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Gelbe Karte für die Mutterliebe
Der Auftritt der Fußballmütter

Wenn Fußballmütter ihren Nachwuchs begleiten.... (Foto: firo)
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Einst war es das Privileg der Väter: die Söhne zum Fußball begleiten, an der Bande lehnen und Ratschläge hineinbrüllen. Doch nun kommen die Fußballmütter. Mit Thermoskanne, Sharan und langen Unterhosen für den Sohn.

Neulich sah ich nach langer Zeit wieder einmal ein D-Jugend-Spiel. Samstagnachmittag, Berliner Nordosten, zugiges Herbstwetter, Kreisliga B, der Sohn eines Bekannten spielte, und der Bekannte meinte, alleine sei ihm immer so langweilig, ob ich nicht mitkommen wolle.

Wir standen also hinter dem Tor und schauten den Jungs beim Aufwärmen zu, als plötzlich ein sogenannter Cityflitzer die Einfahrt zum Sportplatz heruntergekachelt kam. Dem Kleinwagen entstiegen drei Mütter, allesamt bekleidet mit Thermojacken und farbenfrohen Mützen. Sie hievten eine Kühlbox aus dem Kofferraum, ließen sich unweit der Trainerbänke nieder und begannen ohne Aufwärmübungen damit, das Geschehen auf dem Rasen lautstark zu kommentieren. Wobei das Interesse der Damen, soviel wurde schnell klar, weniger dem Spiel und seinen dramatischen Auswirkungen auf den Meisterschaftskampf in der Kreisliga B galt, sondern allein dem Wohlergehen ihrer Sprösslinge. Wurde also einer der Söhne in einen Zweikampf verwickelt und ging womöglich sogar in der Hitze des Gefechts zu Boden, sprang das Trio auf und zeterte dreistimmig los. Klares Foul, muss man doch pfeifen, so eine Sauerei, wir kommen da gleich rüber. Am lautesten empörte sich natürlich jeweils die betroffene Mutter, die beiden anderen keiften solidarisch mit, Tonlage: Sabine Töpperwien auf Speed. Stieg hingegen der eigene Nachwuchs überhart ein, johlten die Mütter los, als sei gerade auf dem Betriebsausflug der Landfrauen in den Heidepark Soltau eine neue Runde Kleiner Feigling ausgegeben worden. Fehlpässe schließlich, die beim Fußball nun mal vorkommen, quittierten die Muttis mit dem aufmunternd gemeinten Hinweis: »Das kannst du aber besser, Florian!«

»Suuuper, Oliver!«

Kein Wunder, dass den Söhnen der familieneigene Fanblock sichtlich unangenehm war. Als das Trio wieder einmal einen auch in der D-Jugend durchaus nicht ungewöhnlichen Pass über zwei Meter mit Indianergeheul und dem Ruf: »Suuuper, Oliver!«, bejubelte, entfuhr eben jenem Oliver der entnervte Kommentar: »Lass mal sein, Mama!« Das allerdings ging im allgemeinen Lärm unter. Wenn die Mutter ihm nun noch mit dem Finger (»Spuck mal drauf«) einen Fleck von der Backe gewischt hätte, hätte er sicher angefangen zu weinen. Armer Oliver.

Mein Bekannter starrte entgeistert hinüber: »Das hat es früher aber nicht gegeben!« Ein Satz, eigentlich reserviert für Weltkriegsteilnehmer, gleichwohl nicht ganz unrichtig. Denn in den 80er Jahren waren Frauen auf dem Sportplatz noch ungefähr so selten anzutreffen wie Sozialdemokraten auf dem Jahrestreffen der Sudetendeutschen. Kickte die D-Jugend meines Heimatvereins, dann fanden sich neben dem Trainer stets nur die üblichen Verdächtigen ein. Der Platzwart, ein ausgewiesener Starkstromalkoholiker, der gerne mal hinter der Bande seinen Rausch ausschlief. Zwei bis drei Mitglieder der 1. Mannschaft, die die Zeit zwischen Frühschoppen und Spätschoppen zu überbrücken hatten. Ein Vater, der mit Leidenschaft den Betreuer spielte, großflächige Schürfwunden routiniert mit Eisspray behandelte, aushilfsweise den Linienrichter mimte und, klar, in all den Jahren nicht ein einziges Mal auf Einwurf für den Gegner entschieden hatte. Natürlich schleppte der Vater ein ausgewachsenes Peter-Graf-Syndrom mit sich herum. Da konnte der Sohn beim 9:0 acht Tore gemacht haben, hatte er nur eine Chance leichtfertig vertändelt, wurde er gleich nach dem Schlusspfiff auf die Größe eines Bundeswehrtaschentuchs gefaltet (»So macht das keinen Sinn, Junge!«). Hinzu gesellte sich ein halbes Dutzend Rentner aus den umliegenden Häusern, die ausdruckslos mit Schiebermütze im Gesicht und Zigarette in der Faust aufs Spielfeld starrten und darauf warteten, dass die Gattin ins Fenster trat und den Kochtopf mit den Kartoffeln schwenkte. Die einzige Frau auf dem Gelände war in der Regel die verhärmte Frau des Platzwartes, die alle zehn Minuten graugesichtig aus der Tür der Vereinsgaststätte lugte, ob der Mann schon wieder hinter der Bande schlummerte, und die ansonsten damit beschäftigt war, nach dem morgendlichen Frühschoppen der 1. Mannschaft im Schankraum feucht durchzuwischen.

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