ersten Reportage wie eine Bombe einschlug, muss der seit einem Jahr fest angestellte Redakteur immer öfter an das Mikro. "Oder darf", korrigiert er. "Denn obwohl ich ein Stück Lebensinhalt verloren habe, muss ich zugeben, dass es für mich der absolute Traumjob ist."

So ungewöhnlich wie seine Reportagen, bei denen er schon mal am Rande des Stimmverlustes arbeitet, war auch der Durchbruch als Schalke-Mann bei seinem Arbeitgeber. Privat hatte er mit seinen Kumpeln einen Flug zum Champions-League-Viertelfinale der Knappen am 9. April beim FC Barcelona gebucht, als der für die Reportage vorgesehene Kollege wegen eines Buchungsfehlers ausfiel. Kurze Zeit später klingelte das Telefon. "Ich hatte eine schlaflose Nacht und habe hin und her überlegt", gibt "Crazy" zu. "Es war das Spiel des Jahres, das ich unbedingt als Fan erleben wollte - oder die Riesenchance für den Durchbruch."

Hätte die Mehrzahl der berufstätigen Menschen wohl für diese Gelegenheit alles stehen und liegen gelassen, boxte er einen Kompromiss durch. "Ich habe gesagt, ich kommentiere. Aber ich will davor und danach mit meinen Kollegen raus gehen", stimmte der Sender zähneknirschend zu.

Es folgt Stoff, aus dem Legenden gestrickt werden. Eine Anmoderation für die Morgensendung erledigte der angehende Schalke-Mann nur mit einer roten Unterhose und seinem Handy bewaffnet nachttrunken auf dem zur Prachtstraße Barcelonas ausgerichteten Balkons seines Hostals - sehr zur Freude der Touristen der katalanischen Metropole. "Und auf einmal stehst du im Camp Nou im 390. Stock und berichtest von so einem Spiel", bekommt große Schlarmann noch heute Gänsehaut, wenn er von dem Erlebnis erzählt. "Ich habe mich null vorbereitet und einfach laufen lassen", wollte und will große Schlarmann Radio für Fans machen.

Dass er aus einem engen Glaskasten berichten musste, bei dem ständig die milchige Scheibe zufiel, konnte ihn nicht mehr aufhalten. "Ich habe als Kind bei uns in der Pizzeria immer die Kommentatoren im italienischen Fußball bewundert. Ich bin mit Herz und Seele Schalker und kommentiere auch so. Aber deshalb bin ich auch sehr kritisch", gibt große Schlarmann zu. "Ich habe früher immer gesagt, dass ich Spiele wie gegen den BVB lieber als Fan in der Kurve gucken möchte und nicht kommentieren will. Das hat sich geändert. Ich merke, wie es immer wieder anfängt zu kribbeln", habe er für seine hautnahen Berichterstattungen viel Zuspruch erfahren. "Gerade nach dem Spiel in Dortmund haben mich viele Leute angesprochen und mir gesagt. Ich hatte nicht die Möglichkeit im Stadion zu gucken. Aber du hast mir das Stadion in mein Auto gebracht. Ich denke, ein schöneres Kompliment kann man nicht bekommen", will große Schlarmann seinen emotionsgeladenen Stil auf jeden Fall beibehalten. Denn er "weiß genau, wie blöd das ist, wenn du das Radio einschaltest, und nicht genau fühlen kannst, was mit deinem Verein gerade los ist."

Wohl auch deshalb lehnte er eine Offerte einer großen deutschen Tageszeitung ab, die den Journalisten als Redakteur verpflichten wollte. Als medialen Betreuer für Borussia Dortmund oder den VfL Bochum. "Das könnte ich mit meinem Gewissen überhaupt nicht vereinbaren. Und das wollen die Leute auch nicht lesen", sei das für ihn so etwas wie Hochverrat. Und so gibt es wohl nur einen Job, der ihn schwach werden ließe. Stadionsprecher in der Arena. Auch diesen Traum konnte sich große Schlarmann bereits einmalig erfüllen. Als im Sommer der etatmäßige Sprecher Dirk Oberschulte ausfiel, meldete sich Schalke bei ihm. "Crazy" war beim Freundschaftsspiel gegen Glasgow Rangers am Mirko. "Das wäre das Allergrößte. Stadionsprecher bei den Schalker Heimspielen und auswärts Radiomoderator", gibt er gerne zu.

Dennoch ist für ihn eins klar: Wenn er nicht im Einsatz ist, tauscht er den Platz am Pressepult weiterhin mit dem in der Kurve: "Meine Dauerkarte, die derzeit Freunde nutzen, wenn ich moderiere, gebe ich nicht ab. Mein Platz da oben direkt an der Mittellinie ist zwar schön. Aber der Block 39 ist mein zu Hause!"

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