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Legendäre Revierteams: VfB Bottrop
Das tragische Scheitern in Perfektion

Legendäre Revierteams: VfB Bottrop
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Es gibt Vereine, die beherrschen das „tragische Scheitern“ wie eine Kunst. In den letzten Jahren waren es vor allem Bayer Leverkusen und Mainz 05, die es zu bundesweit beachteten Meriten in dieser Disziplin brachten - wenngleich beide Vereine inzwischen den Pfad der „Tugend“ etwas verlassen haben. Das gilt auch für den VfB Bottrop, der viele Jahre als Paradebeispiel für den „tragischen Verlierer“ galt.

Die Ereignisse im Zeitraffer: 1954/55 musste der VfB nur sein letztes Spiel in Rheydt gewinnen, um in die Oberliga aufzusteigen. Doch die Schwarz-Weißen verloren mit 1:2 und fielen auf Rang drei zurück. „Die Girlanden, mit denen das Vereinsheim im heimischen Bottrop bereits geschmückt worden waren, mussten wieder abgehängt werden“, schimpfte die Vereinschronik. 1955/56 ging der VfB souverän als Herbstmeister durchs Ziel – und geriet in der Rückrunde ins Straucheln. Am letzten Spieltag hätte ein Punkt beim abgeschlagenen Schlusslicht VfB Bielefeld gereicht – doch die Westfalen feierten einen unverhofften 2:0-Sieg, und so stiegen statt den Bottroper Zebras die punktgleichen Meidericher Zebras auf. 1956/57 übernahm Bottrops ehrgeiziger Oberbürgermeister Ernst Wilczok die Vereinsführung - und sah sein Team zum dritten Mal in Folge auf Platz drei einlaufen. Diesmal war es immerhin nicht ganz so dramatisch, hatte der VfB bereits am vorletzten Spieltag sämtliche Chancen eingebüßt. Das hinderte Trainer Multhaup nicht daran, die Brocken hinzuwerfen und dem ehemaligen Kieler bzw. Düsseldorfer Franz Linken das Training zu übergeben.

Trotz herausragender Talente wie Klaus Matischak und Werner Biskup sollte es jedoch nicht noch einmal zum dritten Platz reichen – geschweige denn zum ersten oder zweiten. Im Gegenteil: Der Zuschauerzuspruch stürzte von rund 7.000 auf kaum 2.000 pro Spiel ab, und 1960/61 entging der VfB sogar nur knapp dem Abstieg. Die Wende kam erst 1962/63. Ein 2:0 über den VfL Bochum räumte am 17. Juni 1963 vor heimischem Publikum die bösen Worte vom „ewigen Zweiten“ bzw. „ewigen Dritten“ endlich beiseite – der VfB Bottrop war Meister der 2. Liga-West! „Im Jahnstadion überschlugen sich Tausende von Zuschauern vor Freude über ein bald schon nicht mehr möglich gehaltenes Ereignis“, jubelte die Presse.

Umjubelter Held war Trainer Werner Stahl, der mit seiner Mannschaft schier Unmögliches vollbracht hatte. Nach einem krassen Fehlstart war der VfB zunächst wochenlang nicht vom Tabellenende weggekommen, ehe die Schwarz-Weißen plötzlich aufgedreht und den weit enteilten Spitzenreiter Duisburg 48/99 noch abgefangen hatten. Doch kein VfB-Erfolg ohne „Tragik“: Wegen der Bundesligaeinführung sprang statt des erhofften Oberligaaufstieg lediglich ein Platz in der neuen Regionalliga West heraus. Zweitligameister VfB Bottrop blieb also Zweitligist.

Damit begannen die sieben wilden Jahre, in denen sich die VfB-Fans alljährlich in einer neuen Spielklasse wiederfanden und der VfB zu allem Übel auch noch „Fahrstuhlmannschaft“ wurde. Finanziell waren dem Klub sämtliche Hände gebunden. Aus diesem Grunde waren zuvor schon Spieler wie Diethelm Ferner, Werner Kubek, Werner Biskup und Jürgen Fritsch zu anderen Vereinen gewechselt, während man im Jahnstadion immer wieder mühsam Talente aus der Umgebung aufbauen musste. Es entwickelte sich nun eine Geschichte von geradezu einzigartiger Tragik. Als die Saison 1963/64 abgepfiffen wurde, belegte der VfB in der auf zwanzig Mannschaften aufgeblähten Regionalliga West Position 17 – aufgrund des Bundesligaabstieges von Preußen Münster ein Abstiegsplatz.

Die Vereinsführung um Ernst Wilczok setzte im Folgejahr alles auf eine Karte, hielt den Vertragsligakader auch im Amateurlager bei der Stange und wurde mit dem sofortigen Wiederaufstieg belohnt. Ein Unentschieden gegen Sterkrade 06/07 bescherte der Stammelf um Torhüter Fred-Werner Bockholt, Günter Mahl, Heinz Ochmann, Hans-Jürgen Biskup, Günter Mikolajczak, Hermann Koopmann, Adolf Lukaschewski, Dieter Münnich, Manfred Kaufmann, Paul Baron und Puzich Meisterschaft und direkten Wiederaufstieg.

Verstärkt durch Ex-Juniorennationalspieler Karl-Otto Marquardt sowie dem aus Sterkrade kommenden Dieter Herzog ging man 1965/66 voller Hoffnung ins erneute Regionalligaabenteuer – und kam nie aus der Abstiegszone heraus. Trotz sporadischer Erfolge wie einem 5:1 über den Tabellendritten Hamborn 07 stand der erneute Abstieg frühzeitig fest. Größter Feiertag war der 3. April 1966, als Rot-Weiß Essen mehr als 18.000 Fans ins Jahnstadion lockte. „Parkstraße und Lamperfeld waren von Autos zugeparkt, und die Zuschauer standen dicht gedrängt auf den Rängen“, erinnerte sich VfB-Fan Hermann Beckfeld jun. später – der Schüler war über den Zaun geklettert, „um das Eintrittsgeld zu sparen, und hatte Mühe, mich durch die Massen zu drängen, um überhaupt aufs Spielfeld schauen zu können“.

Angesichts einer derartigen Euphorie gab sich die Vereinsführung nicht geschlagen und versuchte den Klassenerhalt vor Gericht zu erstreiten. Begründung: Weil mit Düsseldorf und Rot-Weiß Essen zwei Westvereine in die Bundesliga aufstiegen, wollte man vom Abstieg befreit werden. Die dem Ansinnen zugrunde liegende und bis 1965 übliche Regelung war vom WFV nämlich eigenmächtig gekippt worden, und der VfB sah sich daher guter Dinge, am grünen Tisch den nachträglichen Klassenerhalt zu schaffen.

Doch das klappte nicht. In einem einzigartigen Verbandswirrwarr, das in einem später annullierten Qualifikationsspiel zwischen dem VfB und dem westdeutschen Amateurmeister Bonner SC gipfelte (der VfB gewann souverän mit 5:0) wurden sämtliche Einsprüche abgeschmettert und der VfB musste zurück in die Verbandsliga. Trainer Stahl warf daraufhin die Brocken hin, während mit Koopmann, Bockholt und Kaufmann gleich drei Leistungsträger das Jahnstadion verließen. Zwölf Monate später konnte erneut gefeiert werden. Ein 2:2 im Aufstiegsspiel gegen Erkenschwick öffnete erneute die Pforte zur Regionalliga, die der VfB trotz eines bedrohlichen Schuldenberges auch diesmal durchschritt. Er sollte es zutiefst bedauern. Die Mannschaft zeigte zu keiner Phase Zweitligareife, stand frühzeitig als Absteiger fest und sorgte mit peinlichen Auftritten für ein Anwachsen des Schuldenberges auf existenzbedrohende 160.000 DM. Keine 200 Unverdrossene verfolgten beim letzten Bottroper Zweitligaheimspiel der Geschichte eine 1:6-Schlappe gegen Fortuna Köln.

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