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Krupp: "Wir haben keine Diva dabei"
"Dimitri Pätzold ist eine Idee stärker als die anderen"

Eishockey-WM: "Wir haben keine Diva dabei"
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Am nächsten Wochenende beginnt das Highlight für Eishockey-Fans. Erstmals wird in Kanada die Eishockey-Weltmeisterschaft ausgetragen. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (sid) äußert sich Bundestrainer Uwe Krupp zu den Chancen seiner Mannschaft und warum er Marco Sturm als den Dirk Nowitzki des Teams sieht.

Herr Krupp, am Wochenende beginnt die WM in Kanada. Wie stark ist Ihre Mannschaft?

Auf dem Papier sind wir stärker als letztes Jahr, gerade mit unseren NHL-Spielern Marco Sturm, Dennis Seidenberg und Christoph Schubert. Aber so wird die Rechnung nicht gemacht. Entscheidend ist, ob die Chemie stimmt.

Zuletzt hat die deutsche Mannschaft ganz ohne NHL-Verstärkung ihre besten WM-Leistungen gebracht. Wälzen die Spieler jetzt die Verantwortung wieder ab?

Das ist eine normale Sache. Die Jungs haben Respekt vor den NHL-Spielern und stufen sich ein bisschen zurück. Aber das darf nicht passieren. Die drei machen uns besser, aber sie halten uns nicht aus der Abstiegsrunde raus. Sie brauchen eine Mannschaft um sie herum, die ihr absolut bestes Eishockey spielt - so, als wären sie gar nicht dabei.

Wie machen Sie den Spielern das klar?

Jeder aus der NHL steht einmal in der Kabine auf und soll sich mal rumdrehen, dann sage ich: Das ist das letzte Mal, dass ihr ihn euch anseht, ohne für ihn zu arbeiten. Wenn die Jungs im Spiel staunen: Wow, jetzt schießt der Christoph Schubert aufs Tor, dann haben wir ein Problem.

sid: "2005 ist Deutschland mit NHL-Spielern abgestiegen..." Krupp: "Diesmal kriegen wir das hin. Denn unsere NHL-Spieler nehmen sich selbst nicht so ernst, die integrieren sich ins System. Wir haben keine Diva dabei." Welche Rolle spielt Marco Sturm?

Er hat eine tolle Karriere gemacht, es fehlt nur noch der Stanley Cup und ein bisschen mehr Anerkennung in der NHL. Marco Sturm ist unser Dirk Nowitzki. Er ist unser Vorzeigespieler.

Sie haben Stefan Ustorf nach zwei Jahren zurückgeholt. Warum?

Ich habe noch bis zum Schluss überlegt. Für mich war klar: Wenn Marco Sturm zusagt, kommt Stefan auch mit. Wenn Marco absagt, dann setzen wir auf die Jungen. Da habe ich mit offenen Karten gespielt. So sind wir erfahrener und etwas ausgereifter. Für Marco ist es eine gute Sache, er kennt Stefan. Denn es sind nicht so viele Spieler in der Mannschaft, die er noch kennt.

Wer ist Torhüter Nummer eins in Halifax?

Dimitri Pätzold ist eine Idee stärker als die anderen. Er strahlt Ruhe aus, die Mannschaft fühlt sich gut, wenn er hinten drin steht.

Sie konnten kein einziges Testspiel mit der kompletten Mannschaft bestreiten, ein Nachteil?

Ich würde mir schon wünchen, dass wir mehr Zeit für die Nationalmannschaft hätten. Die Schweiz zeigt uns, wie es geht. Und auf deren Platz wollen wir schließlich. Unser Ziel ist, dass die DEL weniger Spiele macht und früher fertig ist.

Die WM wird erstmals auf kleinem Eis gespielt. Wie schwierig ist die Umstellung?

Sie läuft automatisch. Wir haben schon in Deutschland das kleine Eis simuliert. Wir versuchen immer, schnell und gradlinig zu spielen: viel checken, viel schießen, viel Druck zum Tor. Es geht nur geradeaus, von Nord nach Süd. Zusammengefasst: Du hast weniger Raum und weniger Zeit.

Erstmals findet eine WM in Kanada statt. Steht sie dort nicht im Schatten der NHL-Play-offs?

Ja, eindeutig. Aber die WM hat auch in Kanada an Ansehen gewonnen, natürlich auch mit den Erfolgen der Kanadier. Die Kanadier sind sehr patriotisch, wenn sich ihre Spieler unter der Flagge präsentieren, ist es ein Event. Es wird zwar nicht so groß gefahren wie der Stanley Cup, aber es wird in allen Sportsendungen laufen. Was bedeutet Eishockey für Kanada?

Eine Religion. So wie wir in Deutschland Bier haben und das Oktoberfest, so ist Eishockey für Kanada. Über die Kanadier werden Witze gemacht mit Eishockey, so wie über Deutsche mit Lederhosen. Fußball hat in Deutschland einen wichtigen Stellenwert, aber Eishockey in Kanada ist noch mehr, mehr als nur Sport, es ist Kultur. Was erwartet Ihre Mannschaft in der Vorrunde?

Finnland ist sehr stark, ein ganz klarer Titelanwärter. Aber man kann auch einen solchen Gegner ins Straucheln bringen. Die Slowaken sollen mit wenigen NHL-Spielern kommen, das wäre gut für uns. Gegen Norwegen entscheidet die Tagesform. Leider scheint es für uns immer auf dieses eine Spiel hinauszulaufen. Im vergangenen Jahr stand am Ende Platz neun. Ist eine Steigerung möglich?

Wir haben eindeutig das Potenzial, ins Viertelfinale zu kommen. Aber wir haben genauso das Potenzial, in die Abstiegsrunde zu rutschen. Du musst in einem Spiel Glück haben. Die Norweger haben letztes Jahr gegen uns eines ihrer schwächsten Spiele gemacht, sie werden diesmal stärker besetzt sein.

Der deutsche Meister Eisbären Berlin hatte im Finale nur sieben Ausländer auf dem Eis. Freut sich der Bundestrainer darüber?

Das Berliner Modell kann man nur loben. Es ist schwierig, einem jungen Spieler, der fragt, was er machen soll, zu sagen: Gehe nicht nach Berlin.

Widerlegt es nicht alle Argumente gegen weniger Ausländer in der DEL?

Berlin zeigt allen, dass es möglich ist. Die Berliner haben Mut bewiesen, sind auch in der Spur geblieben und ihrer Philosophie gefolgt, als es letztes Jahr nicht geklappt hat und die Leute gefragt haben: Warum haben wir nicht mehr und bessere Ausländer?

Also kann man getrost die Zahl der Ausländer weiter herunterfahren?

Es ist einfacher mit Ausländern. Es wie Berlin zu machen, ist teuer. Man braucht viel Geduld, und man muss auch gute deutsche Spieler haben. Ein guter Spieler hat mit einer verweigerten Dopingkontrolle für viel Wirbel gesorgt. Wie sehen Sie den Fall Florian Busch?

Er hat einen gigantischen Fehler gemacht, aber für uns ist er kein Dopingsünder. Es war dumm, falsch, aber menschlich, sowas kann passieren. Wenn du als Leistungssportler 24 Stunden Abmeldefrist für die Kontrollen der NADA hast, ist deine Lebensqualität um 60 Prozent beeinträchtigt. Normalerweise werden so nur Freigänger behandelt. Aber wir machen es, nur kann man nicht ausschließen, dass bei diesen andauernden Kontrollen mal was schiefläuft. Im Fall Busch ist es halt schiefgelaufen. In diesem Zusammenhang wurde von einigen auch Ihr Dopingfall bei der WM 1990 herausgekramt. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Damals gab es in der NHL keine Dopingtests. Ich hatte das Erkältungsmittel Sudafed genommen, das Pseudo-Ephedrin enthielt. Mein Körper hatte es nicht abgebaut. Im Nachhinein war das kein Highlight in meiner Karriere. Mittlerweile ist es anders: Die Informationen sind da, jeder Spieler weiß, was er nehmen darf. Damals war alles etwas rustikal. Experten wie Werner Franke sagen, im Eishockey mache Doping durchaus Sinn und sei auch verbreitet. Was sagen Sie dazu?

In welchem Sport macht es keinen Sinn? Damit man im letzten Drittel noch was drauf hat, haben wir Kaffeemaschinen in der Kabine stehen, darum haben NHL-Klubs einen großen Kühlschrank mit Cola. Das gibt dir den Hallo-wach-Effekt für die letzten paar Minuten. Es gibt immer wieder den Spielertyp, wo du sagst, der ist gefährdet. Aber ich würde nicht sagen, dass es generell Missbrauch gab oder gibt.

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