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Sergej Juran: Sein langer Weg aus den Klatschspalten
"35 Prozent der Karriere verloren"

Sergej Juran: Sein langer Weg aus den Klatschspalten
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Sergej Juran spielte nur zwei Jahre lang in Deutschland, doch den Fans aus Bochum und Düsseldorf ist der einstige Stürmer-Star unvergessen. Das liegt freilich nicht nur an seinen fußballerischen Qualitäten. Der "Büffel" verkörperte den Rock'n'Roll wie kaum ein anderer Kicker Mitte der neunziger Jahre:

Alkohol-Eskapaden, Suspendierungen und Transfers wechselten sich regelmäßig ab, bis Nachrichten über ihn schließlich ganz in die Klatschspalten verbannt wurden. Nach seinem Karriere-Ende 2000 hätte man Juran viele Tätigkeiten zugetraut, und nicht alle wären mit dem Gesetz in Einklang zu bringen gewesen.

Doch es kam anders: Der skandalumwitterte Wandervogel schulte auf Trainer um – und das durchaus erfolgreich, wie sein jüngster Aufstieg mit Shinnik Jaroslavl in die russische Premier Liga beweist. Nun kehrte Juran im Rahmen eines Trainingslagers mit seinem Club nach Deutschland zurück. RS unterhielt sich mit dem einstigen Enfant terrible.

Sergej Juran, hätten Sie je geglaubt, als Trainer nach Bochum zurückzukehren? Ich hatte als Spieler eine gute Zeit in Deutschland, jetzt will ich als Coach beweisen, dass ich Ahnung vom Fußball habe. Wir haben 2:1 gewonnen, also ist es mir gelungen. Und ganz nebenbei habe ich auch noch meine alten Kumpels Peter Peschel und Dariusz Wosz wiedersehen können.

Sergej Juran (* 11. Juni 1969 in Luhansk) spielte für Dynamo Kiew (1989-91), Benfica Lissabon (1991-94), den FC Porto (1994-95), Spartak Moskau (1995), den FC Millwall (1996), Fortuna Düsseldorf (1996-97), den VfL Bochum (1997-99), Spartak Moskau (1999), Sturm Graz (1999 – 2001) und die russische Nationalmannschaft (41 Länderspiele, neun Tore). Jurans zweifelhafter Ruf schadet seiner Popularität kaum: In Deutschland wurde sogar ein Fußballclub nach ihm benannt, die Sergej Juran Swingers aus Dettingen an der Erms.

Was verbinden Sie außer Ihrer Promille-Fahrt sonst noch mit dem VfL? Natürlich den UEFA-Cup! Ajax, Brügge, Trabzonspor – das waren Spiele, die Spaß gemacht haben. Im russischen Fernsehen schaue ich mir regelmäßig die Bundesliga-Tabelle an und kontrolliere die Ergebnisse. Vor ein paar Monaten waren die Bochumer noch gefährlich nahe an der Abstiegs-Zone, mittlerweile kann ich mir die Statistik beruhigter ansehen. Und die Fortuna ist gar kein Thema mehr für Sie? Das Jahr in Düsseldorf war kein besonderes für mich. Beim VfL war das anders, der Verein war mir irgendwie näher. Auch, weil wir mit Klaus Toppmöller einen klasse Trainer hatten.

Anfang der neunziger Jahre galten Sie als eines der größten Stürmer-Talente in Europa. Warum hat es mit dem ganz großen Durchbruch trotzdem nicht geklappt? Ich habe in meiner Karriere nur 65 Prozent von dem erreicht, was möglich war. Der Rest ist verloren. Ich war jung und habe nicht professionell gedacht. An manchen Tagen habe ich einfach nichts gemacht, weil ich glaubte, es läuft doch. Und es lief ja auch mit namhaften Clubs und der Nationalmannschaft. Aber es wäre noch mehr gegangen.

Bereuen Sie das? Mittlerweile schon. Ich habe ein anderes Denken, einen ganz anderen Willen. Mit meiner Frau und den zwei Kindern habe ich schließlich viel mehr Verantwortung, das hat mich verändert. Daraus habe ich gelernt: Als Trainer gebe ich immer 100 Prozent, da ist noch nichts verloren.

Wie haben Sie es geschafft, auf fast jeder Ihrer Stationen zum Publikumsliebling zu avancieren? Die Fans haben mich immer geliebt, ob in Bochum, Porto oder bei Benfica. Vielleicht war das deshalb so, weil ich kompromisslos gespielt habe und auf dem Platz richtig arbeiten konnte. 100 Prozent haben mir nie gereicht, es mussten 200 sein. Bei den Spielen war ich nicht locker, da ging es mir ums Maximum. Sie haben keine hochprozentige Chance ausgelassen... Zumindest kaum eine, und das in jeder Lebenslage. Und jetzt? Jetzt bin ich auf der anderen Seite. Ich wäre lieber Spieler geblieben, aber nach meiner Verletzung bei Sturm Graz ging das eben nicht mehr. Als Trainer musst du denken, schauen, 24 Stunden am Tag arbeiten. Aber ich musste einfach beim Fußball bleiben, ohne ihn wäre das kein Leben für mich.

Sie werden der jüngste Coach im russischen Oberhaus sein. Sind Sie auf dem Weg zum Erfolgs-Trainer? Ich will weiter an mir arbeiten, in der ersten Liga muss ich besser werden. Wenn ich in Russland weiter gute Resultate erziele, komme ich vielleicht sogar mal nach Deutschland zurück. Mal schauen.

Als Spieler waren Sie in sechs Ländern aktiv, als Trainer schon in zwei. Sind Sie ein Wandervogel? Nein, das ist im Fußball normal, für meine Familie ist das kein Problem. Eigentlich ist es ja sogar wie Urlaub, in Ländern wie Portugal zu arbeiten. Wäre der Spieler Juran für den Trainer Juran ein Problemfall gewesen? Ich bin jetzt ein ganz anderer. Meine aktive Laufbahn ist vorbei, das ist alles abgehakt. Als Coach bin ich anders, auch im Kopf. Ich denke viel mehr darüber nach, was ich mache, wie ich mich verhalte.

Ist es ein Vorteil, dass Sie früher selbst ein Schlitzohr waren?

Ja sicher, die Jungs können mir doch nichts vormachen. Ich spreche oft mit meinen Akteuren, weil ich eine professionelle Arbeit von ihnen verlange. Ich weiß schließlich, wie schnell Sachen falsch laufen können.

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