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Eine Konferenzschaltung
Wo bitte geht es zum Derby?

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Der Herzschlag pocht im Ballfieber: Samstag, 12. Mai 2007, der 33. Spieltag der Fußball-Bundesliga. Die Vorentscheidung im Meisterschaftskampf steht an und mitten drin das Revier. In Dortmund über 80.000 Zuschauer, in Bochum 32.000 Fans und über 60.000 Gläubige in der Arena auf Schalke. „Drei Ecken, Ein Elfer“ ist unterwegs und berichtet in einer Konferenzschaltung aus Dortmund, Bochum und Gelsenkirchen. Über Fußball, Fans und ganz und gar Nebensächliches.

12:30 – Herne, Bahnhof. Das Wetter bestimmt den Takt des Tages: Böiger Wind, prasselnde Schauer, dunkle Wolken und ab und an ein bisschen Sonnenschein. Dortmunder und Schalker Fans warten auf ihre S-Bahn in dieser Stadt dazwischen. Rivalitäten kommen nicht auf. „Für uns ist das Spiel die Chance, eine verkorkste Saison mit einem positiven Gefühl zu beenden“, erzählt Dieter K., denn alles darf passieren, nur eins nicht: „Die Schalker Meisterschaftsfeier im Westfalenstadion!“

Dortmund, 13.07 Uhr.

13:07 – Dortmund, Bahnhof. „Bee-Vau-Bee – Hurensöhne“, schallt es durch die Stadt. 8.000 Schalker Fans marschieren siegesgewiss in Richtung Stadion. Es ist eine Wallfahrt, und für den Erzrivalen bleibt nur Hohn und Spott. Aber in die ehrfurchtsgebietende Atmosphäre mischen sich auch skeptische Stimmen. „Ausgerechnet in Dortmund“, hadert ein Fan aus dem Münsterland, „ich würde sogar lieber bei den Bayern spielen, als das entscheidende Spiel um die Meisterschaft hier zu verlieren“, orakelt er weiter. Die Zweifel sind da, aber nur inoffiziell, tief unten im blau-weißen Herz.

13:30 – Dortmund, Königswall. „Von Fußball kann ich nicht leben“, winkt W. ab, der seit Jahren obdachlos ist und auf der Straße lebt. Was das Derby ihm bringt, sind jede Menge leerer Bierflaschen, die entlang des Königswalls von den Schalkern zurückgelassen wurden: Pfandgeld. „Scheiß Fußball“, ereifert W. sichweiter, „ihr solltet mal über was wichtiges schreiben. Ich bin beklaut worden, lebe von zehn Euro in der Woche, aber das interessiert euch nicht. Da berichtet ihr lieber über Millionäre.“ In seinem Einkaufswagen sucht er nach Fotokopien, die seine Herkunft beweisen. „Ich gehöre zu den politisch Verfolgten in diesem Land“, setzt er erneut an, winkt dann aber resigniert ab. Anscheinend führt er das Zwiegespräch eher mit sich selbst. „Ach lass ma. Komm lieber wieda, wenn es nich um Fußball geht“, sagt er, und ich höre ihn noch schimpfen, während er bereits über zwanzig Meter entfernt ist.

14:20 – Dortmund, Fußgängerzone. Hubertus aus Münster und Markus aus Erfurt versorgen sich noch schnell mit weiteren Fan-Utensilien. Beide kommen ursprünglich aus dem Ruhrgebiet und treffen sich zu den Spielen. „Wir haben 2001 noch nicht verdaut“, erinnert sich Hubertus und flieht in blanken Fatalismus: „Schalke Fan sein, heißt Leiden lernen.“ Sie haben Karten für das Spiel, wollen aber erst Shoppen. Den Dortmunder Einzelhandel wird es freuen. „Auch Schalker Geld stinkt nicht“, grinst ein Würstchenverkäufer in der Fußgängerzone.

Dortmund Innenstadt, 14.34 Uhr

14:34 – Dortmund, Karstadt. „Jesus rettet!“, prangt in großen Lettern auf dem Schild, das von einer kleinen Frau getragen wird. „Das Wichtigste, das Wichtigste“, spricht sich vor sich hin du bemüht sich um Aufmerksamkeit. Ob Sie eine Meinung zum Fußballspiel haben würde, frage ich sie. „Junger Mann“, antwortet sie und schaut mich streng an, „es geht hier um Ihr Seelenheil!“ – „Hmmh, beim Fußball doch auch“, gebe ich höflich zurück und entziehe mich schnell dem weiteren Gespräch. Gott bestraft meine Sünde sofort, und ein heftiger Regenschauer setzt ein. Klitschnass komme ich beim Auto an. Hätte ich bloß die Schnauze gehalten.

15.03 – Veltins-Arena, Innenraum. Der Stadionsprecher begrüßt 61.780 Zuschauer und weißt daraufhin, dass die nächsten zweieinhalb Stunden „nichts für Schwangere und Herzkranke“ werden. Dort, wo sonst der Schalker Rasen liegt, ist eine achteckige Bühne errichtet worden. Zwischen den Bierständen und Dixie-Toiletten tummeln sich die Fans. Mindestens so viele wie in der Nordkurve wollen das Spiel aus dem Innenraum verfolgen und singen wahlweise „Königsblauer S04“ oder applaudieren den „Florians“, die den musikalischen Rahmen bilden. Frenetischer Jubel braust auf, als wenig später die ersten Bilder aus Dortmund über die Leinwände flackern und S04-Trainer Mirko Slomka Grüße nach Gelsenkirchen schickt.

15.40 – Dortmund, Subrosa. Die Kneipe ist überfüllt. Selbst die zwei Fernseher und die große Leinwand reichen nicht aus, um allen Gästen freie Sicht zu gewähren. Hier im Dortmunder Hafen regiert der BVB. „Die Kneipe ist bei jedem Derby voll, und ich verstehe den ganzen Heckmeck eh’ nicht“, kommentiert der Wirt, ein BVB-Urgestein, lakonisch. Seine Distanz ist überraschend, aber schließlich geht es für seinen Verein nur noch darum, den Nachbarn zu ärgern. Und das sind für jemanden, der die BVB-Zittersaison rational betrachtet, doch eher magere Ziele. Zum Fernsehgucken komm er nicht. „Auch das ist normal“, sagt er gelassen und zapft ein neues Pils. „Cool“ ist das Wort für ihn. Lesen Sie weiter auf Seite 2

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