Will er seine im Iran lebenden Familienangehörigen vor möglichen Repressalien schützen, schließlich verbietet der Iran seit 1979 seinen Staatsbürgern die Einreise nach Israel sowie den sportlichen Wettkampf mit Israelis, oder billigt er gar die Weltanschauung, die Irans Präsident Ahmadinedschad immer wieder dazu bringt, in unerträglicher Art und Weise „das Existenzrecht Israels“ in Frage zu stellen und den Holocaust zu leugnen?
Wie schon so oft, wird man wohl keine eindeutige Antwort bekommen. Längst ist der Konflikt Dejagahs zu einem Politikum geworden: Es geht um das öffentliche „Bashing“ eines millionenschweren Fußball-Talents, um das Kommunikationschaos des DFB, bei dem die anfangs Verantwortlichen Trainer Dieter Eilts und DFB-Sportdirektor Matthias Sammer die Tragweite des Falls wohl vollkommen unterschätzt haben, um die Frage, was es bedeutet, sich für ein Land zu entscheiden, und – wie so oft – um deutsche Geschichte und Gegenwart. Vielleicht etwas viel Ballast für einen 21jährigen Fußballer, dessen Vereinstrainer Felix Magath ihn wohl auch deswegen lieber erst einmal „trainingsfrei“ gegeben hat.
Wie auch immer die persönliche Zukunft des Deutsch-Iraners im Nationaltrikot aussehen wird, so ist sein „Fall“ doch nur ein Beispiel dafür, dass wir längst in der lange geleugneten Migrationsgesellschaft angekommen sind. Auf dem Fußballplatz und Drumherum. Und diese birgt eben viele neue und unerwartete Auseinandersetzungen in sich, denen sich auch der DFB stellen muss. Von daher wäre es vielleicht gut, wenn Scout Urs Siegenthaler den Nationalspielern neben der Unterrichtsstunde in „Landeskunde des Gegners“ ab und an etwas über die Verantwortung vermitteln würde, die sich aus der deutschen Geschichte ergibt. Schließlich sollte die spaßige Nutella-Fraktion auch verstehen, warum Theo Zwanziger unmittelbar nach der Ankunft in Israel in der Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niederlegt hat.
Das Gute daran, wenn man nicht vergisst, wo man herkommt, ist doch: Man kann sich vielleicht besser dafür entscheiden, wo man hin will.
Von Ralf Piorr