Lange musste ich am Freitag nicht überlegen und für mich stand fest: Heute gehe ich wieder zum MSV. Die Frage nach dem Warum habe ich dabei allerdings zunächst geschickt verdrängt. Im Laufe des Abends, auf dem Rasen fand so eben ein mehr oder weniger bedeutungsloses Fußballspiel statt, gewann die Frage nach dem Warum dann aber immer mehr an Aktualität. So gab es von den um mich herum postierten „Zebra-Anhängern“ höchst unterschiedliche Antworten auf eine Frage, auf die es wahrscheinlich keine wirklich plausible Antwort geben kann.
Fußball wie Rauchen
Vielleicht muss man es mit dem Besuch eines Fußballspiels einfach halten wie mit dem Rauchen. So sah ich mich in einer großen deutschen Tageszeitung unlängst mit der Forderung eines „Experten“ konfrontiert, deren Tenor lautete, dass Rauchen endlich als Krankheit anzuerkennen sei. Ja warum denn nicht? Ähnliches könnte man für den Stadionbesuch an der Wedau doch auch fordern. Wer immer noch zum MSV rennt, der leidet an einer schweren seelischen Erkrankung. Für mich klingt diese „Diagnose“ plausibel, und so werde ich als nächstes meine Krankenkasse per Schriftstück ersuchen, mir ab jetzt die Kosten für die „Behandlung Stadionbesuch in Duisburg“ zu erstatten.
Zugegeben recht spät im Alter von 14 Jahren stand Moritz das erste Mal auf den Treppen des Duisburger Wedaustadions. Die damalige Südgerade gefiel dem Jungen, der 1989 mit seiner Mutter und seinen zwei Geschwistern aus Stuttgart in den "Pott" gekommen war, nicht so recht. Zu kalt, zu nass und viel zu wenig los. Also wechselte Moritz das Terrain. In der legendären Duisburger Nordkurve war es zwar nicht trockener als auf dem alten Platz und selbstverständlich pfiff auch hier der Wind recht frisch, dafür war die Stimmung deutlich besser. Der MSV ist zwar längst zu dem geworden, was sich so harmlos klingend "Fahrstuhl-Mannschaft" nennt, doch Moritz ist den "Zebras" dennoch - oder vielleicht gerade deshalb - treu geblieben und legt nun wöchentlich in seiner Fan-Kolumne Zeugnis über sein blau-weißes Gefühlsleben ab.
Zeigt der MSV in der heimischen Arena auch weiter so schwache Leistungen, wie in den meisten der nun absolvierten Heimpartien, stehen die Chancen vom „Virus Fußball“ geheilt zu werden doch gar nicht so schlecht. Und so wird die „Therapie Stadionbesuch“ mit Sicherheit irgendwann einmal bei den meisten „Fußball-Junkies“ anschlagen. Doch bis zur endgültigen „Heilung“ scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Denn immerhin schienen am Freitagabend noch über 11.000 „Patienten“ mit dem weiß-blau gestreiften „Virus“ infiziert gewesen zu sein. So verkündete es jedenfalls der Stadionsprecher.
"Lügenrekord" in Duisburg
Die Reaktion auf der Tribüne - lautes Gelächter und ungläubiges Staunen beherrschte die Szenerie - ließ jedoch vermuten, dass wir so eben Zeugen eines neuen Duisburger „Lügenrekords“ geworden waren. 11.000 Zuschauer? Ich bin fast geneigt zu sagen, dass beim Auswärtskick in der Landeshauptstadt gegen die Fortuna mehr Meidericher den MSV unterstützten als beim Match gegen die Moselstädter. Wie tief sich der Frust in den letzten Wochen in die Duisburger Fanseele gefressen haben muss, belegt vor allem die Tatsache, dass selbst im Block 10 viele bekannte Gesichter diesmal nicht zu sehen waren.
So sitzen direkt in der Reihe unter den Plätzen, auf denen die Jungs mit denen ich den Stadionbesuch in der Regel absolviere, drei Herren, die ich bislang noch bei jedem Heimspiel gesehen habe. Doch diesmal blieben die blauen Sitzschalen der drei Duisburger erst einmal leer. Kurz vor dem Anpfiff der Partie schien dann aber doch wieder alles so zu sein wie immer, denn unten am Aufgang in den Block zeigten sich schon einmal zwei, der drei „Unentwegten“. So sollte es eigentlich nur eine Frage der Zeit sein, wann auch der dritte Mann den Weg vom Bierstand in den Block finden sollte.
"Patient" geheilt?
Doch „Nummer drei“ sollte nicht kommen. Vermutlich ist der „Patient“ nach den letzten Darbietungen seines Lieblings-Klubs zu erschöpft gewesen, um den Weg an die Wedau erneut anzutreten. Für mich wäre dies eine logische und darüber hinaus sehr wünschenswerte Erklärung für das Fehlen von „Nummer drei.“ Schlimm wäre es dagegen, wenn es der MSV mit seiner Art Fußball zu spielen tatsächlich geschafft hätte, wieder einen „Weiß-Blau-Infizierten“ zu „heilen“.