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Der „Traumhüter“ Lars Leese im Gespräch
Zwischen Barnsley und Bergisch Gladbach

Der „Traumhüter“ Lars Leese im Gespräch
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Als ich von der A1 an der Abfahrt Burscheid herunterfahre, verlasse ich das vertraute Terrain. Es geht hoch und runter durch das bergische Land. Neben den Straßen liegt der erste Schnee. An den Ortseingängen weisen große Schilder der Karnevalsgesellschaften auf die „Sessions-Zeiten“ hin, daneben, kleiner und zierlicher, stehen die Tafeln mit den Zeiten der Gottesdienste und der Heiligen Messe. Gottesdienst und Karneval? Willkommen im Rheinischen!

An einer Straßenkreuzung bleibe ich verwundert stehen. Links, so ein Hinweisschild, geht es zum „Märchenwald“, rechts nach Bergisch Gladbach, meinem Ziel. Beides passt zu dem Mann, den ich in der 100.000-Einwohner-Stadt östlich von Köln treffen will: Lars Leese, jener ehemalige Torhüter, der als „Der Traumhüter“ literarischer Held eines modernen Märchens wurde und heute bei Bergisch Gladbach 09 in der Oberliga Nordrhein trainiert. Leeses Aufstieg von der Kreisliga Westerwald bis hin zur englischen Premier League hat der Autor Ronald Reng 2002 zu einem Roman verarbeitet, der zum mit Kritikerlob überhäuftem Bestseller wurde. Die moderne „Aschenputtel-Geschichte des Fußballs“ sprach hunderttausenden Kreisliga- und Freizeitkickern aus dem Herzen. Plötzlich hat es einer „von uns“ bis in die Liverpooler Anfield Road geschafft.

Lars Leese, im Roman erzählen Sie, wie Sie auf Ihren Autofahrten zu den Spielen in der Kreisliga Westerwald immer drei Zigaretten nach einem strikten Ritual geraucht haben. Aus Aberglaube, um das Spiel zu gewinnen. Wie ich sehe, haben Sie das Rauchen noch nicht drangegeben!

(Lacht.) Nein, ganz im Gegenteil. Als Trainer verstärkt sich das noch, weil man den Druck durch das Rauchen kompensiert, was eigentlich völliger Schwachsinn ist. Früher habe ich sogar deutlich weniger geraucht, aber jetzt, um regelrecht gegen den Abstiegskampf in der Oberliga ‚anzustinken’, brauche ich ab und zu eine Zigarettenpause, um etwas herunterzukommen.

„Die Erinnerungen verblassen immer mehr.“ Lars Leese im Vereinsheim von Bergisch-Gladbach 09, November 2007.

Im Roman geben Sie einen Teil Ihres Lebens mit allen Höhen und Tiefen preis. Ist es unangenehm, so eine öffentliche Person zu sein?

Es hält sich bei mir in schönen Grenzen. Ich genieße alle Vorteile eines C-Promis oder Vorstadtstars und habe trotzdem meine Ruhe. Wenn ich mal irgendwo hin möchte, lässt sich das meistens arrangieren, aber ich kann trotzdem ungestört in Köln durch die Straßen schlendern. Es ist ein sehr angenehmer Status. Durch das Buch haben die Leute, die mich treffen, immer das Gefühl, sie kennen mich schon sehr lange, weil sie einen Teil meiner Biografie gelesen haben.

Nutzen die Spieler die Insider-Informationen über die Eskapaden des früheren Spielers Lars Leese nicht aus?

Meine Spieler wissen selbst, was sie machen müssen, um unter die ersten Elf zu kommen. Wenn man freitags einen trinkt und am Sonntag gewinnt, dann ist das egal; verliert man aber, und es kommt heraus, dann gibt es einen auf die Backen. Das war zu meiner aktiven Zeit so und das ist heute auch noch so. Diese Grundregel wird sich wohl im Fußball nicht mehr ändern. Aber das Buch hat bei den Spielern eher dafür gesorgt, dass ich eine hohe Glaubwürdigkeit bekommen habe. Eben weil ich nicht der achtzigfache Nationalspieler bin, der von oben herunter guckt und darüber philosophiert, dass früher alles besser gewesen ist. Letztlich bin ich ein Typ wie sie selbst und habe alle Facetten des Fußballer-Daseins von der Anonymität der Kreisliga bis zum Ruhm der Premier League, vom „Held des Tages“ bis zum aussortierten Spieler auf der Tribüne miterlebt. Meiner Spieler finden das Buch auch deswegen gut, weil es eine Geschichte ist, die mit ein bisschen Glück jedem von den Jungs passieren könnte: Der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort, auf einmal sieht dich jemand und plötzlich spielst du zwei Klassen höher - so groß ist der Unterschied ja nicht.

Prägen die Höhen und Tiefen, die Sie als Spieler erlebt haben, auch den Trainer Lars Leese?

Ich hoffe! Ich habe immer gerne mit Menschen gearbeitet und kameradschaftlich nie in einer Mannschaft Probleme gehabt. Hier in Bergisch Gladbach hatte ich das Glück, zu Beginn einer neuen Phase des Vereins einzusteigen. Das Präsidium hatte sich verändert, und gleich im ersten Jahr sind wir überraschend in die Oberliga Nordrhein aufgestiegen. Das war ein toller Auftakt meiner Trainertätigkeit, aber trotzdem bleibt die Verantwortung, sich ständig weiterzubilden. ‚Torhüter’ ist meines Erachtens fast die ideale Position, um Trainer zu werden. Man hat von hinten mehr oder weniger im ganzen Spiel die Sichtweise des Trainers. Schon zu meiner aktiven Zeit habe ich meine Mannschaft lautstark dirigiert und gestellt. Für mich ist es wichtig, sich mit den Jungs auseinanderzusetzen. Ich weiß von meinen Spielern, was sie im Job machen, ob sie eine Freundin haben und wie ihr ganzes Drumherum aussieht. Ich befasse mich mit dem ganzen Spieler und nicht nur mit dem, der beim Training und sonntags auf dem Platz steht. Ich denke, der Respekt meiner Spieler kommt nicht daher, dass ich eine „Romanfigur“ bin, sondern entsteht aus der Kompetenz, die ich ihnen beim Training und im Spiel vermittele.

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