Ein Heimspiel ist am schönsten in der Arena, aber anderswo gibt es Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind. Wenn Schalke spielt, muss man im Lokal Hürter in Bottrop für Bier und Frikadellen nicht in der Schlange stehen – die werden gebracht. Auch in der traditionellen Ruhrpottkneipe ist die Stimmung großartig, die Fangesänge sind laut und die Menschen beim Derby genauso dichtgedrängt wie in der Nordkurve zwölf Kilometer östlich.
Beim Derby war die Kneipe randvoll
Beim Pokalspiel gegen die Frankfurter Eintracht wird an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/live in unserem Ticker) nicht so viel los ein wie am Sonntag, als die Gaststätte in der Fußgängerzone der Gelsenkirchener Nachbarstadt randvoll war mit vielen Menschen in Königsblau und einer tapferen Frau im gelben Trikot des Rivalen aus Dortmund – und der Jubel groß über das 2:0.
Weil im Pokal am Werktag spätabends gespielt und die Partie im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt wird, werden die Besucher am Mittwoch ähnlich übersichtlich sein wie im Viertelfinale gegen Wolfsburg im Februar. „Der harte Kern ist immer da“, weiß Ramona Fleer, seit sechs Jahren Inhaberin der Kneipe, und sie wird auch den ruhigeren Abend genießen: „Es ist eine schöne Community.“
Die meisten Emotionen verursacht ein schlafendes Kind
Da begegnen sich Arbeiter, Studenten und etliche Rentner, mehr Männer als Frauen, gegen Wolfsburg waren auch ein Arzt und zwei Unternehmer unter den zwei Dutzend Fußballfans, auf einem großen Bildschirm und einer Leinwand wird die Übertragung gezeigt. Die meisten Emotionen verursacht damals ein schlafendes Kind. Als aus der Arena ein Junge gezeigt wird, dem die Augen zugefallen sind, lacht die ganze Gaststätte befreit auf. Denn die Stimmung ist extrem angespannt angesichts der knappen 1:0-Führung, die Nervosität groß.
„Wir werden noch ganz schön zittern müssen“, fürchtet Horst, ein rüstiger Rentner. „Meine Güte!“, entfährt es Ecki, ein anderer Gast jammert: „Oh je, oh je.“ Es herrscht eine herzliche Stimmung in dem Lokal, es sind sachkundige Fußballanhänger, die an „ihrem“ Klub hängen, weder laut noch fanatisch.
Fußball ist ein wichtiger Faktor hier, trägt zum Umsatz bei – wenn Schalke, Borussia Dortmund oder die Nationalmannschaft spielen und bei großen Turnieren. Dafür lässt die Wirtin Ramona Fleer sogar den einzigen Ruhetag der Woche am Sonntag ausfallen.
Sie hat Abonnements der beiden Sender, die die Bundesliga zeigen, und zahlt dafür im Jahr eine fünfstellige Summe – da müssen schon etliche Biere durch den Zapfhahn laufen. Ramona Fleer überlegt, ob sie sich das Bezahlfernsehen auch in Zukunft leisten kann, denn große Teile des Angebots nutzen ihr nichts. „Mit Golf und Formel 1 kann ich nichts anfangen“, argumentiert sie.
Fünf Biergläser in der VIP-Lounge
Die Gaststätte hat zwei große Räume, Udo sitzt mit vier Männern in den Sechzigern im Saal hinten, vor sich fünf volle Biergläser, und sagt: „Wir sind hier die VIP-Lounge!“ Franz-Peter neben ihm erklärt: „Der ganze Tisch da vorne ist im Stadion, 15 oder zwanzig Mann.“
Als vor dem Anpfiff aus der Arena das Steigerlied mit Bildern von unter Tage läuft, raunt Peter: „Ah, nur noch Monate, dann ist es vorbei!“ Rolf, früher Besitzer eines kleinen Autohauses in Gelsenkirchen, flachst schon in der Pause: „Wir haben gerade ein Hotel in Berlin gebucht.“ Gemeint ist der Tag des DFB-Pokal-Endspiels, das in der Hauptstadt stattfindet. Aber es ist nur ein Scherz. In diesem Moment ist sogar das Halbfinale noch eineinhalb Stunden entfernt. Jürgen, der Nachbar am Stehtisch, guckt derweil auf die Handy-App eines Wettanbieters und fragt: „Soll ich einen Hunderter auf Sieg Wolfsburg setzen?“ Rolf rät zu Zurückhaltung: „Besser einen Zehner.“
„Menschen, die gerne Worte wechseln“
„Natürlich könnte ich auch zu Hause gucken“, sagt Udo. „Aber hier ist doch die Stimmung viel besser, allerdings nicht ganz so gut wie im Stadion.“ Und Klaus sinniert: „Daheim ist warm, aber ich steh hier neben der Pflaume.“ Er meint seinen Nebenmann, der grinst und nochmal zwei Pils bestellt.
Vier Minuten Nachspielzeit in der Arena, die letzte Geduldsprobe in der Ruhrpottkneipe. Es sind davon erst 3:18 Minuten vergangen, da schreit jemand: „Eh! Ist doch längst um die Zeit!“ Ähnliche Sprüche wird es im Heimspiel bei Hürter auch gegen Eintracht Frankfurt geben. „Es sind halt Menschen, die gerne Worte wechseln“, sagt Wirtin Fleer. In Dutzenden von Lokalen im Revier ist das nicht anders und überall kriegt man sein Bier leichter als im Stadion.