Nach dem K.o. am Ende der Verlängerung fiel das Aufstehen schwer. Völlig ausgepumpt und mental ausgebrannt lagen die unglücklichen Sieger von Schalke 04 auf dem Rasen - und wollten nicht ans Morgen denken. "Wir sind am Boden zerstört", gab Torhüter Ralf Fährmann nach dem schmerzhaften Viertelfinal-Aus in der Europa League zu: "Ich hoffe, dass wir das in den nächsten Wochen verdauen können, auch wenn es schwer möglich ist. Heute haben wir die bitterste Seite des Fußballs kennengelernt."
Kapitän Benedikt Höwedes machte nach dem wertlosen 3:2 (2:0, 0:0) nach Verlängerung im Rückspiel gegen Ajax Amsterdam sogar höhere Mächte verantwortlich. "Der Fußballgott ist manchmal ungerecht", sagte der Weltmeister. Auf das Bundesliga-Heimspiel am Sonntag (17.30 Uhr/Sky) gegen RB Leipzig und den schwierigen Endspurt um einen Europacupplatz wollte er noch gar nicht schauen: "Wir sind alle nur Menschen."
Im Zeitraffer hatten die Schalker gegen den niederländischen Rekordmeister noch einmal ihre gesamte Saison durchlebt. Erst unerklärlich schwach beim 0:2 in Amsterdam, dann mit einer Energieleistung, der 3:0-Führung durch die Tore von Leon Goretzka (53.), Guido Burgstaller (56.) und Daniel Caligiuri (101.) sowie der Überzahl nach Gelb-Rot gegen Joel Veltman (80.), die ihnen alle Karten in die Hand spielten. Und am Ende der Niederschlag durch die Treffer von Nick Viergever (111.) und Amin Younes (120.), die den Traum vom erneuten Europapokaltriumph 20 Jahren nach dem UEFA-Cup-Sieg der legendären "Eurofighter" zerstörten.
"Sinnbildlich für die ganze Saison" fand Trainer Markus Weinzierl die Verlängerung, "äußerst bitter, brutal unglücklich". Und für den eingewechselten Torjäger Klaas-Jan Huntelaar war es "typisch für diese Saison, dass noch etwas passiert, wenn wir den Sieg greifen können". In der Bundesliga hatte Schalke trotz des historischen Fehlstarts mit fünf Pleiten schon x-mal die Chance, die Patzer der Konkurrenz zu nutzen und auf einen Europacuprang zu klettern - und versagte jedes Mal.
In der Europa League ist das Scheitern endgültig, in der Bundesliga besteht bei drei Punkten Rückstand auf Platz sieben fünf Runden vor Schluss noch immer die Chance auf ein Happy End. Doch wie sich die Schalker für den Endspurt aufrappeln wollen, wussten die meisten nach dem K.o. selbst nicht. "Wir haben wenig Zeit bis Sonntag", merkte Weinzierl an, "das müssen wir jetzt erstmal verdauen."
Zusätzlich bitter: Einer der Leitwölfe wird wohl ausfallen. Goretzka hatte sich bei einem Zusammenprall mit Ajax-Torhüter Andre Onana den Kiefer ausgerenkt, musste sich in der Halbzeitpause mehrmals übergeben, spielte aber weiter. "Er hat sich durch das Spiel gebissen", lobte Höwedes, "und sogar noch das so wichtige 1:0 gemacht, das uns den Weg geebnet hat." Kurz vor Ende der regulären Spielzeit ging aber nichts mehr, Goretzka musste mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus, kehrte nach dem Spiel aber noch in die Kabine zurück.
Kurz nach Mitternacht hatte zumindest Fährmann seinen Kampfgeist wiedergefunden. "Ich werde mich durch nichts unterkriegen lassen", versprach der Torhüter: "Und wenn einer Zweifel an sich selbst hat, werde ich ihm wieder aufhelfen."