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Bayer Leverkusen
"Ich habe Angst, mir Ziele zu setzen"

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Bayer 04 Leverkusen, Christoph Kramer
Bayer 04 Leverkusen, Christoph Kramer Foto: Lars Heidrich
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Christoph Kramer gilt als einer der interessanteren Gesprächspartner unter den Fußballprofis.

Wir trafen den Weltmeister von Bayer Leverkusen zum Exklusiv-Interview in der BayArena und sprachen mit ihm über seine Ziele, soziale Medien und seinen Trainer Roger Schmidt.

Christoph Kramer, mit 25 Jahren haben Sie Beachtliches erreicht. Sie sind Stammspieler bei einem der Topvereine der Bundesliga, Sie sind Nationalspieler und Weltmeister. Da ist die klassische Frage aus jedem Bewerbungsgespräch angebracht: Wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Das ist eine interessante Frage. Hätte man mir die vor fünf Jahren gestellt, dann hätte ich sicher nicht gedacht, dass ich mit 25 hier sitzen würde. Daher ist das immer schwer zu beantworten. In fünf Jahren kann so viel passieren, besonders im schnelllebigen Fußballgeschäft. Deswegen muss man schätzen was man hat und dankbar dafür sein. So banal es klingt, man darf auch nicht vergessen, wo man herkommt und dass man viel Glück auf seinem Weg hatte. Wenn die nächsten fünf Jahre so sind wie die letzten, dann bin ich sehr glücklich.

Was sind Ihre kurzfristigen Ziele? Ich bin ehrlich gesagt nie ein Typ Mensch gewesen, der sich Ziele gesetzt hat. Ich freue mich, dass ich gesund bin und Fußball spielen darf. Ich habe mir im Leben eigentlich noch nie ein Ziel gesetzt und bin damit gut gefahren. Ich kann fast sagen: Ich habe Angst, mir Ziele zu setzen. Deswegen lebe ich einfach ohne eine konkrete Zielsetzung und probiere, immer mein bestes Tennis zu geben. Der Schlüssel zu allem ist es, möglichst viel Spaß auf dem Platz zu haben. Wenn man das hat, dann trainiert man lieber, mehr und intensiver. Dadurch wird man besser und alles andere ergibt sich von selbst.

Ihr Verein hat sich hingegen Ziele gesetzt. Wie wichtig ist das Erreichen der Champions League für Leverkusen? Da müssen wir nicht drüber reden. Das Ziel ist es, auch in der kommenden Saison international zu spielen, am besten natürlich in der Champions League. Und das wollen wir als Mannschaft erreichen. Aber natürlich ist es ein schweres Stück Arbeit. Wir müssen unsere Leistung komplett abrufen, um auch am Ende der Saison im oberen Bereich der Tabelle zu stehen.

Glauben Sie, dass Bayer Leverkusen Titelchancen in der Europa League hat? Ich würde uns nicht unbedingt als Titelfavoriten bezeichnen, aber man hat immer Chancen und wir wollen weit kommen. Es ist ein richtig interessanter Wettbewerb. Mit Tottenham und Dortmund treffen aus meiner Sicht die beiden Favoriten aufeinander. Bei Manchester United gegen Liverpool kommt auch nur einer weiter. Wir haben mit Villarreal eine schwere Aufgabe vor uns. Das ist vielleicht kein großer Name, aber eine sehr gute Mannschaft: die sind klarer Vierter in Spanien! Aber auch Sporting Lissabon war eine echte Hausnummer, die musste man erst mal packen. Wenn wir uns jetzt gegen Villarreal durchsetzen könnten, wären wir schon im Viertelfinale.

Zuletzt mussten Sie zweimal ohne Ihren gesperrten Trainer Roger Schmidt antreten. War das ungewohnt? Für mich persönlich hat es keinen großen Unterschied gemacht, da die Vorbereitung auf das Spiel in gewohnter Form ablief. Während der 90 Minuten hat es ein Trainer ohnehin schwer, die Spieler auf dem Platz zu erreichen. In der Pause ist das vielleicht etwas anderes. Aber wir sollten die Niederlage nicht darauf schieben. Das haben wir selbst verbockt.

Was ist Ihre Meinung zur Sperre des Trainers? Er selbst und der Verein haben die Sperre ja akzeptiert, das muss dann auch für uns Spieler gelten. Auf beiden Seiten ist nicht alles perfekt gelaufen. Grundsätzlich geht es jetzt darum, mit der Situation vernünftig umzugehen. Sie ewig zu diskutieren, bringt niemandem etwas.

Ist Roger Schmidt grundsätzlich ein impulsiver Typ, oder ist er in der Kabine ganz anders als am Rand eines Spiels? Wenn man den Sport liebt – und das tut er – dann ist man schon mal emotional und impulsiv. Klar ist er auch in der Kabine mal laut, aber ich finde das eigentlich gut und es gehört auch dazu.

Ist es für Sie nervig, wie groß die Wellen sind, die so eine Aktion wie die von Roger Schmidt schlägt? Ich wollte es ja nicht mehr diskutieren. Also ist es auch klar, dass derartige Begleitumstände, die ganzen Fragen manchmal nervig sind. Aber ich bin weit weg davon, mich darüber zu beschweren. Der Fußball ist in den letzten Jahren noch mehr in den Fokus der Menschen gerückt. Dass das Interesse so groß ist, hat für uns alle ja auch Vorteile. Ich finde, wir sollten uns in unserem Geschäft, bei unserem privilegierten Leben nicht über solche Sachen beschweren.

Sie selbst haben bereits einen Shitstorm ertragen müssen, als Sie den Profifußball mit Menschenhandel verglichen haben. Wie denken Sie rückblickend darüber? Jeder, der mich kennt, weiß das richtig einzuschätzen. Es ist eben heutzutage so, dass aus vielen Dingen eine Geschichte gemacht wird, wenn ein bisschen Zündstoff dabei ist. Das kann man nicht ändern, das ist einfach so. Journalisten machen auch nur ihre Arbeit und wollen tolle Überschriften und Themen kreieren, damit es viele Klicks im Internet gibt oder viele Menschen die Zeitung kaufen. Man muss das als Spieler abhaken, daraus lernen und es beim nächsten Mal einfach besser machen.

Es ist auffällig, dass Sie in den sozialen Medien kaum aktiv sind. Sie haben kein Profil bei Facebook oder Twitter. Bei Instagram veröffentlichen Sie nur selten ein Bild. Warum? Mir gibt das nicht so viel. Es gibt ja Menschen, die sich fast schon darüber definieren und einen richtigen Zwang entwickeln, regelmäßig etwas zu posten. Ich habe nichts dagegen, aber mir ist das relativ egal. Ich muss das nicht machen.

Sie gelten als selbstkritischer Typ und sind zu Saisonbeginn hart mit sich selbst ins Gericht gegangen. Wie zufrieden sind Sie aktuell mit Ihren Leistungen? Natürlich ist noch Luft nach oben, aber ich denke, es hat sich etwas stabilisiert. Mit meinem Rückrundenstart bin ich ganz zufrieden, mehr nicht – aber weniger auch nicht.

Wie gut schätzen Sie Ihre Chancen auf eine Teilnahme an der Europameisterschaft im Sommer ein? Ich weiß meine Rolle ganz realistisch einzuschätzen. Ich habe auf meiner Position starke Konkurrenz und weiß, wer vor mir ist. Ich muss mich irgendwo hinter Gündogan, Schweinsteiger, Khedira und Kroos einreihen und das ist auch okay. Es ist immer eine große Ehre, für Deutschland zu spielen. Das ist für mich nicht selbstverständlich. Ich freue mich immer, wenn ich eingeladen werden und mal ein paar Minütchen spielen darf.

Gibt es in der Nationalelf im Moment keine Position mit einer größeren Konkurrenz? Ich denke, im Mittelfeld ist schon ordentlich Qualität vorhanden. (lacht)

Sehen Sie Deutschland noch als Favorit an, nachdem die Mannschaft mit Lahm, Mertesacker und Klose wichtige Spieler verloren hat? Deutschland war bei den letzten Turnieren immer im Halbfinale. Und als Weltmeister gehört man zwangsläufig zu den Favoriten.

Bei der Weltmeisterschaft 2014 hatten Sie drei kurze Einsätze. Wie wichtig wäre es für Sie, einen Titel als Stammspieler zu holen? Ich fände es unglaublich schön, aber wichtig ist es mir nicht.

Verfolgen Sie noch die Entwicklung Ihres Ex-Vereins VfL Bochum? Ja. Mich freut es enorm, dass es so gut läuft. Ich hoffe, dass Bochum irgendwie an Rang drei knabbern kann. Ich habe gedacht, St. Pauli stolpert mal in Duisburg, aber leider ist das auch nicht passiert. Es wird nicht einfach für den VfL, aber ich glaube, Bochum ist in dieser Saison sehr gefestigt und wird nicht mehr so viele Punkte liegenlassen.

Also glauben Sie, dass der VfL schon in dieser Saison den Aufstieg packen kann? Ich wünsche es ihnen sehr.

Mit Borussia Mönchengladbach hat ein anderer Ex-Verein von Ihnen ein großes Auf und Ab hinter sich. Hat Sie die schwache Anfangsphase der Gladbacher in dieser Saison überrascht? Das ist ja immer temporär. Einmal verlierst du in Dortmund, dann verlierst du unglücklich zuhause gegen Mainz und stehst mit dem Rücken zur Wand. Da wird dann von außen viel Feuer entfacht, wo eigentlich keines war. Ich fand das für Lucien Favre extrem schade. Sein Rücktritt hat mich überrascht.

Im Moment kämpfen Sie mit Gladbach um die internationalen Plätze. Wer spielt nächstes Jahr Champions League: Gladbach, Leverkusen, oder beide? Ich würde es logischerweise beiden gönnen. Uns aber natürlich Platz drei. Gladbach soll sich über die Play-Offs qualifizieren. Ich denke, dass es bis zum Ende spannend bleiben wird. Hertha BSC ist ja auch noch da, oder Schalke. Wenn man zwei Spiele am Stück gewinnt oder verliert, geht es schnell hoch oder eben runter. Zwischen Platz zwölf und Platz drei ist noch so gut wie alles möglich. Es kommt auf jeden Punkt an.

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