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Willi Lippens: „Ente“ ist bis heute unvergessen - Karriere startete im Pokal
Die Legende mit Plattfüßen

Willi Lippens:  „Ente“ ist bis heute unvergessen - Karriere startete im Pokal
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Wie er nun zu dem Spitznamen „Ente“ gekommen ist, da hat Willi Lippens schnell eine schlüssige Erklärung parat: „Unsere Familie stammt aus Holland. Meine Vorfahren wurden in den Niederlanden geboren, wo nun einmal alles platt und flach wie ein Kuchenteller ist. Von ihnen habe ich dann den Plattfuß geerbt. Ein Wunder ist es nicht. Wenn man stets durch eine Gegend latschen muss, in der es nicht den kleinsten Hügel gibt, muss man einfach Plattfüße bekommen!“

Einmal in Fahrt gekommen, poltert er gleich charmant und selbstironisch weiter: „Ich habe Schuhgröße 41. Über die Plattfüße haben wir schon gesprochen. Hinzu kommt der Senkfuß, und mit meinem Fahrgestell ist auch nicht alles in Ordnung. Knie nach innen. Eine kleine Acht. Alles andere als gute Voraussetzungen, ein vernünftiger Fußballer zu werden!“ Willi Lippens ist es aber trotz seiner körperlichen Handicaps geworden und bis heute ist der Linksaußen, der seinen Karrierehöhepunkt in den 1970er Jahren erlebte, unvergessen.

Weniger aufgrund seiner Erfolge, denn da gibt es außer Auf- und Abstiegen mit Rot-Weiss Essen und einem Länderspiel für Oranje nicht viel aufzuzählen, sondern vor allem wegen seiner originellen Art und Weise, exzellenten Fußball mit Show und Humor zu verbinden. Wenn er spielte, war immer der „Schelm Lippens“ dabei, der die Verteidiger gerne auch mal verbal vernatzte. „Mensch Berti“, flüsterte er seinem Lieblingsgegner Berti Vogts während des Spiels ins Ohr, „schau mal, wie der Hennes Weisweiler schon guckt. Mensch, der nimmt dich gleich raus!“ Und prompt wurde der spätere Bundestrainer noch nervöser. Lippens mit der ih eigenen verbalen Lässigkeit: „Der hatte immer Dünnpfiff, wenn es gegen mich ging.“

Geboren im idyllischen Kleve kam Willi Lippens über den VfB Kleve 1965 zu Rot-Weiss Essen an die Hafenstraße. Trainer Fritz Pliska gefiel, wie Lippens mit dem Ball umging. So ordnete der „Eiserne Fritz“ in Richtung Vorstand an: „Ich will den Bauern aus Kleve!“ Und er bekam ihn als echtes Schnäppchen für 4.000 DM Ablösesumme. Jetzt musste der Neuling auf seine Chance warten, sich in die erste Elf zu spielen, denn „Auswechselungen“ waren zu dieser Zeit noch nicht möglich.

Ausgerechnet im Pokal bot sich diese Gelegenheit, die Lippens mit der ihm eigenen Chuzpe nutzte. Eine Woche vor dem Saisonauftakt 1965 stand für den damaligen Regionalligisten Rot-Weiss das Pokalspiel gegen Karnap 07 auf dem Programm. In der Vorbereitungsphase hatte sich Franz Fliege, der neue Linksaußen, den man von Rot-Weiß Oberhausen geholt hatte, verletzt, so dass die linke Seite im Mittelfeld vakant war. Fritz Pliska fragte Willi Lippens, auf welcher Position er denn gespielt hätte.

„Auf Linksaußen“, antwortete dieser forsch, was allerdings nicht stimmte. „Ich war eigentlich Rechtsaußen, aber weil der Linksaußen krank war, glaubte ich auf diese Art, eine Chance zu bekommen“, schmunzelt Lippens in Erinnerung an seine damalige Frechheit noch heute. Lippens spielte als Rechtsfuß auf links und überzeugte. Beim 7:1-Sieg schoss er fünf Tore und war damit auch für das erste Meisterschaftsspiel eine Woche später gesetzt. Es sollten an die 250 Bundesligaspiele und über 300 weitere Pflichtspiele folgen – vor allem im Trikot von RWE, aber auch für Borussia Dortmund.

Neben diesem Pflichtspieldebüt sind Lippens durchaus noch eine Reihe weiterer Spiele im Niederrheinpokal gegenwärtig, wie er bei einem Capuccino in der gemütlichen Kneipe auf seinem Hof „Mitten im Pott“ direkt an der B224 erzählt. „Da gab es 1968 ein dramatisches Pokalspiel gegen ETB Schwarz-Weiß Essen. Wir gewannen als Bundesligist mit 4:3 nach Verlängerung. Ich machte mein Tor, was eine besondere Genugtuung für mich war, da ich ja vorher am Uhlenkrug abgeblitzt war.“ Tatsächlich hat der Bauer aus Kleve, bevor er zur Hafenstraße kam, ein halbes Jahr beim Lokalrivalen ‚probetrainiert’.

Willi "Ente" Lippens ist trotz fehlender Erfolge eine Legende

Zweimal in der Woche fuhr er per Anhalter von Kleve-Hau nach Essen, um die 8,20 DM Fahrtgeld zu sparen, die er von ETB bekam. Aber Trainer Wendtland wollte ihn nicht: „Du bist nicht schnell genug. Du hast keine vernünftige Übersetzung. Dein Laufstil ist unmöglich. Du hast Füße wie Bügeleisen. Geh zurück nach Kleve“, lautete sein vernichtendes Urteil, das Lippens hart getroffen hat. So war er in späteren Jahren immer „bis in die Entenhaare“ motiviert, wenn es gegen den Lokalrivalen ging. Was sicherlich nicht für jede Pokalpartie galt.

Nur wenige Wochen später hieß der Gegner in der zweiten Runde Düren 99, und die NRZ schelte den Linksaußen als: „völlig lustlos“. „Das kam schon mal vor“, grinst Lippens heute, „man musste sich halt auch mal ausruhen.“ Über den Niederrheinpokal qualifizierte sich RWE oftmals für den großen DFB-Pokal. Zum Finale reichte es allerdings für Lippens nie. „Natürlich habe ich in meiner Jugend davon geträumt, einen Pott zu gewinnen. Das ist mir nie gelungen. Aber dafür hat sich ein anderer Traum erfüllt: In den großen Stadien zu kicken und die Zuschauer zu unterhalten.“ Das ist dem Fußballer und Entertainer tatsächlich auf unvergessliche Art gelungen, so dass er bis heute im Gedächtnis der Fußballfans geblieben ist. Auch ohne Pokal.

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