Der Schalker Klub-Leitspruch „Wir leben dich“ ist auf Trainer Markus Weinzierl übergeschwappt. Die anfängliche Zurückhaltung und Distanz, mit der Weinzierl seine Aufgabe bei den Königsblauen begonnen hatte, ist offenbar verflogen.
Weinzierl wirkt mittlerweile sympathisch-locker, zeigt sich nach Heimsiegen volksnah beim Jubeln vor der Fankurve, präsentiert sich humorvoll und bezieht auch zu Themen, die nicht unbedingt in sein Kerngebiet fallen, erfrischend klar Stellung. So sprach sich der 41-Jährige für eine Vertragsverlängerung von Sead Kolasinac aus. „Es ist wichtig, dass wir Seo halten. Am besten schnell“, so Weinzierl.
Beim 3:1 (1:1)-Sieg über Darmstadt es Markus Weinzierl sogar in der explosiven Version. Aus dem meist besonnenen, sachlichen Fußball-Lehrer platzten die Emotionen vulkanartig heraus. Und nicht etwa deswegen, weil er sich über das Ausgleichstor von Sead Kolasinac freute, sondern weil er seine Mannschaft mit deutlichen Zeichen wachrüttelte.
Der Schalker Kaderchef verließ die Coaching Zone, lief einige Schritte auf das Spielfeld und trommelte mit den Fäusten auf seine Brust. Dazu brüllte er einige Sätze in Richtung seiner Profis. Ob Kolasinac & Co. das während des Torjubels inklusive eingespielte Tormelodie überhaupt mitbekamen? Wohl kaum. Weinzierl erzielte zumindest visuell den gewünschten Effekt. „Selbstbewusst auftreten!“ Diese Botschaft kam an. „Ich wollte mit der Geste ausdrücken, dass die Jungs mit breiter Brust spielen sollen und dass wir dem Druck standhalten müssen“, sagt Weinzierl.
Der frühe Rückstand gegen Außenseiter Darmstadt lähmte Schalke einige Minuten. Mit dem Kolasinac-Tor und den Seitenlinien-Signalen des Trainers bekamen die Schalker das Geschehen in den Griff. Weinzierl fand – wie schon beim 1:0 in Wolfsburg – zur Pause die richtigen Worte. Dass der Ex-Ausgsburger in seiner Coaching Zone auch schon mal seine feurige Facette zeigt, gefällt nicht nur den Fans. Sportvorstand Christian Heidel: „Mir ist es zehnmal lieber, wenn ein Trainer rumhüpft, als wenn er wie festgewurzelt steht.“ Der Funktionär schiebt nach: „Die Mannschaft soll spüren, dass ihr Trainer richtig dabei ist.“
Markus Weinzierl hat bei seinem neuen Arbeitgeber das Gröbste bereits überstanden. Wo bei anderen Klubs nach fünf Pleiten schon die Nachfolge-Kandidaten zum Kennenlern-Gespräch eingeladen worden wären, da bekam Weinzierl von Christian Heidel vehement den Rücken gestärkt. Für Heidel ist der Trainer die wichtigste Person im Verein – genau dieses Gefühl vermittelt der Sportvorstand seinem leitenden Angestellten.
Weinzierl, der für rund drei Millionen Euro Ablösesumme aus Augsburg geholt wurde und alleine deswegen schon vor seinem ersten Arbeitstag besonders kritisch beäugt wurde, hat die Königsblauen auf Kurs gebracht. Schalke ist mittlerweile Achter, hat von den letzten sieben Liga-Spielen fünf gewonnen und zwei remis gespielt. Der Rückstand auf Rivale Borussia Dortmund beträgt nur noch vier Zähler.
„Wir wollen uns jetzt bis Weihnachten in eine bessere Situation bringen“, kündigt Weinzierl an. Am kommenden Samstag kann er mit seinem Team zeigen, wie weit Schalke wirklich ist. Dann geht es zu Spitzenreiter RB Leipzig. „Da schauen wir, welche Mannschaft den besseren Lauf hat“, sagt Weinzierl und lässt durchblicken, dass er bei RB mehr will als einen Punkt. Seine Spieler haben die neue Gewinner-Mentalität verinnerlicht. „Wir wollen unsere Siegesserie in Leipzig ausbauen“, so Sead Kolasinac angriffslustig.