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BOCHUM: Gestärkt aus Schockerlebnissen / Psychologe Neururer

BOCHUM: Gestärkt aus Schockerlebnissen / Psychologe Neururer
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Die letzten Wochen sind bestimmt nicht spurlos am VfL Bochum und Chef-Trainer Peter Neururer vorbeigegangen. Erst das bittere Aus im DFB-Pokal beim SC Freiburg (2:3 n.V.), gefolgt von der Bundesliga-Heimniederlage gegen Double-Gewinner Werder Bremen (1:4) und im negativen Sinne noch getoppt vom dramatischen Ausscheiden im UEFA-Cup durch ein 1:1 gegen Standard Lüttich.

Die letzten Wochen sind bestimmt nicht spurlos am VfL Bochum und Chef-Trainer Peter Neururer vorbeigegangen. Erst das bittere Aus im DFB-Pokal beim SC Freiburg (2:3 n.V.), gefolgt von der Bundesliga-Heimniederlage gegen Double-Gewinner Werder Bremen (1:4) und im negativen Sinne noch getoppt vom dramatischen Ausscheiden im UEFA-Cup durch ein 1:1 gegen Standard Lüttich. Danach reichte auch eine kämpferisch und spielerisch mehr als ordentliche Leistung auf Schalke nicht mehr zum Punktgewinn (2:3). Nein, viel zu lachen gab es nicht für Neururer, doch im Interview mit RevierSport spricht der VfL-Coach über die Moral und Stärke seiner Mannschaft sowie die positiven Lehren aus den letzten Partien.

Peter Neururer, nach den letzten Horrorwochen, wie ist die Stimmungslage beim VfL? Sehr gut, weil wir in den vergangenen Spielen gesehen haben, dass wir über eine funktionierende Truppe verfügen. Trotz der Schockerlebnisse haben wir uns auf Schalke in der zweiten Hälfte ganz stark präsentiert, jede Mannschaft, die nicht intakt ist, verliert so eine Partie vier oder fünf zu Null. Deshalb ist die Stimmung auch hervorragend, das hat sich nach etwa 20 Minuten auf Schalke eingestellt, leider stand es da schon 0:2 gegen uns.

Wie war so ein Kraftakt physisch und psychisch überhaupt möglich? Was sagt man als Trainer in der Kabine? Es war natürlich ein Schock für mich, mit einem 0:3 in die Halbzeit zu gehen. Jeder kennt ja meine Herkunft, deshalb sind Spiele in der Arena etwas ganz Besonderes für mich. Aber ich glaube, dass ich noch nie so ruhig in der Pausenbesprechung war. Ich habe nicht mit der Mannschaft, sondern mit jedem einzelnen Spieler gesprochen, so leise, dass es der Nebenmann kaum hören konnte. Es ging dabei um die taktischen Veränderungen für die zweite Hälfte, dass die mit dem frühen Tor sofort greifen, war natürlich auch Glück.

Drei Treffer sind dennoch kaum aufzuholen... ...so ein Rückstand darf natürlich nie und nimmer passieren. Wir haben ja nach dem 0:2 das Geschehen schon beherrscht. Trotzdem ist aus einer Ecke für uns dann noch das dritte Gegentor gefallen. Es war ganz klar auch eine tolle Leistung von Gerald Asamoah, aber unser Defensivverhalten war einfach schwach. Ein Fehler kann immer passieren, aber dass gleich drei Spieler von uns patzen und praktisch nicht eingreifen, das geht nicht. Hängen geblieben aber ist trotz der Niederlage, wie sich die Mannschaft gegen die drohende Klatsche gewehrt hat.

Das war in den Pokalspielen in Freiburg und gerade gegen Lüttich ja gar nicht erst möglich, ist die Enttäuschung daher noch größer? Natürlich, Gegentore in letzter Minute sind einfach brutal. Den Spielern ist in beiden Fällen kein Vorwurf zu machen. In Freiburg konnten wir nicht mehr reagieren, da ich dies schon vor dem späten Treffer gemacht habe. Und gegen Lüttich war gar keine Möglichkeit mehr, das Spiel noch irgendwie zu drehen. Wir hatten eine riesengroße Chance, die haben wir nicht verspielt, sondern die wurde uns genommen.

Wie bauen Sie nach dem "Lüttich-Fehltritt" vor dem Gegentor den jungen Edu wieder auf? Ich habe ihn bewusst aus dem Kader für das Schalke-Spiel gestrichen, denn dort hätte Edu von Beginn an im Fokus gestanden, allein zu seinem Schutz war dieser Schritt notwendig. Unter der Woche ist er mit den Amateuren zur Nachwuchsrunde nach Genk gefahren, wo er eine großartige Leistung geboten hat. Jetzt kann er auch schon wieder lachen.

Sie sind ein bekanntermaßen auch abergläubischer Trainer, haben Sie nicht vor der Einwechslung von Edu an die Szene aus dem DFB-Pokal gedacht? Das war doch eine ganz andere Geschichte. Er hat erst einen Fehler gemacht, das war in Freiburg, als er geschlafen hat. Natürlich zerreißen sich die Fachleuten nach so einer Szene, fragen, warum hat er denn ausgerechnet den eingewechselt hat. Ich wollte eigentlich gar nicht auswechseln, aber Tommy Bechmann und auch Dariusz Wosz waren völlig platt, die hatten schon signalisiert, dass sie nicht mehr können. Wenn ich das ignoriere, dann machen genau die Spieler den entscheidenden Fehler, dann bist Du als Trainer der Dumme.

Was sprach in dieser Situation für Edu? Es war doch klar, dass Lüttich mit hohen Bällen operiert und auf Standards spekuliert, deshalb brauchten wir einen kopfballstarken Spieler und Edu ist einer der kopfballstärksten überhaupt. Dass er dann über den Ball tritt, ist passiert. Hinzu kommt, dass der Torschütze Curbelo in der ganzen Zeit, in der wir ihn beobachtet haben, nicht einmal einen Ball mit links überhaupt getroffen hat, ausgerechnet da erwischt er ihn perfekt. Das ist fußballerischer Fatalismus, da spürst Du an der Seitenlinie die absolute Ohnmacht des Trainers.

Denkt man nach so einer Szene überhaupt noch was? Die zwei Minuten, in denen der Ball über mehrere Stationen zu Edu kam bis hin zum Tor, waren für mich wie ein zweistündiger Spielfilm. Danach musste ich zum Interview mit Wolf-Dieter Poschmann, keine Ahnung, was ich gefragt wurde oder warum es da ging. Da herrschte einfach völlige Leere.

Das Ausscheiden ist umso ärgerlicher, wenn man bedenkt, dass sich der Verein auf einen Schlag fast aller Verbindlichkeiten entledigt hätte. Welcher Verein, außer Bayern München, kann das schon von sich behaupten? Aber trotzdem ist das Aus finanziell kein Genickbruch, denn wir haben ja nicht, wie andere Clubs, mit den Einnahmen schon im Vorfeld spekuliert. Aber wenn man sich die Auslosung der Gruppen anguckt, wäre auch für uns ein Weiterkommen durchaus realistisch gewesen. Das schmerzt schon sehr.

Können die vielen Sympathie-Bekundungen diese Pein zumindest etwas lindern? Der Zuspruch, den wir seit dem Lüttich-Spiel erfahren haben, ist wirklich enorm. Beim Zweitligaspiel in Ahlen kamen sofort Boris Becker oder auch Ralf Möller auf mich zu und haben mir ihr Mitgefühl ausgedrückt. Ich denke, dass wir die Bundesliga hervorragend vertreten und einen Image-Gewinn erreicht haben. Dennoch wird das Unglück durch das geteilte Leid nicht kleiner.

Der bisherige Saisonverlauf, sieben Punkte und Rang 14, verlief auch nicht immer glücklich. Wir haben nur in Bielefeld ein richtig schlechtes Match gemacht, und das haben wir gewonnen. Ansonsten haben wir gezeigt, dass wir Fußball spielen können, vor allem auch, dass wir in der Lage sind, verletzte Akteure zu ersetzen. Gegen Dortmund und Leverkusen haben wir einen Sieg nur knapp verpasst, ich denke da an unglückliche Gegentore, aber auch Schiedsrichter-Entscheidungen. Hätten wir diese Zähler mehr auf dem Konto, würden wir glänzend dastehen. Aber auch so ist in der Tabelle ja noch alles ganz eng zusammen. Dass trotzdem nicht alles schlecht ist, zeigt auch, dass eben Teams wie Bayer oder der BVB ein Remis im Ruhrstadion wie einen Sieg feiern. Mittlerweile werden wir von den Gegnern ganz anders wahrgenommen.

Vor der Saison haben sie von einem Umbruch auf hohem Niveau gesprochen und Geduld von Fans und Umfeld eingefordert. Diese ist sicher auch bei der Neuformierung der Abwehr nötig, bislang gab es immerhin schon 15 Gegentore. Die Fehler in der Abstimmung nach hinten sind doch absolut erklärbar. Durch die Einbindung der Neuzugänge und auch die Verletzungssorgen mussten wir uns immer wieder auf neue Situationen einstellen und auf Veränderungen reagieren. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg waren wir eine der Mannschaften mit den meisten Gegentoren, in der letzten Saison mit den wenigsten. Die Defensive musste sich erst finden, so ist das auch jetzt. Allerdings haben sich alle Neuzugänge ganz fantastisch integriert.

Dennoch steht ein Vratislav Lokvenc in der Kritik. Das ist für mich absolut inakzeptabel und völlig falsch. Keiner weiß so gut, wie wichtig er für die Mannschaft ist, wie ich und seine Mitspieler. Er muss nicht permanent auf der Anzeigetafel erscheinen, um so beweisen, welche Klasse er hat. Ich sehe doch in den Trainingsspielen, welche Funktionen er erfüllt. Außerdem ist es auch für Vratislav schwierig, wenn Sturmpartner wie Peter Madsen oder Momo Diabang ausfallen.

Kann es auch sein, dass er zu sehr mit seinem Vorgänger Vahid Hashemian verglichen wird? Das geht doch gar nicht. Er kann nicht der Nachfolger von Vahid sein, genauso wenig, wie Vahid seinen Part spielen könnte. Das sind zwei völlig unterschiedliche Spieler. Nochmals, ich bin mit allen Neuzugängen vollkommen zufrieden.

Trotz der Misserfolge in den letzten Spielen ragten vor allem Tommy Bechmann und Zvjezdan Misimovic heraus. Tommy hatte ja noch gar keine Bundesligaerfahrung und sollte erst Mal langsam aufgebaut werden. Durch die schon angesprochenen Verletzungen wurde er ins kalte Wasser geworfen und hat, genauso wie ein Filip Trojan, gezeigt, dass er über die nötige Klasse verfügt. "Zwetschge" Misimovic ist ein ganz herausragender Fußballer, der allerdings auf einer Position spielt, die ein absolut herausragender Dariusz Wosz einnimmt...

...der sich für den VfL als unentbehrlich erweist. Dariusz ist einfach der Wahnsinn. Zu Beginn der letzten Saison war er verletzt und hatte dadurch Schwierigkeiten, aber er hat sich zurückgemeldet und glänzt wieder.

Das will auch ihr Team im nächsten, schwierigen Heimspiel gegen Rostock, aber eine normale Vorbereitung ist zur Zeit unmöglich. Das ist ganz großer Mist. Unsere Nationalspieler sind auf Länderspielreisen, dazu kommen noch die angeschlagenen Akteure, die momentan fehlen. Ich habe den kompletten Kader erst am Freitag, also einen Tag vor dem Spiel, wieder zusammen. Da kann ich nur hoffen, dass wenigstens alle gesund in Bochum ankommen.

Dabei wären Sie jetzt sicher auch als Psychologe gefragt. Ja, gerade die Auswahl-Akteure geraten von einer psychischen Belastung in die nächste. Das ist mehr als unglücklich.

Und Hansa Rostock ist gerade im Ruhrstadion als harter Brocken bekannt. Hansa ist bestimmt nicht unser Lieblingsgegner, das haben schon die vergangenen zwei Spiele gezeigt. Aber im Moment ist es mir völlig egal, wer zu uns an die Castroper Straße reist, die Leistung muss stimmen. Wichtig ist aber auch, dass die Fans hinter uns stehen und die Euphorie beibehalten. Seit dem Aufstieg ging es nur nach oben, jetzt ist auch das Umfeld gefragt. Wir sind ja nicht abgerutscht, sondern atmen nur mal kurz durch. Ich hoffe, dass das Stadion am Samstag voll ist, denn jeder, der nicht kommt, sollte sich fragen, ob die Mannschaft das verdient hat.

Wo steht der VfL am Ende der Hinrunde? Man sieht ja, dass man mit einem Sieg schon wieder ins obere Drittel rutschen kann, deshalb halte ich Zwischenrechnungen für sinnlos. Wir müssen einfach konstante Leistungen bringen, dann kommen die Punkte zwar nicht von alleine, aber irgendwann kann man sich dagegen nicht mehr wehren.

Wann spielt der VfL wieder im UEFA-Cup? Ich denke, dass der UI-Cup am Ende der Saison möglich ist. Und das dies eine gute Chance ist, in den Europapokal zu gelangen, hat Schalke ja erst bewiesen.Interview: Sarah Landsiedel

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