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Einspruch gegen Disqualifikation wird verhandelt
DBS-Präsident Haak: „Es besteht Klärungsbedarf“

Einspruch gegen Disqualifikation wird verhandelt
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Am morgigen Donnerstag wird das Exekutivkomitee des Weltverbandes der Sportler mit geistiger Behinderung (INAS-FID) den Einspruch gegen die nachträgliche Disqualifikation der deutschen Fußballnationalmannschaft verhandeln. Der dritte Platz bei der WM 2006 im eigenen Land war den Kickern um Coach Willi Breuer im November aberkannt worden. Als Gründe wurden vom Weltverband formale Fehler sowie nicht anerkannte diagnostische Testverfahren in der Beurteilung einer geistigen Behinderung bei deutschen Athleten angeführt.

Der deutsche Behindertensport-Verband (DBS) entsendet mit Präsident Karl Hermann Haak und Vizepräsident Lutz Worms die Führungsspitze zur Anhörung nach Tunesien. Vor seiner Abreise nach Tunis sprach RevierSport-Partner FUBA-NET mit Haak über die aktuelle Situation, die Strategie des DBS und Zukunftsperspektiven.

RevierSport online: Herr Haak, der morgige Tag ist richtungweisend für den leistungsorientierten Wettkampfsport von Menschen mit geistiger Behinderung in Deutschland. Unter welchen Vorzeichen reisen Sie nach Tunesien?

Karl Hermann Haak: Die Situation ist nicht einfach. Der Weltverband ist auf zahlreiche Anfragen und Eingaben von unserer Seite im Vorfeld nicht eingegangen. Diese Vorgehensweise ist nicht nachvollziehbar.

RevierSport online: Im Raum stehen formale Fehler sowie falsche Registrierungsunterlagen. Inwiefern können diese Vorwürfe entkräftet werden?

Haak: Die formalen Fehler sind vom Tisch. Diese bezogen sich auf Fristen, die unter anderem auch von Nordirland, Mexiko, Ungarn, Südafrika, Frankreich und dem Weltmeister Saudi-Arabien nicht eingehalten wurden. Eine Verlängerung auf den 15. Dezember 2006 wurde nun eingehalten. Dies ist nicht mehr Gegenstand der Verhandlung. Gravierender ist der Hauptgrund der Disqualifikation. INAS sieht unseren Einsatz der Test- und Diagnoseverfahren als nicht ausreichenden Nachweis der vorliegenden Behinderung unserer Athleten. Dies ist aus unserer Sicht völlig abwegig.

RevierSport online: Haben die deutschen Psychologen nicht zugelassene Verfahren angewendet?

Haak: Aus unserer Sicht ist dies natürlich nicht der Fall. Wir haben uns an das Regelwerk des Weltverbandes gehalten. INAS gibt Beispiele aber keine normierten Verfahren vor. Eine regionale und wissenschaftliche Kongruenz muss gewährleistet sein. Dies haben wir getan. Nach Prüfung unserer Testverfahren verweist INAS plötzlich und ausschließlich auf englischsprachige Instrumentarien. Diese sind aber nicht ohne weiteres auf den deutschsprachigen Raum übertragbar. Die aus wissenschaftlicher Sicht für Deutschland normierten Tests wurden durch die Fachleute des Weltverbandes nicht akzeptiert. Wir fordern nun absolute Transparenz und die Offenlegung sowie den Vergleich aller Daten und Kriterien durch die INAS, auch in Bezug auf die anderen WM-Teilnehmer.

RevierSport online: Wie werden Sie vorgehen, wenn die Forderungen nicht gehört werden und die Disqualifikation bestehen bleibt?

Haak: Wir werden in diesem Fall den internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne anrufen, um eine neutrale Beurteilung aller erhobenen Tests aller Teilnehmer zu erwirken. Davon unabhängig muss man allerdings konstatieren, dass ohnehin grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Es handelt sich um ein Sportpolitikum, dessen Wurzeln im wissenschaftlichen Bereich liegen.

RevierSport online: Sie sprechen die seit Jahrzehnten bestehende Diskussion über eine einheitliche Definition von geistiger Behinderung an?

Haak: Sie sagen es. Schauen Sie, die Diskrepanz ist an einem einfachen Beispiel festzumachen: Wenn in einem Testverfahren das Verhalten einer Person mit Migrationshintergrund in einer potentiellen Konfliktsituation beurteilt werden soll, muss man differenzieren, ob Sozialisationsgründe oder Defizite der geistigen Entwicklung die Hauptrolle spielen. Dies ist aber kompliziert und bedarf einer breiten Analyse des gesamten sozialen Umfeldes. Interviews und Sprachtests müssen in eine Bewertung mit einfließen. Moderne Tests berücksichtigen dies. Wir orientieren uns daran und verfahren nicht nach Schema F.

RevierSport online: Wie kann es denn überhaupt im Geistigbehindertensport weitergehen. Haben Sie konkrete Vorstellungen?

Haak: Es ist ein Unding, dass Menschen mit einer geistigen Behinderung grundsätzlich von den paralympischen Spielen ausgeschlossen sind. Diese Menschen werden pauschal diskrediert. Offensichtlich schafft es auch ein Weltverband wie INAS nicht, hier für Transparenz und klare Regelungen zu sorgen. Es besteht ein großer Handlungsbedarf. Aus diesem Grunde habe ich mit meiner Nachfolgerin im Amt des Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Karin Evers-Mayer, beschlossen, eine internationale Konferenz zu diesem Thema zu planen.

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