Das wurde bei der Informationsveranstaltung am Samstag in der Gelsenkirchener Flora deutlich. Der Schalker Supportersclub, die Ultras GE und die Fan-Ini hatten geladen und etwa 100 Mitglieder waren gekommen, um sich ein Bild zu machen und das Quartett mit Fragen zu löchern.
Den größten Eindruck hatte vielleicht Thomas Wiese hinterlassen, wortgewaltiger Selfmade-Man aus Unna. Der gelernte Schlosser wurde einst zum Unternehmer, weil er nicht akzeptieren wollte, dass die Eigentümer die Schließung seines Fertigungsbetriebes für Präzisionsrohre planten. Der 48-Jährige verfügt über Betriebsrats-Erfahrung ohne Ende und präsentierte sich passenderweise als Kämpfer für die Kleinen – gegen die Großen. „Ich glaube jedoch nicht, dass jetzt alles gut wird, nur weil da zwei Neue kommen“, sagte der Unnaer mit Blick auf die Mitgliederversammlung in einer Woche.
Fest steht indes, dass egal welche der vier Kandidaten nun den Sprung ins Gremium schaffen, es dann zwei Vertreter geben wird, die die Sprache der Fans und Mitglieder sprechen. So verdeutlichte Stefan Blaschak in seinem Vortrag, dass er die Professionalität und den Zusammenhalt im Verein voranbringen will. „Für welches Spielsystem stehen wir? Wie refinanzieren wir die 60-Millionen-Euro-Anleihe? Was ist die strategische Ausrichtung des Vereins? Was für eine Ausgaben-Strategie verfolgen wir? Wir haben einen 100 Millionen Euro teuren Spieleretat! Mein Gott, was soll das denn? Wer steht dafür eigentlich gerade?“, sprach der Privatier den Anwesenden aus der Seele.
Blaschaks Eigenwerbung funktionierte auch deshalb, weil er gekonnt die emotionale Karte spielte. „In der Nordkurve zählt nicht, wie tief deine Taschen sind. Ich würde mir wünschen, dass sich einige Verantwortliche auch mal in den Block 4 stellen und sich mitreißen lassen, wenn sie auf der Suche nach Orientierung sind“, appellierte der Polsumer an das Schalker Herz, das angeblich ja auch die Schlipsträger besitzen sollen. „Ich bin bereit zu streiten“, kündigte der ehemalige Geschäftsführer börsennotierter Unternehmen allerdings auch an.
Ich bin bereit zu streiten
AR-Kandidat Stefan Blaschak
Die meisten Kommentare in dieser Richtung zielten auf den Vorsitzenden. „Ein Aufsichtsrat ist nicht dafür da, um im Blitzlichtgewitter zu stehen“, meinte Andreas Horn, selbstständiger Arzt und ebenfalls Anwärter auf einen Sitz im Kontrollgremium. Der Heidelberger will das Schalker Leitbild „endlich mit Leben füllen“ und verhindern, dass sich Vereinsspitze und Mitglieder noch einmal so auseinander dividieren lassen, wie einst in der Viagogo-Debatte.
Mit „ViaNOgo“ fing alles an
2013 war es zum großen Knall auf Schalke gekommen, seitdem ist die Vereinspolitik ein großes Thema unter den Fans. In zahlreichen Foren geht es nicht mehr nur darum, ob der Trainer noch der richtige ist oder ob man für einen Spieler wie Sami Khedira tatsächlich ein 40-Millionen-Paket schnüren sollte, sondern auch um Preispolitik, Kritik am Hauptsponsor oder die komplizierte Vereins- und Satzungsstruktur.
Die droht aufgrund nötiger Kompromisse immer unübersichtlicher zu werden, neue Einrichtungen wie die Satzungskommission oder der Wahlausschuss sind aber im Grunde erfreuliche Resultate dieser Initiativen, denn sie sind demokratische Elemente. Ergebnis ist auch, dass alle vier zugelassen Kandidaten im weitesten Sinne der „Opposition“ zuzurechnen sind. Der Satz „Eine Ausgliederung oder Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft wird es mit mir nicht geben“, war so oder ähnlich von allen Anwärtern zu hören. „Wir müssen dem Vorstand und Clemens Tönnies klarmachen, dass wir die Eigentümer des Vereins sind und dass wir bestimmen, was auf Schalke passiert“, formulierte Ludger Wibbeke kämpferisch. Es scheint sich so etwas wie ein Schalker Frühling anzubahnen.